Es lag ein wenig Euphorie und Aufbruchstimmung in der Luft, als sich im März dieses Jahres fünf verdiente Politik-Pensionäre aus Nürnberg zusammentaten, um nochmal eine größere Sache zu starten. Nicht jeder für sich, sondern gemeinsam – überparteilich. Die frühere bayerische SPD-Chefin und Bundesfamilienministerin Renate Schmidt, der einstige Außenstaatssekretär Günter Gloser, ebenfalls SPD, der langjährige Landtagsabgeordnete Herrmann Imhof von der CSU, die profilierte Grünen-Stadträtin und Fraktionsvorsitzende Brigitte Wellhöfer und der Schatzmeister der FDP in Nürnberg, Wolf Maser. Sie sind zusammengerückt, um sichtbaren Rückhalt für die Demokratie zu organisieren. Mit der Initiative "Zammrüggn", das ist fränkisch für "Zusammenrücken", soll es gelingen.
Renate Schmidt: "Demokratie braucht jeden und jede einzelne"
Renate Schmidt erläutert das im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk so: "Wir wollen ein niedrigschwelliges Angebot machen für Bürgerinnen und Bürger, die nicht jeden Tag sich mit Politik beschäftigen, die vielleicht auch nicht auf Demonstrationen gehen, die keine politischen Veranstaltungen besuchen - und sagen deshalb: Zammrüggn, unsere Demokratie braucht dich. Die Demokratie braucht nämlich jeden und jede einzelne." Und das bezieht die Initiative zunächst auf persönliche Unterschriften, die jede und jeder abgeben soll, der die Sorge von Zammrüggn teilt.
Im Unterstützungsaufruf der Initiative heißt es: "Wir machen uns große Sorgen um den Fortbestand unserer Demokratie, die durch eine zerstörerische Mischung von zunehmender Akzeptanz von Rassismus und Antisemitismus, wohlfeilem Populismus, Verschwörungsfantasien und Europafeindlichkeit genauso gefährdet ist, wie durch die Abnahme von Kompromissbereitschaft. Alle Bürgerinnen und Bürger Nürnbergs, die gesamte Stadtgesellschaft, sind aufgerufen, sich für unsere Demokratie zusammen zu schließen." Gegen wen sich der Aufruf zur Bewahrung der Demokratie besonders richtet, wird damit klar: Gegen die AfD.
Werbekampagne läuft auf Hochtouren
Mit einer groß angelegten Werbekampagne legt sich Zammrüggn ins Zeug, um Unterstützer zu gewinnen. Seit April dieses Jahres sammelt das Bündnis Unterschriften von möglichst vielen Menschen. Wer unterschrieben hat, kann seine oder ihre Haltung mit einem Ansteck-Button nach außen sichtbar machen. Die Aufschrift: "Zammrüggn". Auf den Straßen ist die Initiative mit Plakaten und Info-Ständen präsent. Außerdem hat Zammrüggn eine gleichnamige Homepage im Internet. Dort können User auch einen Song anhören, den das Nürnberger Mundart-Duo "Gigglmoo" (Vogelscheuche) eigens für Zammrüggn geschrieben und gestiftet hat. Natürlich auf fränkisch: Der Refrain lautet: "Zammrüggn, kanner kann uns an´n Rand drücken. Mir wer´n uns g´wieß ned bückn." Übersetzt heißt das: "Zusammenrücken, keiner kann uns an den Rand drücken. Wir werden uns gewiss nicht bücken."
Zammrüggn-Song wirbt für Gegenrede gegen Hass und Fakes
Der Liedtext ermuntert außerdem dazu, nicht zu schweigen, wenn Populisten hetzen oder Mitbürger Fakten als erfunden abtun. Der hauptberufliche Betriebsseelsorger Martin Plentinger, der den Song mitverfasst hat, appelliert im Gespräch mit dem BR: "Lasst uns wirklich in Bewegung kommen, lasst uns aufmerksam sein." Wichtig sei es, den Mund aufzumachen. Auch im Gründungsteam von Zammrüggn wurde schon darüber nachgedacht, Angebote zur Demokratieförderung auf den Weg zu bringen. Zum Beispiel Gesprächs-Stammtische mit Teilnehmenden außerhalb der eigenen Filterblase, wie es die Grüne Brigitte Wellhöfer anfangs einmal in Aussicht stellte. Doch jetzt steht für das Team erst einmal das Flaggezeigen im Vordergrund, und das heißt das Sammeln von Unterschriften.
Bündnis nennt keinen Zwischenstand der Unterschriftenzahl
Renate Schmidt verkündete bei der Gründung von Zammrüggn als erklärtes Ziel: Bis zum Jahresende sollen 100.000 Unterschriften für die Demokratie zusammenkommen. Das entspricht knapp einem Fünftel der Bevölkerung in Nürnberg, wo laut Landesamt für Statistik rund 523.000 Menschen leben. Doch wie viele Bürgerinnen und Bürger seit dem Start der Unterschriftenaktion im April unterzeichnet haben, könne man noch nicht sagen, erklärt der Vereinsvorsitzende von Zammrüggn, Hermann Imhof. Denn es seien derzeit etliche Unterschriftenlisten noch im Umlauf. Dafür berichtet Imhof, dass schon 107 Institutionen, Verbände und Unternehmen unter den Unterzeichnern seien. Besonders auch über Firmen freut sich das Zammrüggn-Bündnis. Und das nicht nur, weil von ihnen manche Spende für die Werbekampagne komme, sondern auch weil, die Firmenleitungen "Botschafter in die Mitarbeiterschaft" seien, sagt Imhof und fügt hinzu: "Wir erhoffen uns da wirklich dann das Echo von Zehntausenden in den nächsten Wochen und Monaten." Das Ziel der 100.000 Unterschriften habe man nicht aufgegeben, sagt Imhof, aber man verlege es auf das kommende Jahr 2025.
Prominenz soll Anschub geben
Die Mütter und Väter von Zammrüggn sind mit viel Einsatz und Ausdauer für die Sache der Demokratie unterwegs. An einem Infostand in der Nürnberger Altstadt sagt Hermann Imhof, als nächstes sei geplant, mit Prominenz aus Politik, Sport und Wirtschaft "in einer öffentlichkeitswirksamen Aktion" für Unterstützer von Zammrüggn zu werben. Doch dürfe er öffentlich noch nichts Genaueres sagen, erzählt er sichtlich um Zurückhaltung bemüht. Es ist ihm anzumerken, dass er sich davon einiges an Zuspruch für Zammrüggn erwartet. Zu einer weiteren Nachfrage des BR-Reporters kommt es nicht. Denn schnell macht Imhof einen Schritt an den Tisch mit der Unterschriftenliste, wo er sich mit Handschlag und einem „herzlichen Dankeschön“ bei einer Frau bedankt, die eben den Zammrüggn-Aufruf unterzeichnet hat.
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