Bei dem S-Bahn-Unglück bei Schäftlarn vor zwei Jahren starb ein Fahrgast, 51 Menschen wurden verletzt. Nun ist der angeklagte Lokführer zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden.
Die Kammer, bestehend aus einem Richter und zwei Schöffenrichtern, sprach den geständigen 56-Jährigen der fahrlässigen Tötung in einem Fall sowie der fahrlässigen Körperverletzung in 51 Fällen schuldig. Es sei ein Sachschaden von sieben Millionen Euro entstanden, sagte die Richterin. Zudem sei das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentlichen Verkehrsmittel zumindest erschüttert worden.
Schlimmster Fehler, den ein Lokführer machen kann
Die Vorsitzende Richterin sprach von dem schwerwiegendsten Verstoß, den ein Lokführer machen kann. Auf der eingleisigen Strecke habe der ehemalige Zugführer zwei automatische Zwangsbremsungen wieder gelöst, ohne sich dabei die nötige Erlaubnis vom zuständigen Fahrdienstleiter zu holen. Seinen Fehler habe er vollumfänglich anerkannt, sein Geständnis sei glaubhaft gewesen. Seine Sozialprognose sei günstig, er habe eine neue Arbeitsstelle gefunden - und er habe tiefe Reue und Einsicht gezeigt. Neben den Bewährungsauflagen muss er 180 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.
Entschuldigung unter Tränen
Der Angeklagte hatte sich in seinem letzten Wort unter Tränen entschuldigt. Wörtlich sagte der Mann, der seit Anfang des Jahres als Postbote arbeitet: "Ich kann mich nur entschuldigen, bei allen, die durch mich zu Schaden gekommen sind, es tut mir leid."
Sein Verteidiger Stephan Beukelmann plädierte auf eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Sein Mandant habe Fehler gemacht, er stelle sich jedoch seiner Verantwortung. Der Lokführer hatte in dem Verfahren angegeben, er könne sich an den Unfall nicht erinnern. Er wisse nicht, warum er sich so verhalten habe. Zugleich nahm er die Schuld auf sich. Sein Verteidiger merkte an, er habe für seinen Beruf gebrannt und eine Bilderbuchausbildung hingelegt. Außerdem müsse man berücksichtigen, dass der 56-Jährige bei dem Unglück weder alkoholisiert gewesen sei noch unter Drogen gestanden habe. Er habe nicht vorsätzlich, aber fahrlässig gehandelt.
Traumberuf Lokführer - Jetzt ist er Postbote
Der Angeklagte, ein gelernter Dreher, hatte erst ein dreiviertel Jahr vor dem Unfall die Prüfung zum Triebfahrzeugführer abgelegt - und damit endlich den Traumberuf seiner Kindheit ergriffen. Vor Gericht berichtete er vom frühen Tod des Vaters, von seinem Versuch der Selbstständigkeit, von einer folgenden Insolvenz, bei der er alles verlor - um dann endlich Lokführer zu werden.
"Dass mein Traum so schnell endet" – das sei sehr schwer für ihn, sagte er. Jetzt trägt er Briefe aus. Seit Jahresbeginn habe er als Briefzusteller einen Arbeitsvertrag - unbefristet, "wenn ich die Probezeit bestehe". Der Unfall hatte dem ebenfalls schwer verletzten Mann auch psychisch zugesetzt, er ist bis heute in psychotherapeutischer Behandlung.
Laut Staatsanwaltschaft "gröbst pflichtwidriges" Handeln
Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer zwei Jahre und neun Monate Haft für den angeklagten Lokführer gefordert. Der 56-jährige Triebfahrzeugführer habe "gröbst pflichtwidrig gehandelt", so die Staatsanwältin.
Sie warf dem Angeklagten neben fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung in 51 Fällen auch die vorsätzliche Gefährdung des Bahnverkehrs vor. Es sei ein Sachschaden von sieben Millionen Euro entstanden. Zu seinen Gunsten wertete sie sein Geständnis und sein aufrichtiges Bedauern. Bei dem Zugunglück am 14. Februar 2022 war ein 24-Jähriger gestorben, 51 Menschen wurden verletzt.
Geständnis trotz Amnesie
Ein Gutachter hat den Unfallhergang rekonstruiert. Sein Bericht schloss einen technischen Defekt aus. Stattdessen habe der Lokführer eindeutig gegen das Regelwerk der Bahn verstoßen. Der Lokführer hatte im Lauf des Prozesses vor Gericht bereits unter Tränen gestanden, sagte aber, er könne sich an nichts mehr erinnern.
Mit Material von dpa
Zum Video: Urteil im Prozess um S-Bahnunglück bei Schäftlarn
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