Um kurz vor sechs Uhr morgens ist es noch ziemlich ruhig am Umschlagbahnhof im Münchner Stadtteil Riem. Für einen Lkw-Fahrer zu ruhig – er wartet auf den Postzug aus Hamburg, der an diesem Tag wegen eines Sturms mit großer Verspätung unterwegs ist und erklärt: "Ich fahre Presse-Post. Wenn die um 8.00 Uhr hier rausgeht, kommen die Zeitungen, die eigentlich heute angeliefert werden sollen, erst morgen."
Wenn der Zug gleich ankommt, muss es schnell gehen: Briefe, Pakete und andere Waren sollen ohne weitere Verzögerungen zum Empfänger gelangen. Dafür muss das Team des Umschlagbahnhofs Hand in Hand arbeiten.
Wirtschaftslage zeigt sich auch am Umschlagbahnhof
Am Umschlagbahnhof München-Riem laden Kräne Container von Zügen auf Lkws und umgekehrt. Waren aus der ganzen Welt werden hier bewegt. Die Anlage ist eine der größten in Deutschland. "Wir könnten 320.000 Umschläge im Jahr hier bewältigen. Aktuell machen wir 287.000 Umschläge", erklärt Giuseppa Santospagnolo. Sie ist für die Umschlagbahnhöfe der Deutschen Bahn in Bayern verantwortlich. "Wir sind also nicht an unserer Kapazitätsgrenze angelangt." Das liegt Santospagnolo zufolge an der aktuell schlechten Wirtschaftslage in Deutschland. "Die Zugauslastung spiegelt die Situation der Wirtschaft wider."
Kran lädt Container vom Zug auf den Lkw
Um halb acht rollt endlich der Post-Zug ein, drei Stunden später als geplant. Sobald der Zug zum Stehen kommt, fährt Kranfüher Stefan Vujnović mit seinem Portalkran über die Wagen. Der Kran überspannt mehrere Gleise und eine Straße. Mit einem Greifarm des Geräts kann Vujnović Güter vom Zug auf die Lkw heben.
Bis zu 40 Tonnen Gewicht
Neben dem Zug hat sich schon ein Lkw mit leerem Auflieger positioniert – beim Aufsetzen wird es besonders knapp. "Da brauche ich den Lkw-Fahrer, denn da sehe ich das Loch für den Zapfen nicht", sagt Vujnović. Die Zapfen bilden die Verbindung zwischen dem Lkw und den bis zu 40 Tonnen schweren Containern. Weil der Kranführer die Zapfen nicht perfekt sieht, braucht er Anweisungen des Lkw-Fahrers am Boden. In wenigen Sekunden wechselt der tonnenschwere Container so von der Schiene auf die Straße.
Zugverbindungen in alle Richtungen – sogar nach Fernost
Damit das alles reibungslos funktioniert, arbeiten am Umschlagbahnhof in München-Riem knapp 100 Personen an sechs Tagen in der Woche im Schichtbetrieb. Die Züge fahren von hier unter anderem nach Italien, Slowenien, in die Niederlande – sogar eine Verbindung bis nach China gibt es. Die Güter können so den größten Teil ihres Weges auf der Schiene transportiert werden. Nur für die letzten Kilometer werden sie hier auf Lkw verladen und in Bayern ausgeliefert.
Hoffen auf Ausbau des Brenner-Nordzulaufs
Auch, wenn das Terminal aktuell nicht komplett ausgelastet ist, hofft Giuseppa Santospagnolo auf einen schnellen Ausbau des Brenner-Nordzulaufs. 2032 soll der Brennerbasis-Tunnel eröffnet werden und den Güterverkehr nach Italien deutlich beschleunigen. Dadurch dürfte sich laut Santospagnolo auch die Pünktlichkeit der Züge im Umschlagbahnhof München-Riem verbessern. Schon heute fahren täglich zwei Güterzüge von München-Riem nach Verona und zurück. In der Region, durch die der Nordzulauf verlaufen soll, ist das Projekt aber umstritten – und die Umsetzung bisher noch fraglich.
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