Zwei Alpmeister sollen für die Zerstörung des Rappenalpbachs in den Allgäuer Hochalpen verantwortlich sein. Davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt und wirft den beiden Männern "vorsätzliche Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete sowie Gewässerverunreinigung" vor. Die beiden Angeklagten waren zum Zeitpunkt der Baggerarbeiten im Herbst 2022 die Vorsitzenden zweier Alpgenossenschaften, denen die Flächen rechts und links des Rappenalpbachs gehören.
- Zum Artikel: Zerstörter Rappenalpbach: Prozess gegen zwei Alpmeister beginnt
Angebot des Richters: Einstellung gegen Geldauflage
Zu Beginn des Prozesses am Dienstag wurde die Anklageschrift verlesen und erste Zeugen gehört. Die beiden Angeklagten machten keine Angaben und bei den Aussagen der Zeugen aus dem Landratsamt Oberallgäu ging es vor allem um einen bestimmten Aktenvermerk.
Beendet wurde der erste Verhandlungstag mit einem Paukenschlag. Der Vorsitzende Richter Christoph Schwiebacher bot den Parteien an, sich bis zum kommenden Prozesstag am Donnerstag, 18. Juli, zu überlegen, ob das Verfahren gegen eine Geldauflage eingestellt wird.
Angeklagte verfolgen Prozess aufmerksam
Die beiden Männer, 59 und 64 Jahre alt, schwiegen zunächst vor Gericht. Sie verfolgten den Prozess aufmerksam, aber ohne große Emotionen. Bei der Aussage des ersten Zeugen schüttelte einer der Angeklagten den Kopf, als es um den Baustopp ging.
Bei der vorhergehenden Verlesung der Anklage zeigten beide Angeklagten keine Reaktion. Ihre Gesichter hatten sie vor Beginn des Prozesses nicht vor den Fotografen und Kameraleuten verborgen. Im Saal waren etwa 20 Zuschauer und Zuschauerinnen, darunter auch mehrere Alpgenossen und Vertreter des Bund Naturschutz.
Erster Zeuge schildert Situation nach dem Unwetter
Als erster Zeuge sagte ein Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts Oberallgäu aus. Er hatte sich zusammen mit dem Sohn des einen Angeklagten nach dem Unwetter im August 2022 mehrere Stellen am Rappenalpbach angesehen.
In seiner Aussage schilderte er, dass damals viel Kies und Geröll aus dem Bach auf die angrenzenden Alpflächen gespült worden sei. Teilweise seien Weidepfähle fast vollständig im Kies versunken. Die Steine hätten teils meterhoch auf den Weiden gelegen, der Bach habe an verschiedenen Stellen auch das Ufer abgebrochen.
Entscheidender Aktenvermerk zu den Baggerarbeiten
Der Zeuge sagte weiter aus, dass er gemeinsam mit dem Sohn mündlich besprochen habe, welche Maßnahmen aus naturschutzfachlicher Sicht genehmigt werden könnten, was also in dem streng geschützten Gebiet gemacht werden dürfe. Im Anschluss an seinen Besuch habe er einen Aktenvermerk geschrieben. Dieser Aktenvermerk gehört zu den entscheidenden Punkten im Prozess: Konnten die Alpgenossen diesen Vermerk so verstehen, dass sie diese umfangreichen Ausbaggerarbeiten vornehmen durften?
Mehrmals stellte der Zeuge klar, dass er den kurzgefassten Aktenvermerk, den er als E-Mail an die Angeklagten gesandt hatte, nur noch einmal als grobe Zusammenfassung und Gedächtnisstütze verstanden habe. Er habe sich aber darauf verlassen, dass bei dem Ortstermin zuvor bereits mündlich genau besprochen worden sei, welche Maßnahmen umgesetzt werden dürfen.
Richter kritisiert Arbeit der Behörde
Der Richter der Strafkammer nahm den Aktenvermerk des Landratsamts am ersten Prozesstag förmlich auseinander. Das Dokument sei "allgemein gehalten" und die bewilligten Arbeiten nicht auf punktuelle Maßnahmen beschränkt. Ein Leser könne durchaus den Eindruck gewinnen, dass das Schriftstück Arbeiten auf der gesamten Länge von 1,6 Kilometern billige. Dass der Mitarbeiter der Behörde nur einen Ortsbesuch im Rappenalptal vorgenommen und einen Baustopp später zunächst nur mündlich verhängt hatte, stand ebenfalls in der Kritik.
Bei der Aussage des Zeugen fragte der Richter mehrmals nach, warum vom Landratsamt niemand zeitnah rausgefahren sei, nachdem die – per E-Mail zugesandten – Fotos den Umfang der Arbeiten gezeigt haben, um sich vor Ort selbst ein Bild zu machen. Darauf antwortete der Zeuge, dass durch Urlaub, private und andere berufliche Termine die Nachkontrolle "irgendwie ein bisschen hinten runtergefallen ist". Außerdem sei er eigentlich gar nicht für dieses Gebiet zuständig, sondern nur in Vertretung seiner Kollegin damit befasst gewesen.
Zuständige Kollegin entsetzt über Baggerarbeiten
In Anschluss an die Aussage des Mitarbeiters der Unteren Naturschutzbehörde wurde dessen eigentlich zuständige Kollegin befragt. Dabei stellten vor allem die Anwälte sehr detaillierte Nachfragen. Sie interessierte vor allem, was die Zeugin zu welchem Zeitpunkt von den Arbeiten im Rappenalptal wusste.
Als sie selbst die durchgeführten Arbeiten zum ersten Mal Ende Oktober gesehen habe, sei sie sprachlos vor Entsetzen gewesen, so die Mitarbeiterin der Unteren Naturschutzbehörde. Es sei ja im Landratsamt niemand davon ausgegangen, dass das 1,6 Kilometer sind. "Wir sind immer von punktuellen Maßnahmen ausgegangen", so die Zeugin.
Im Audio: Prozessbeginn wegen der Zerstörung des Rappenalpbachs
Staatsanwaltschaft beschuldigt zwei Männer
Den beiden Alpgenossenschaften gehören laut einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft Kempten die Grundstücke rechts und links neben dem betroffenen Stück des Rappenalpbachs. Das Gebiet ist als Naturschutzgebiet und Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH) besonders geschützt. Die angeklagten Alpmeister sollen im September und Oktober 2022 umfangreichste Baggerarbeiten am Oberlauf des Rappenalpbachs und den angrenzenden Uferflächen veranlasst haben.
Dem vorausgegangen war laut den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ein Starkregenereignis. Die Alpflächen seien dadurch teilweise meterhoch mit Kies und Geröll überschüttet worden. Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage davon aus, dass sich die beiden Männer bewusst über den vorher besprochenen Umfang der Arbeiten hinwegsetzten und weitaus weitergehende Maßnahmen durchführen ließen.
Rappenalpbach habe charakteristische Eigenschaften verloren
Auf rund 1,6 Kilometern Länge sei durch Baggerarbeiten die Bachsohle des Gebirgsbachs erheblich eingetieft und das ausgehobene Material im Uferbereich aufgeschüttet worden, führt die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage aus. Das Bachbett sei dadurch durchschnittlich um die Hälfte eingeengt worden. Zudem seien die Flächen des kiesigen Bachbettes so reduziert worden, dass keinerlei Ausuferung des Bachbettes mehr möglich gewesen sei. Entstanden sei so ein kanalartiger Bachlauf. Der Gebirgsbach habe so nur noch begrenzt die Möglichkeit, einen Hauptarm und mehrere Nebenarme mit Inseln dazwischen zu bilden.
Einer der Verteidiger führte hingegen an, dass es auch im Jahr 2005 Baggerarbeiten am Fluss gegeben habe. Er argumentiert, dass das Bachbett schon lange nicht mehr natürlich war.
Streit zwischen Alpgenossenschaften und Landratsamt
Schon vor dem Start des Prozessauftakts hatte es zwischen dem Vorsitzenden Richter Christoph Schwiebacher und dem leitenden Staatsanwalt ein Gespräch gegeben. Darin hat der Richter die Einstellung des Verfahrens angeregt. Das lehnte die Staatsanwaltschaft allerdings ab. Einen entsprechenden Aktenvermerk ließ der Richter zu Beginn der Verhandlung verlesen.
Hintergrund des Vorschlags war die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg im Juli 2023. Die Alpgenossenschaft und das Landratsamt hatten sich damals gestritten, wer die Kosten für die Renaturierung des Wildbachs übernehmen muss. Vor dem Verwaltungsgericht schlossen sie einen Vergleich: Die Kosten für die Baggerarbeiten wurden von der Alpgenossenschaft übernommen, die Kosten für die Organisation vom Freistaat, vor Ort vertreten durch das Landratsamt. Für alle Folgemaßnahmen werden die Kosten geteilt. Das Gericht stellte damals fest, dass beide Parteien Fehler gemacht hatten.
Richter regt Einstellung des Verfahrens an
Zum Ende des ersten Verhandlungstages zog der Richter eine Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage in Betracht. "Alles ist schiefgelaufen. Und zwar total schiefgelaufen", sagte der Vorsitzende Richter Christoph Schwiebacher. Damit bezog er sich vor allem auf die Schilderungen zur Vorgehensweise des Landratsamtes Oberallgäu.
Bis Donnerstag sollen Anklage und Verteidigung nun entscheiden, ob sie das Angebot annehmen und das Verfahren gegen Geldauflage eingestellt wird. Im Raum stehen Beträge in Höhe von 3.000 bzw. 10.000 Euro. Einer der Alpgenossen hat bereits seine Bereitschaft signalisiert. Sein Anwalt gab an, der Mandant sei durch das Thema psychisch sehr belastet. Ursprünglich sollte ein Urteil am 9. August fallen. Für die beiden Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.
Mit Informationen von dpa
Im Video: BR24live zum Prozessauftakt wegen des Rappenalpbachs
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