Für unkonventionelle Ideen ist der evangelische Pfarrer Hannes Schott aus Nürnberg bekannt. An seine Kirche St. Jakob grenzt derzeit das weihnachtliche Nürnberger Winterdorf. Etwa 1.000 Meter Luftlinie vom Nürnberger Christkindlesmarkt entfernt, können Besucher hier nicht nur Glühwein und Bratwürste genießen, sondern auch Nürnbergs historische Altstadt aus luftiger Höhe betrachten. Denn direkt neben der Jakobskirche steht ein 38 Meter hohes Riesenrad – geradezu Arm in Arm mit dem Kirchturm. Die folgende Idee lag somit nahe für den findigen Pfarrer: Hannes Schott bietet einmal pro Woche Seelsorge in der geschlossenen Riesenrad-Gondel an. Unter dem Motto "Nauf zu Gott mit Pfarrer Schott"!
Acht Minuten Gondel-Gespräch mit dem Pfarrer
Was zunächst eher wie ein vorweihnachtlicher Scherz klingt, wird tatsächlich von vielen gesprächswilligen Menschen angenommen. Acht Minuten dauert eine Fahrt mit dem Pfarrer. Das Gespräch ist kostenlos, aber am Ende hoffentlich nicht umsonst, lacht Pfarrer Schott. Immer mittwochs oder auf Anfrage lädt er Gäste in die Gondel, die sich einfach mal alles von der Seele reden möchten.
Inhaltliche Vorgaben gibt es keine. Rosemarie Münchmeier ist Tagesgast aus der Oberpfalz und entscheidet sich spontan zur Riesenrad-Seelsorge. Als die Gondeltür geschlossen ist, offenbart sie dem Pfarrer zugleich, aus der Kirche ausgetreten zu sein, weil sie mit dem tradierten Frauenbild einfach nicht einverstanden sei. Seit 2.000 Jahren habe sich da nichts getan. Pfarrer Schott lässt sich auf das Gespräch ein. Ja, da sei noch viel zu tun. Dass Rosemarie so offen ist, gefällt ihm.
Keine Bekehrung im Riesenrad
Er wolle auch niemanden bekehren oder in die Kirche locken, sagt der 44-Jährige. Sein Haus stehe aber jedem zu allen Zeiten offen. Rosemarie Münchmeier hätte gern noch länger als acht Minuten in der Gondel verweilt, aber die nächsten Interessierten warten bereits 30 Meter weiter unten. "Ich find das genial, das Angebot hat mich sofort angesprochen," freut sich Rosemarie Münchmeier.
So ein Dialog könne oft auch ein Anfang sein, betont Hannes Schott. Er achte schon genau darauf, was den Menschen auf dem Herzen liege. Wer intensivere Hilfe brauche oder gar krank sein, den verweise er selbstredend an die entsprechenden Stellen. Die Riesenrad-Gespräche ließen sich zu einem anderen Zeitpunkt gern auch im Gotteshaus vertiefen. Die nächste "Kundin" hatte sich im Vorfeld per E-Mail beim Pfarrer angemeldet. Tanja Gebhardt kennt den Pfarrer und sein Wirken bereits. Sie spricht mit ihm über ihr Gottesbild. Das sei aus der Kindheit schon etwas angstbesetzt. Hannes Schott will von einem zornfreien, gütigen Gott predigen. Generell.
Schweigepflicht außerhalb der Gondel
Im Riesenrad wird sich aber nicht nur über religiöse Dinge unterhalten. Es gehe oft vom Hundertsten ins Tausendste, reflektiert Hannes Schott. Genaueres will er nicht preisgeben. Klar. Auch im und vor allem außerhalb des Fahrgeschäftes gilt die Schweigepflicht. Die mobile Seelsorge werde diskret behandelt. "Wenn die Menschen spüren, der Pfarrer ist auch nur ein Mensch, öffnet das Türen," meint Hannes Schott. Auch die Schausteller auf dem Winterdorf waren von Anfang an begeistert von Schotts Idee. Die Riesenrad-Seelsorge auf dem Winterdorf in Nürnberg ist bis zum 6. Januar möglich.
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