Sollte man sich angesichts des Klimawandels allein auf den Erhalt bestehender Pisten konzentrieren – oder neu investieren und die Skigebiete in Bayern weiter ausbauen? Diese Frage wurde bei „jetzt red i“ in Oberstdorf kontrovers diskutiert.
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Gisela Sengl (Grüne) und Klaus Holetschek (CSU) stellten sich in Oberstdorf den Fragen der Bürger.

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Klimawandel: Bürger und Politiker streiten über Skitourismus

Klimawandel: Bürger und Politiker streiten über Skitourismus

Sollte man sich angesichts des Klimawandels allein auf den Erhalt bestehender Pisten konzentrieren – oder neu investieren und die Skigebiete in Bayern weiter ausbauen? Diese Frage haben Bürger und Politiker bei "jetzt red i" in Oberstdorf diskutiert.

Über dieses Thema berichtet: jetzt red i am .

Oberstdorf ist eines der bekanntesten Wintersportgebiete Bayerns – und viele der Menschen vor Ort, das wurde bei "jetzt red i" deutlich, brennen für den Alpinsport. So wie Skilehrer David Berktold: "Wir bieten eine Freizeitaktivität an, wir bieten Sport an, wir bieten Bewegung an", schwärmt er. Seit 25 Jahren bringe er sowohl Einheimischen als auch Touristen das Skifahren bei. In der künstlichen Beschneiung sieht er kein Problem: "Natürlich brauchen wir auch Kunstschnee." Doch so wie David Berktold sehen das nicht alle: Kunstschnee ist wegen des hohen Wasser- und Energieverbrauchs vielen ein Dorn im Auge.

Umstrittener Speichersee in Oberstdorf – eine Investition in die Zukunft?

In Oberstdorf soll die bestehende Infrastruktur jetzt weiter ausgebaut werden: Am Fellhorn wird ein neuer, großer Speichersee geplant. Das dort gespeicherte Wasser soll im Winter für die Verbesserung der künstlichen Beschneiung mit Schneekanonen genutzt werden.

Gisela Sengl, Vorsitzende der bayerischen Grünen, lehnt dies ab: "Das ist ein Riesenteil und da denke ich mir: Das ist eine Investition, die rentiert sich doch gar nicht mehr." Damit bezog sie sich auf die Folgen des Klimawandels. Dieser sei "die größte Bedrohung" für den Skitourismus. Sengl sprach sich grundsätzlich gegen weitere Investitionen in den Ausbau von Skigebieten aus: "Neubau lehnen wir ab." 

Der Klimawandel finde in den Alpen "noch schneller" statt als im Flachland. Man solle sich in den Skigebieten auf den Erhalt der bestehenden Infrastruktur konzentrieren: "Das, was wir im Bestand haben, muss erhalten bleiben."  Ihre Partei sei gegen eine weitere Belastung der Alpen durch "noch mehr Speicherseen" und "noch mehr Pisten". Sie wies darauf hin, dass "nur 15 Prozent aller Gäste" in der Region Skifahren würden.

Auch Michael Finger, einer der Bürger aus dem Publikum, äußerte Bedenken angesichts des geplanten Speichersees – und kritisierte die staatlichen Förderungen für den Skitourismus: "Wieso kann eine Bergbahn umsonst 150 Millionen Liter Wasser bekommen?" Stattdessen sollte der Freistaat beispielsweise "regionale, bezahlbare Wohnungen" subventionieren – dies halte er für die nachhaltigere Investition.

Holetschek verteidigt staatliche Förderung für Skigebiete

Klaus Holetschek, der CSU-Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag, verteidigte die finanzielle Unterstützung der Skigebiete seitens des Freistaats: "Wir fördern nur Erneuerung und Modernisierung." Den Grünen warf er hingegen "Ideologie" vor. Angesichts der ökologischen Bedenken sagte er, dass das Wasser aus dem Speichersee durch die Beschneiung nicht einfach verbraucht, sondern dem "Kreislauf" wieder zugeführt werde. Außerdem, so merkte er an, würden die meisten Seilbahnen mit erneuerbaren Energien betrieben. 

Holetscheks Forderung: Die Politik solle sich auf das Urteil der Menschen und der Unternehmer vor Ort verlassen: "Wir haben hier Leute, die wissen, was sie tun." Holetschek argumentierte: Wenn vor Ort nicht mehr in Skigebiete investiert werde, würden die Menschen ins Ausland – beispielsweise nach Österreich – fahren: "Dann findet die Wertschöpfung dort statt." Das wolle er verhindern. Er freue sich über jeden Unternehmer, der aktuell im Freistaat investiert. 

Bürger vor Ort sind auf Tourismus angewiesen

Um die Arbeitsplätze vor Ort sorgten sich an diesem Abend viele Menschen im Publikum. Ein Hotelier nannte als abschreckendes Beispiel das Skigebiet am Jenner oberhalb des Königssees. In der vergangenen Saison seien dort zum ersten Mal Pisten nicht mehr mit künstlichem Schnee präpariert worden. "Zwischen zehn und 15 Prozent weniger Gäste" seien die Folge gewesen. Er hätte deshalb zwei Mitarbeiter weniger beschäftigen können – in der gesamten Region rechne er mit 200 verlorenen Arbeitsplätzen.

Armin Kling bewirtschaftet einen Bergbauernhof in der Region. Er hält den Tourismus auf allen Ebenen für "Fluch und Segen zugleich". Die Menschen und Unternehmen vor Ort seien auf den Tourismus angewiesen – gleichzeitig müsse man aber auch auf die Natur achten. Er halte den Wintertourismus – vor allem das Skifahren – "in den nächsten 30 Jahren für machbar und auch wichtig." Der Landwirt sprach sich zudem für Investitionen in bestehende Anlagen aus. Denn: "Es hilft uns nichts, wenn wir alles schlecht reden und unseren Gast in das heilige, gesegnete Österreich oder benachbarte Tirol schicken." Denn dort würden Hänge ebenfalls künstlich beschneit.

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