Der Staatsanwalt sieht es als erwiesen an, dass der ehemalige Maristen-Ordensbruder und Leiter des Mindelheimer Internats einen damals 15-Jährigen vor rund 20 Jahren mehrfach vergewaltigt habe. Die Verteidiger des Angeklagten bezeichnen die Vorwürfe dagegen als unglaubwürdig und fordern vor dem Landgericht Memmingen einen Freispruch ihres Mandanten. Der Angeklagte selbst äußerte sich vor Gericht nicht zu den Vorwürfen.
Maristen-Frater soll Schüler vergewaltigt haben
Bereits am zweiten Verhandlungstag am 9. Oktober hatte das mutmaßliche Opfer den heute 64-Jährigen schwer belastet. Wiederholt sei der heute 37-Jährige von dem früheren Ordensmann zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden.
Von diesen Vorwürfen hatte das Amtsgericht Memmingen den Angeklagten, der vor mehr als zehn Jahren bereits zweimal wegen Missbrauchsfällen zu Bewährungsstrafen verurteilt worden war, Anfang des vergangenen Jahres in erster Instanz freigesprochen.
Den Ausschlag für den Freispruch hatte damals ein psychologisches Gutachten gegeben, das besagt, dass es sich bei den Aussagen um "Schein-Erinnerungen" handeln könnte. Damals hatte das mutmaßliche Opfer, das laut seinen Angehörigen sehr unter dem Erlebten leide und heute psychisch krank ist, allerdings noch nicht persönlich vor Gericht ausgesagt.
Angeklagter bereits wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt
Zwei weitere Tatvorwürfe hatte der ehemalige Frater, der mittlerweile vom katholischen Maristen-Orden ausgeschlossen wurde, zu Beginn des ersten Prozesses am Amtsgericht zugegeben: vier Fälle von sexuellem Missbrauch und ein Fall von sexueller Nötigung an zwei damals 13-jährigen und 17-jährigen Jugendlichen.
Dafür hat das Amtsgericht ihn verurteilt, zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung. Das Strafmaß von drei Jahren und zehn Monaten fordert der Staatsanwalt nun als Gesamtfreiheitsstrafe für die bereits verurteilten Taten an diesen beiden Jugendlichen und die Vergewaltigungsvorwürfe zusammen. Auch gegen die Bewährungsstrafe aus erster Instanz hatte die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt.
Nebenklage spricht von "Kloster des Schreckens"
Der Anwalt der Nebenklage, also der mutmaßlichen Opfer, fordert sogar "mindestens sechs Jahre" Haft. Ein Verfahren wie dieses habe er noch nie erlebt, bei dem "erwachsene Männer bei der Aussage in Tränen ausgebrochen sind".
Eltern hätten ihre Kinder in bester Absicht auf das Internat des Maristenklosters geschickt, damit es ihnen dort gut gehe und sie bestmöglich gefördert würden. Doch es sei "ein Kloster des Schreckens" gewesen. Der Internatsleiter habe dort "ein System etabliert, die schwächsten Schüler gezielt anzugehen", sagte der Staatsanwalt.
Er bezog sich dabei unter anderem auf die Ausführungen einer früheren Erzieherin. Diese hatte vor Gericht ausgesagt, dass der Internatsleiter regelmäßig "um kurz vor Licht aus" Schüler "angefordert hat", die dann in Boxershorts zu ihm kommen mussten. Meist seien sie "bis zu ihrem Dienstschluss nicht zurückgekommen".
Verteidigung: Indizien "nicht ausreichend"
Der Verteidiger kritisierte in seinem Plädoyer, dass es in dem Prozess nach seiner Wahrnehmung viel zu wenig um die eigentlichen Vergewaltigungsvorwürfe gegangen sei, von denen der Angeklagte in erster Instanz freigesprochen worden war. Anstatt deren Glaubwürdigkeit zu prüfen, sei es sehr oft vor allem darum gegangen, von dem Mann "ein schlechtes Bild zu zeichnen".
Auch die Aussagen der Erzieherin seien unglaubwürdig. Insgesamt seien die vorliegenden Indizien "nicht ausreichend für eine Verurteilung". Gerade im Bereich der Sexualdelikte sei zudem "die Quote der Falschbeschuldigungen erschreckend hoch", ergänzte der zweite Verteidiger.
Ein Urteil wird nun für den 2. Dezember erwartet. Bis dahin gilt die Unschuldsvermutung.
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