Immer wieder Franz Josef Strauß. Der letzte Auftritt des "CSU-Übervaters" beim Politischen Aschermittwoch liegt 36 Jahre zurück, dennoch ist er an diesem Vormittag dauerpräsent in der Passauer Dreiländerhalle. Parteichef Markus Söder hat sich einen Strauß-Anstecker an den Trachtenjanker geheftet, mehr als ein halbes Dutzend Mal erwähnt oder zitiert er sein großes Vorbild in seiner Rede. Söder versucht, den Geist von Strauß wieder aufleben zu lassen und einen Ton zu treffen, der vor allem die Konservativen im Land umarmt.
Söder bemüht sich um neue Standortbestimmung der CSU
Das hat knapp vier Monate vor der Europawahl viel mit den Erfolgen von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger und der AfD zu tun. Getreu dem viel zitierten Strauß-Satz, es dürfe rechts von der Union keine demokratisch legitimierte Partei geben, bemüht sich Söder um eine neue Standortbestimmung der CSU. Nach rechtsaußen zur AfD zieht er eine rote Linie ("rechtsextrem und verfassungsfeindlich") und versucht gleichzeitig, den Raum bis zu dieser Linie auszufüllen - auch um Aiwanger, dem selbsternannten Retter der "bürgerlichen Vernunft", weniger Platz zu lassen.
Nachdem sich der FW-Chef seit Monaten als Mann des klaren Wortes präsentiert, der kein Blatt vor den Mund nimmt, hält Söder in Passau dagegen. "Das ganze Jahr bin ich Staatsmann. Aber heute gibt es freie Fahrt. Nicht Kamillentee und Gebäck, sondern Bier, Fisch und Emotion pur." Gleich zu Beginn seiner Rede rät Söder allen "Freunden und Experten der Political Correctness", lieber abzuschalten.
"Grün ist out"
Was für Strauß seinerzeit die "Roten" waren, sind für Söder die Grünen. In seiner mehr als einstündigen Rede arbeitet sich der CSU-Chef über weite Strecken an den Grünen ab. "Grün ist out. Schluss mit den Oberlehrern und Oberlehrerinnen! (...) Die Grünen sind nicht regierungsfähig, weder in Bayern noch Berlin." Die grüne Bundesumweltministerin Steffi Lemke verspottet Söder als "grüne Margot Honecker" und fügt hinzu: "Die Grünen machen so viel Mist. Eigentlich müssten die selbst unter die Düngeverordnung fallen." Die CSU wolle kein Schwarz-Grün. "Gestern, heute und morgen auch nicht."
Für "heute" mag das zutreffen, im "Gestern" gab es von Söder auch schon anderen Äußerungen. Noch vor drei Jahren attestierte er Schwarz-Grün in Interviews einen "großen Reiz", weil beide Parteien die "großen Fragen der Zeit" im Blick hätten "wie die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie". Es war die Zeit, in der Söder unter dem Eindruck eines Höhenflugs der Grünen Bäume umarmte und sich um eine ökologischere, urbanere und weiblichere CSU bemühte. 2019 kam Söder sogar in Robert-Habeck-Manier mit Dreitagebart zum Politischen Aschermittwoch ("So lässig wie der sind wir schon lange, bloß wächst bei uns mehr").
Alte deutsche Tugenden und Fleisch mit Verfassungsrang
Diese Phase hat Söder längst hinter sich gelassen, zugunsten einer Rückbesinnung auf die CSU-Kernklientel. Als einzige der großen Parteien haben die Christsozialen unter ihren Aschermittwochsrednern keine einzige Frau - vor ein paar Jahren gab es in einem solchen Fall noch Debatten, heuer scheint es keine Rolle zu spielen. Wenn Söder jetzt in Passau auf die Grünen schimpft, schielt er auf die konservative Wählerschaft, um die auch Aiwangers Freie Wähler kämpfen.
Wie einst Strauß warnt Söder vor dem Sozialismus. "Ob der Sozialismus rot oder grün ist: Sozialismus ist immer Mist und wir wollen keinen in Deutschland." Der CSU-Chef beschwört "alte deutsche Tugenden" wie den Fleiß und kritisiert die Kirchen dafür, dass sie seinen Einsatz für das Kreuz in Amtsstuben nicht ausreichend würdigen. Einmal mehr verspricht Söder ein Gender-Verbot und attestiert Fleischspezialitäten wie Schweinsbraten und Schäufele kurzerhand "Verfassungsrang".
Söder stimmt ein in die Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dieser müsse nicht nur sparen, sondern auch "ein bisschen mehr auf Ausgewogenheit und Fairness" achten. Und als er eine schärfere Migrationspolitik verlangt, distanziert er sich vom Unionskurs unter Angela Merkel: "2015 muss wieder gutgemacht werden. Es braucht eine Versöhnung mit den Fehlern von damals."
AfD verleiht Söder den "goldenen Kopierer"
Bei der AfD in Osterhofen spottet die bayerische Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner über Söders Rückbesinnung auf konservative Politik. "Der 'goldene Kopierer' für das umfangreichste Übernehmen von AfD-Positionen geht an den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder", stichelt sie. "Die Jury stellt in ihrer Laudatio fest, dass Söder sich teils in vorbildlicher Weise und sehr umfangreich bei Kernpositionen der AfD bedient hat, ohne sich dabei auch nur die geringste Mühe zu machen, diese umzuformulieren."
Allerdings zeigen die Reden von Ebner-Steiner und Co. am Aschermittwoch, dass die AfD längst Positionen vertritt, die weit jenseits der Söderschen roten Linien liegen. Ebner-Steiner sprich von "Totalitarismus" in Deutschland und "EU-Diktat", weshalb die AfD die "Demokratie in diesem Land wiederherstellen" werde. Europawahl-Spitzenkandidat Maximilian Krah beschwört ein "einig Volk von Brüdern" und betont: "Remigration ist und bleibt das Gebot der Stunde." Und AfD-Landeschef Stephan Protschka erklärt die Demonstranten gegen Rechtsextremismus zu "Faschisten".
Aiwanger sieht sich als Bollwerk der Demokratie
Während Söder in Passau die Mahnung an die Freien Wähler ausspricht, es mit Populismus und "überzogener Diktion" nicht zu übertreiben, lobt Hubert Aiwanger in Deggendorf seine Partei als "starkes Bollwerk der Demokratie in der Mitte". Anders als Söder verzichtet Aiwanger wieder einmal auf direkte Attacken gegen die AfD, sondern bezeichnet seine eigene Politik als bestes Mittel gegen das Erstarken der "Ränder links und rechts": Eine bodenständige Politik, die die Probleme noch beim Namen nenne, ohne "ständig nach links und rechts zu schauen".
Aiwanger beklagt eine verfehlte "rot-grüne Politik" im Bund, "wo man das Geld vom Fenster rauswirft, das an anderer Stelle hart erarbeitet worden ist". Die Ampel mache eine "grandios falsche Politik", ruiniere den Wohlstand in Deutschland und treibe die Wähler politischen Extremisten zu. Gleich reihenweise fordert Aiwanger deswegen Steuersenkungen - für Arbeitnehmer und Unternehmen, für Gastronomen, Erben und Rentner. Die Ampel sei zu solchen Entscheidungen "mit gesundem Menschenverstand" nicht fähig, "weil sie ideologisch gefangen ist".
Es gilt nun laut Aiwanger, den Menschen ihre Zukunftsangst zu nehmen: "Und zwar durch Fakten und nicht durch Ignorieren die Realität und durch Denk- und Sprechverbote", mahnt er, ohne zu sagen, wer diese Verbote ausspricht. "Jeder kann und soll essen, was er will. Jeder kann und soll denken, was er will." Es brauche "eine Meinungsfreiheit, wo man, ohne zu überlegen, auch vernünftige Dinge sagen darf, ohne in Verdacht zu geraten, links oder rechts zu sein". Wie Söder lobt auch Aiwanger Fleiß - und wünscht sich, dass junge Menschen wieder zu Leistung "getrieben" werden. Und auch Aiwanger verlangt eine Verschärfung der Migrationspolitik.
CSU beansprucht das Erbe von Strauß für sich
Die Freien Wähler hatten die CSU schon vor Monaten verärgert, als der damalige parlamentarische Geschäftsführer und heutige Digitalminister Fabian Mehring seinen Chef Aiwanger zu einer Art neuen Strauß erklärte: Manch einer, der Franz Josef Strauß verherrliche, habe im Moment das Gefühl, dass vielleicht ein bisschen mehr Strauß in Aiwanger stecke "als im Söder oder als in dem einem oder anderen CSUler". In Passau macht Söder deutlich, dass die CSU Strauß für sich beansprucht: Die CSU müsse in diesen schweren Zeiten "das Erbe von Franz Josef Strauß" verteidigen. Er habe gemeinsam mit anderen die Grundphilosophie der CSU geprägt.
Zugleich zeigt Passau: Die Christsozialen wollen den Freien Wählern ihrerseits nicht den "gesunden Menschenverstand" überlassen, den Aiwanger mantraartig beschwört. CSU-Generalsekretär Martin Huber erklärt die CSU-Kundgebung zum "Hochamt derjenigen mit gesundem Menschenverstand", Verkehrsminister Christian Bernreiter betont: "Alle suchen den gesunden Menschenverstand. Hier ist er, in der Dreiländerhalle in Passau." Mit dem Politischen Aschermittwoch läuten CSU und FW eine neue Runde ein im Wettstreit um die bürgerlich-konservativen Wähler.
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