Sie ist die dritthäufigste Todesursache in Deutschland: Jedes Jahr sterben rund 85.000 Menschen an einer Sepsis. Das belegen Studien mehrerer Mediziner-Organisationen, die die Deutsche Sepsis-Stiftung zusammen getragen hat. Es werde zu wenig dagegen getan, stellt der Präsident der Stiftung, Prof. Konrad Reinhardt von der Charité in Berlin, fest. Länder wie Schweden oder Australien sind da viel besser aufgestellt.
Mit Kultur mehr Aufmerksamkeit
Doch die Mediziner finden wenig Gehör, weder in der Politik noch in den eigenen Reihen. Oft wird als Todesursache die Sepsis gar nicht in den Totenschein eingetragen, sondern andere, begleitende Erkrankungen.
Um mehr in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden, will die Stiftung nun neue Wege gehen und mit kulturellen Veranstaltungen - ähnlich wie bei Krebs oder Aids - die Gesellschaft aufklären oder wach rütteln. Eng verbunden ist dieser neue Ansatz mit Mariah McKimbrough, als kulturelle Botschafterin der Stiftung.
Denn die Musical-Sängerin wäre fast aufgrund einer Sepsis gestorben. Bis heute hat die Krankheit ihr Leben auf den Kopf gestellt. Doch davon lässt sich die Künstlerin nicht unterkriegen - und steht nach mehreren Jahren erstmals wieder auf der Bühne - für die Sepsis-Stiftung.
Mehrmals eine Sepsis überlebt
McKimbroughs Leidensweg begann 2017. Damals war sie wegen einer anderen Krankheit in Behandlung – dann kam die Sepsis dazu, das ist "die schwerste Komplikation einer Entzündung", erklärt Prof. Reinhardt.
Als Mariah McKimbrough hörte, sie habe eine Sepsis, konnte sie es gar nicht fassen. "Ich dachte immer, da ist dieser rote Strich und man muss ganz hohes Fieber haben". Das seien aber nicht ihre Symptome gewesen. Sie habe sich einfach sterbenskrank gefühlt, verbunden mit einer Todesangst ähnlich wie beim Herzinfarkt. Die Entzündung in ihrem Körper kam durch eine Vorerkrankung – dann folgte die Sepsis und die Nürnbergerin fiel für mehrere Wochen ins Koma.
Mediziner sprechen von Wunder
Ihr Leben konnten die Ärzte retten, doch die Entzündung wütete in ihrem Körper so stark, dass ihre Brüste abgenommen werden mussten, die Wunde über Monate sich nicht schloss. Aber mit großer medizinischer Hilfe schaffte es Mariah.
"Als ich das erste mal wieder unter den Lebenden war, stellte ich fest, dass mein Körper überhaupt nicht mehr funktionierte." Sie hatte einen septischen Schock erlitten. "Mit Organversagen, und ich wurde auch mehrfach wiederbelebt. Es war sehr, sehr knapp", erinnert sie sich. "Alle Ärzte sagen, es ist ein Wunder, dass ich noch am Leben bin."
Nach fast sechs Jahren steht sie erstmals wieder auf der Bühne: für "Rhythm of Life", einer neuen Gala zugunsten der Sepsis-Stiftung. Eigentlich ist die 47-Jährige offiziell arbeitsunfähig. "Das Gemeine ist: Man sieht es mir nicht an. In dem einen Moment bin ich fit, im nächsten Moment kann ich nicht mehr aufrecht stehen" – Folgen der Krankheit und der Transplantationen. Teile ihrer Rückenmuskulatur mussten zum Aufbau der offenen Wunde ihrer ehemaligen Brust verwendet werden. "Da war nur noch Knochen, da half keine einfache Hauttransplantation", erklärt sie.
Lange Krankengeschichte – bleibende Schäden
Dass sie so offen über ihren Gesundheitszustand spricht, ist eine bewusste Entscheidung. "Ich dachte lange, mein Taubheitsgefühl in den Armen und Beinen ist psychosomatisch, das geht schon wieder weg", bis ihr ein Spezialist erklärte, das seien Spätfolgen der Krankheit. Und weil viele Menschen sehr wenig über eine Sepsis wissen, will sie mithelfen, das zu ändern.
In Nürnberg startete sie die Musicalgala "Rhythm of Life". Mit dem Musicaldarsteller und Schauspieler André Sultan-Sade führt und singt sie durch ein dreistündiges Programm, begleitet von ihren Gesangsschülerinnen und vielen Freunden und ehrenamtlichen Helfern an Organisation und Technik.
Spendenaktion zum Welt-Sepsis-Tag
Im Nürnberger Orpheum haben sie eine Auftakt-Gala gestartet, die künftig an mehreren Städten in Deutschland aufgeführt werden soll. In dieser relativ kleinen Location wurden am Wochenende knapp 9.000 Euro an Spenden gesammelt. Das Ziel ist ambitioniert: Bis zum Welt-Sepsis-Tag, dem 13. September 2025, wollen sie eine Million Euro sammeln, um die Forschung und Aufklärung zu unterstützen.
Das Thema Sepsis müsse mit in den Erste-Hilfe-Kurs, "dass man genauso über Sepsis Bescheid weiß wie über Schlaganfall oder Herzinfarkt". Ein kurzer Bluttest gebe Bescheid, ob jemand infiziert ist. Doch den vergessen oft auch Mediziner. Sie selbst sei im Krankenhaus schon weggeschickt worden mit den Worten, sie habe keine Sepsis, sie sehe nicht so aus. Ein paar Tage später lag sie erneut auf der Intensivstation.
Aufklärung auch für Ärzte
"Wir haben im Moment in Deutschland die doppelt so hohe Sepsis-Sterblichkeit wie in Schweden und Australien, das kann nicht sein, wir haben kein Ressourcenproblem in Deutschland, wir haben ein Umsetzungsproblem und ein Erkenntnisproblem", ärgert sich Prof. Reinhardt. Und Mariah McKimbrough fügt an, jeder müsse wissen, "dass jede Infektion, also nicht nur ein Schnitt im Arm, auch der Zahn, die Blasenentzündung und sonst was, eine Sepsis auslösen kann."
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