Luftaufnahme der Hochwasser führenden Donau mit überschwemmtem Umland
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Wo der Riedstrom früher durch Auwald und Wiesen verlief, überschwemmt er heute auch Äcker und Verkehrswege.

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Hochwasserschutz XXL: Bayerns größtes Überschwemmungsgebiet

Der Riedstrom an der schwäbischen Donau ist Bayerns größtes natürliches Überschwemmungsgebiet. Auch Städte außerhalb Schwabens weiter flussabwärts profitieren vom Hochwasserschutz. Die Last tragen müssen aber die Landwirte im Donauried.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Die Wassermassen sind weg, viele Landwirte im schwäbischen Donauried stehen jetzt vor verwüsteten Feldern mit zerstörten Ernten. Genau beziffern lassen sich die Schäden noch nicht: Nach Angaben des Bayerischen Bauernverbands ist bei vielen Kulturen noch nicht klar, ob sie überleben werden.

Tausende Euro Schaden pro Hektar

Einer der betroffenen Landwirte ist Ackerbauer Hermann Kästle aus Steinheim. Seine Zuckerrüben stehen auch Tage nach dem Hochwasser noch unter Wasser, der Boden ist morastig und stinkt. Die Blätter der Pflanzen sind eingerollt. Für Kästle ist klar: "Die Rüben sind einfach kaputt. Das sind drei-, vier-, fünftausend Euro Schaden pro Hektar." Zu sehen, wie das Wasser die Arbeit eines Jahres zerstöre, sei bitter. Er hofft auf eine Entschädigung für den Beitrag, den er und die anderen Landwirte im Bereich des Riedstroms seiner Ansicht nach für die Allgemeinheit leisteten, wenn die Donau Hochwasser führe: "Wenn der Riedstrom gebraucht wird, geben wir unsere Flächen her."

Juni-Hochwasser in Südbayern - Der "Riedstrom" an der schwäbischen Donau ist Bayerns größtes natürliches Überschwemmungsgebiet, auch Städte außerhalb Schwabens wie Regensburg oder Passau profitieren vom Hochwasserschutz. Die Last tragen müssen aber die Landwirte im Donauried. BR-Reporter haben die Betroffenen besucht und zeigen, wie der Riedstrom funktioniert. Zu sehen im folgenden Video:

Hochwasserschutz an der Donau: Bayerns größtes Überschwemmungsgebiet | BR24 vor Ort
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Hochwasserschutz an der Donau: Bayerns größtes Überschwemmungsgebiet | BR24 vor Ort

Riedstrom schwächt zerstörerisches Hochwasser ab

Der Riedstrom ist Bayerns größtes natürliches Überschwemmungsgebiet. Führt die schwäbische Donau starkes Hochwasser, strömt das Wasser über die Dämme und sucht sich seinen Weg durch das dünn besiedelte, vor allem landwirtschaftlich genutzte Donauried. Allein seit 1999 kam das, in unterschiedlichem Ausmaß, sieben Mal vor. Die Wassermassen fließen dann, beginnend bei Gundremmingen, aus der kanalisierten Donau und schwächen damit die zerstörerische Wirkung des Hochwassers für flussabwärts liegende Städte und Gemeinden ab.

"Spitzenabfluss fällt wesentlich geringer aus"

Denn das Wasser fließt im Riedstrom auf einer Breite von bis zu drei Kilometern und nur sehr langsam. Über eine Strecke von rund 30 Kilometern und erst um Tage verzögert kehrt es, vor allem über die südlichen Nebenflüsse, wieder in die Donau zurück. Als natürliches Rückhaltegebiet erfülle der Riedstrom beim Hochwasserschutz so zwei Funktionen, sagt Nils Führer vom Wasserwirtschaftsamt Donauwörth: "Wir haben den Riedstrom, der die Hochwasserwelle in der Spitze runterdrückt", so Führer weiter. "Der Spitzenabfluss", also die maximale Abflussmenge an Wasser im Donau-Hauptfluss, die während eines Hochwasserereignisses erreicht wird, falle damit "wesentlich geringer" aus.

Viele Städte und Gemeinden an der Donau profitieren

Gleichzeitig sorge der Riedstrom für eine Verzögerung des Hochwasserabflusses. Über Land fließe das Wasser "wesentlich langsamer ab als in der Donau selbst, dadurch kommt die Welle zum Beispiel hier in Donauwörth erst verzögert an". Davon profitieren weiter flussaufwärts auch schon Höchstädt, Dillingen oder Lauingen, wie auch von Donauwörth aus gesehen weiter flussabwärts liegende Städte und Gemeinden.

Teile der Innenstadt Lauingens wären wohl überflutet worden

Beim Hochwasser Anfang Juni hat der Riedstrom etwa in Lauingen seine Wirkung gezeigt: Ein Altenheim wurde zwar vorsorglich evakuiert, denn das Wasser stand schon bis zur Tür. Es drang aber nicht in das Gebäude ein. Wäre das Wasser nicht bereits oberhalb der Stadt aus der Donau hinausgeflossen, hätte es laut Bürgermeisterin Katja Müller "mindestens einen Meter höher" gestanden. Nicht nur das Altenheim, auch Teile der Innenstadt wären dann wohl überflutet worden.

Nordseite des Donau-Ufers hätte überschwemmt werden können

Und auch in Donauwörth haben sie diesmal vom Riedstrom profitiert. Wäre das Wasser mit den jüngst in der Donau erreichten Abflussmengen von teilweise weit mehr als 1.000 Kubikmetern pro Sekunde "durchgelaufen, muss man davon ausgehen, dass die Hochwasserschutzanlagen in Donauwörth dem nicht standgehalten hätten", sagt Nils Führer vom Wasserwirtschaftsamt. Und auch die Dämme entlang der Donau vor den Staustufen sind laut der Behörde nicht für solche Wassermassen ausgelegt. Ohne den Abfluss des Wassers in den Riedstrom hätten sie brechen und auch die dicht bebaute Nordseite des Donauufers hätte überschwemmt werden können.

Ab 750 Kubikmeter geht das Wasser über den Damm

Zunächst geschieht der Abfluss des Wassers in den Riedstrom an Stellen, wo die Dämme bewusst zu diesem Zweck abgesenkt sind – so etwa ab einer Wassermenge von 750 Kubikmetern pro Sekunde an der Staustufe Faimingen bei Gundremmingen. Bevor es für Dämme und Ortschaften kritisch wird, kann das Donauwasser hier in den Riedstrom abfließen.

Zusätzlich besteht die Möglichkeit einer Steuerung an den Staustufen: Wird an einer Staustufe der Abfluss gedrosselt, geht das Wasser bereits weiter flussaufwärts über den Damm. Bedingung für die Genehmigung des Baus der Staustufen war laut dem Wasserwirtschaftsamt Donauwörth, dass der Riedstrom erhalten bleibt. Auch um die Staustufen und die Staudämme bei starkem Hochwasser zu entlasten. Bei einem Hochwasser wie heuer hätten die Staudämme demnach brechen können, die Staustufen ihren Betrieb nicht aufrechterhalten können, so die Experten vom Wasserwirtschaftsamt.

Früher breitete sich der Fluss auf beiden Seiten der Donau aus

Dann fließt es parallel zum heutigen Donaubett flussabwärts - ein im Grunde ganz natürlicher Vorgang: Vor der jahrhundertelangen Begradigung der Donau und dem Bau der Staustufen ab den 1960er-Jahren war der Riedstrom das kilometerbreite, verästelte Flussbett der Donau. Die ursprünglichen Rinnen sind in der Landschaft teilweise noch zu erkennen.

Wo sich einst Auwälder ausdehnten, ziehen sie sich heute auch durch zahlreiche Äcker hindurch. Früher breitete sich der Fluss auf beiden Seiten der heutigen Donau aus. Jetzt wird das Wasser bewusst auf die weitgehend unbebaute, südliche Seite gelenkt. Der Riedstrom ist hier noch immer Bayerns größtes natürliches Überschwemmungsgebiet.

Hochwasser sorgt auch für fruchtbare Böden

Früher kam das Hochwasser meistens im Winter. Die regelmäßigen Überschwemmungen brachten das mit, was die artenreiche Tier- und Pflanzenwelt im Auwald braucht, etwa Kalk und zahlreiche Nährstoffe. Über Jahrhunderte sind die Böden dadurch sehr fruchtbar geworden. Und das ist auch der Grund dafür, dass darauf heute viel Ackerbau betrieben wird. Die Landwirte bauen Getreide, Kartoffeln oder Zuckerrüben an, wie auch Bauer Hermann Kästle. Er hat jetzt den Schaden, weil das Wasser zu lange auf seinem Acker stand. Die betroffenen Landwirte im Donauried hoffen nun auf einen finanziellen Ausgleich. Immerhin: Soweit die Landwirte zurückdenken können – so gewaltige Wassermassen haben noch nie ihre Felder überflutet.

Landwirte hoffen auf Entschädigung

Aus dem von der bayerischen Staatsregierung aufgelegten Soforthilfe-Programm können Betriebe auf eine Erstattung von bis zu 50 Prozent und maximal 50.000 Euro hoffen, bei Existenzgefährdung gibt es gegebenenfalls mehr. Es gibt aber eventuell noch eine weitere Möglichkeit, für den Beitrag, den die Bauern im Donauried zum Hochwasserschutz für die Allgemeinheit leisten, Finanzhilfen zu erhalten.

Absichtserklärung für weitere Hilfen?

"Die Landwirtschaft ist ja Teil der Gesellschaft", sagt Hermann Kästle, da wolle er sich nicht aus der Verantwortung nehmen. Aber: "Wir brauchen eine Lösung, die die Landwirte mit ins Boot nimmt." Infolge des großen Hochwassers im Jahr 2015, als der Riedstrom zum letzten Mal vor 2024 großflächig Äcker überschwemmt hatte, wurde deshalb im Jahr 2016 eine Vereinbarung zwischen dem Bauernverband und den zuständigen Ministerien getroffen. Der Dillinger Landrat Markus Müller (FW) pocht jetzt auf diese Absichtserklärung, die "in Aussicht gestellt" habe, dass bei Überflutung des Riedstroms nach dem Beispiel des Jahres 2013 "Entschädigungen für die landwirtschaftlichen Kulturen erfolgen". Damals bekamen die Bauern bis zu 80 Prozent erstattet. Eine Obergrenze gab es nicht.

BBV fordert verbindliche Entschädigungsregelung

Der Bayerische Bauernverband (BBV) schließt sich der Forderung in einem offenen Brief an das Umwelt-, das Landwirtschafts- und das Finanzministerium an. Darin wird eine verbindliche Entschädigungsregelung für Hochwasserschäden bei Landwirten im Bereich des Riedstroms gefordert, auf Grundlage der Absichtserklärung von 2016. Denn ob diese heuer angewandt wird, ist ungewiss. Das Landwirtschaftsministerium hat auf BR-Anfrage an das Umweltministerium verwiesen. Aus dem Umweltministerium heißt es, ein Rechtsanspruch auf Entschädigungen bestehe nicht. Eine Anfrage zu Detailregelungen möglicher Entschädigungen in der Absichtserklärung ließ das Ministerium bisher unbeantwortet.

Dieser Artikel ist erstmals am 20. Juni 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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