Ein Polit-Beben, sechs Rücktritte auf einen Schlag - aus der Sicht der CSU aber zu wenig: Nach der überraschenden Rückzugsankündigung des gesamten Grünen-Bundesvorstands ruft eine ganze Reihe CSU-Politiker nach weitergehenden Schritten. Schon früh äußert sich der Berliner CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt: "Das Problem sind nicht die Grünen an der Parteispitze, das Problem sind die Grünen in der Bundesregierung."
Der parlamentarische Geschäftsführer der CSU im Bundestag, Alexander Hoffmann, führt diesen Gedanken weiter aus: Glaubwürdig wäre seiner Meinung nach der Schritt der Grünen-Spitze nur, "wenn die grünen Minister den Mut hätten, das Land von der Ampel zu befreien". Seinen Post im Kurznachrichtendienst "X" versieht er mit dem Hashtag "Rücktritt".
Söder: Habeck muss zurücktreten
In München äußert sich der bayerische Wissenschaftsminister und Ex-CSU-Generalsekretär, Markus Blume: Die Rückzugsentscheidung von Ricarda Lang und Omid Nouripour verlange ihm Respekt ab, sei aber die "notwendige Konsequenz" einer Politik, die nicht den Rückhalt der Bevölkerung habe. Zudem sei der Rücktritt "vielleicht im besten Sinne auch beispielgebend für andere". CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek fordert: "Die Ampel-Regierung sollte geschlossen zurücktreten und Bundeskanzler Scholz muss jetzt sofort die Vertrauensfrage stellen."
Später am Nachmittag legt dann auch noch der CSU-Vorsitzende Markus Söder nach und spricht vom "Niedergang" der Grünen: Der Rücktritt sei "überfällig", die beiden Parteichefs aber "nur das Bauernopfer". Denn das Gesicht der "katastrophalen Regierungspolitik" sei Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. "Deswegen wäre konsequent: keine halben Sachen. Er muss zurücktreten. Und es braucht jetzt rasch Neuwahlen."
Während CDU-Chef Friedrich Merz die Tür für eine Zusammenarbeit mit den Grünen zumindest einen Spalt geöffnet lässt, pocht die CSU seit Wochen auf ein kategorisches Nein zu Schwarz-Grün. Erst am Montag hatte Söder die "Rechtslage" bekräftigt: Eine Koalition könnten CDU und CSU nur einvernehmlich eingehen. "Die CSU kann die Grünen verhindern. Und wir werden das auch tun."
Hofreiter: Der CSU etwas entgegenhalten
Der bayerische Grünen-Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter gibt sich bei BR24live kämpferisch: Die Partei müsse selbstbewusster auftreten. Die Grünen hätten es mit massiven Angriffen von Rechtsextremen und von Russland-Freunden zu tun. "Und auch wenn Sie daran denken, wie die CSU in Bayern agiert. Dem muss man ganz selbstbewusst etwas entgegenhalten", sagt Hofreiter mit Blick auf Verbalattacken aus der CSU ("Die Grünen passen nicht zu Bayern").
Auf die Frage, ob er selbst ein möglicher Kandidat für den Parteivorsitz sei, antwortet Hofreiter ausweichend: "Ich glaube, man muss jetzt in aller Ruhe entscheiden, wer die geeigneten Personen sind, um die Partei aus dieser Krise zu führen."
Die beiden Grünen-Vorsitzenden, Lang und Nouripour, hatten am Vormittag in Berlin überraschend den Rücktritt des gesamten sechsköpfigen Bundesvorstands angekündigt. "Es braucht einen Neustart", sagte Nouripour. Lang betonte, nötig seien neue Gesichter, um die Partei aus der Krise zu führen. Beim Parteitag Mitte November in Wiesbaden werde ein neuer Vorstand gewählt.
AfD: Weg für Neuwahlen freimachen
Nach Einschätzung der bayerischen AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner steht die Ampel vor dem Zerfall. Der Rücktritt des Grünen-Vorstands sei "die logische Konsequenz" aus verheerenden Niederlagen bei mehreren Landtagswahlen. "Die Bundesregierung sollte diesem Beispiel folgen und den Weg für Neuwahlen freimachen."
Spott von den Freien Wählern
Der stellvertretende Generalsekretär der bayerischen Freien Wähler, Felix Locke, spottet: "Lang und Nouripour treten zurück. Jetzt dürfen die Grünen mal wieder im Amateuren-Pool fischen, um den nächsten Vorstand zu casten."
SPD: "Zusammenreißen"
Dagegen appelliert der bayerische SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer an alle Partner in der Ampel-Regierung, sich jetzt zusammenzureißen. "Wir haben eine Verantwortung für das Land. Das wurde vereinbart im Koalitionsvertrag, und dazu muss man stehen. Ich hoffe, dass die FDP an Bord bleibt."
Die SPD stehe zur Ampel – mit Bundeskanzler Olaf Scholz an der Spitze. Grießhammer hofft, dass alle jetzt "wirklich wieder an den Tisch" zurückkehren und die Regierung "zu einem guten Ende" führen.
Im Video: Das BR24live zum Rücktritt der Grünen-Spitze
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