Wenn Christian Müller morgens in sein Wildgehege geht, schwingt immer eine latente Angst mit: Der Landwirt hält Rothirsche und Damwild bei Waldthurn in der Oberpfalz. Die Region ist offizielles Wolfsgebiet. Bisher wurden noch keine Nutztiere in seiner Umgebung gerissen. "Ich habe aber jeden Morgen ein mulmiges Gefühl", sagt der 26-Jährige, "gerade wenn die Hirsche Nachwuchs haben."
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Totgeburten nach Wolfsriss
Christian Müller hat vor anderthalb Jahren den Betrieb vom Vater übernommen. Auch damals stand die Frage im Raum: weitermachen oder nicht. Denn ein Wolfsriss bedeutet nicht nur den Verlust eines wertvollen Tieres, die Zukunft des Betriebes könnte auf dem Spiel stehen: "Die anderen Tiere bekommen so einen Schock, bei einem Bekannten gab es nach einem Wolfsübergriff noch jahrelang Abgänge und Totgeburten."
Zaunförderung nur in Wolfsgebieten
Es gibt aktuell zehn Gebiete mit standorttreuen Wölfen in Bayern. Das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) weist Regionen als Wolfsgebiete aus, wenn hier dauerhaft Wölfe leben. Hier bekommen Wildtierhalter auch den Bau von Schutzzäunen gefördert. Das Gleiche gilt bei einem Wolfsriss außerhalb von Wolfsgebieten: Im Umkreis von 10 Kilometern um den Schadensort können Tierhalter auf Kosten des Freistaats Schutzmaßnahmen treffen.
Wildhalter wollen rechtzeitig vorsorgen
Wer außerhalb eines Wolfsgebietes Wild in einem Gehege hält, bekommt keine Förderung für den Zaunbau. Ungerecht, findet Wildhalter Wolfgang Kraus aus Regenstauf. Er plant aktuell den Bau eines Wildgeheges und würde gern vorsorgen und es gleich wolfsgerecht bauen und nicht erst dann, wenn etwas passiert ist: "Später aufzurüsten ist viel schwieriger und teurer, aber ohne Förderung kann ich das als Wildtierhalter nicht bezahlen. Das ist einfach nicht wirtschaftlich."
35.000 Euro für wolfssicheren Zaun
Ein wolfsabweisender Zaun mit einer Elektrolitze auf 2, 20 Metern Höhe und einem Untergrabschutz mit 50 Zentimeter langen Metallbügeln im Boden kostet rund 40 Euro pro laufendem Meter. Christian Müller aus Waldthurn lässt gerade so einen Zaun um sein zwei Hektar großes Wildgehege bauen. Die Kosten von rund 35.000 Euro werden vom Freistaat bezahlt. "Wir fühlen uns sicherer damit", sagt Müller, "aber zwei Kilometer weiter ist kein Wolfsgebiet, da bekommen meine Kollegen keinen Cent."
Zahl der Wölfe verdoppelt sich alle drei Jahre
Helmut Bamler vom Bayerischen Staatsgut Almesbach-Pfrentschweiher leitet regelmäßig Sachkundelehrgänge für Wildtierhalter. Landwirte aus ganz Süddeutschland erhalten hier ihre Ausbildung. Der Schutz vor dem Wolf ist ein fester Bestandteil des Lehrplans. Helmut Bamler erklärt an einem Demonstrationszaun die verschiedenen Schutzvarianten. Er verfolgt die Entwicklung der Wolfspopulationen seit Jahren. Bundesweit gibt es aktuell 252 Wolfsterritorien, mit 185 Rudeln, 45 Paaren und 22 Einzeltieren. "Der Wolf verdoppelt seine Anzahl alle drei Jahre", sagt Bamler. "Wenn eine Region halbwegs für den Wolf passt, wird er sich auch in weiteren Gebieten ansiedeln. Wir müssen unser Gehegewild also schützen."
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