26.08.2024, Nordrhein-Westfalen, Solingen: Blumen und Kerzen in Gedenken an die Opfer liegen an einer Kirche in der Nähe des Tatorts. Bei einer Messerattacke auf der 650-Jahr-Feier der Stadt Solingen am 23. August hatte es drei Todesopfer und Verletzte gegeben. Foto: Henning Kaiser/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Nach der Messerattacke auf dem Solinger Stadtfest

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Trauma-Expertin: Messerattacke in Solingen reißt alte Wunden auf

Trauma-Expertin: Messerattacke in Solingen reißt alte Wunden auf

Die Messerattacke in Solingen weckt Erinnerungen an eine ähnliche Tat 2021 in Würzburg. Damals tötete ein Mann in der Innenstadt drei Menschen mit einem Messer. Eine Psychotherapeutin erklärt, was diese Parallelen für Betroffene bedeuten können.

Über dieses Thema berichtet: Stadt Land Leute am .

Drei Tote, mehrere Verletzte, ein junger Mann mit einem Messer, der Tatort eine belebte Ecke in der Stadt, der Tattag ein Freitag - es gibt durchaus Parallelen zwischen der Messerattacke in Solingen und der Messerattacke in Würzburg vor drei Jahren. Für Betroffene kann das herausfordernd sein. "Wenn Menschen traumatisiert sind, kann es immer wieder sein, dass durch sogenannte 'Trigger-Situationen' Wunden aufreißen, also Trauma-Situationen wieder virulent werden", sagt Dr. Marion Schowalter.

Trauma-Ambulanz nach Messerattacke eingerichtet

Sie ist Psychotherapeutin und leitet die Trauma-Ambulanz der Uniklinik Würzburg. Diese wurde damals als direkte Folge der Messerattacke eingerichtet – um schnell und niederschwellig Hilfe anbieten zu können. Die Würzburger Trauma-Ambulanz ist auf akute Traumata spezialisiert – also Vorfälle, die sich vor wenigen Wochen oder Monaten ereignet haben.

In der Trauma-Ambulanz gibt es innerhalb kurzer Zeit einen ersten Beratungstermin. Hier wird laut Schowalter abgeklärt, was passiert ist und wie sich das Trauma bewältigen lassen könnte. Ein Trauma kann, wenn es sehr massiv war, jemanden ein Leben lang begleiten. "Gerade bei Traumata, die nicht behandelt sind, ist es sogar wahrscheinlich, dass es immer wieder ein Aufflammen gibt", sagt Schowalter.

Aufmerksamkeit und Anteilnahme können helfen

Zwar hätten wir Menschen auch gute Selbstheilungskräfte und könnten Ereignisse nach und nach verarbeiten. "Aber dafür muss man auch etwas tun." Als Begleiterscheinung eines Traumas könne es auch Flashbacks geben. Betroffene erleben dann ihr Trauma wieder, sind schreckhaft oder haben Angst, dass jederzeit wieder etwas passieren könnte.

Helfen kann nach einem traumatischen Ereignis beispielsweise eine große Aufmerksamkeit und Anteilnahme. Laut Schowalter ist es etwa wichtig, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Solingen gereist ist und Angehörige und Bürger unterstützt. Scholz war am heutigen Montag nach dem Anschlag vor Ort. In seiner Rede kündigte er unter anderem ein schärferes Waffengesetz an.

Unmittelbare Konsequenzen solcher Attentate

Mit Blick auf das bald beginnende Oktoberfest in München haben die Verantwortlichen angekündigt, das Sicherheitskonzept der Wiesn noch einmal anpassen zu wollen. Solche Konsequenzen nach einer Tat wie jener in Solingen oder damals in Würzburg sind für viele von großer Bedeutung - weil das persönliche Sicherheitsgefühl nach solchen öffentlichen Taten meist extrem leidet.

Schowalter erinnert sich an die Anschläge vom 11. September: "Ich habe damals Seminare gegen Flugangst gemacht und damals wurde das Fliegen völlig revolutioniert." So wurden etwa die Sicherheitskontrollen am Flughafen verschärft und Sicherheitstüren bei der Pilotenkabine eingeführt. Nach der Messerattacke in Würzburg 2021 wurde nicht nur die Trauma-Ambulanz eingerichtet. Es gab auch eine verstärkte Polizei-Präsenz auf den Straßen. So konnten Bürgerinnen und Bürger unmittelbare Konsequenzen wahrnehmen.

Tipps für den Umgang mit Ängsten und Traumata

Der Umgang mit einem Trauma sei von Fall zu Fall unterschiedlich, weiß Schowalter. Kurzfristig rät sie Betroffenen, das eigene Sicherheitsgefühl ernst zu nehmen. Wer beispielsweise Angst hat, nachts allein durch die Innenstadt zu laufen, solle sich ein Taxi nehmen oder in Begleitung laufen. "Es ist sicher auch sinnvoll, bei Symptomen, die nicht so stark ausgeprägt sind, mit jemandem darüber zu sprechen. Das hilft bei vielen Menschen", sagt die Psychotherapeutin. "Wenn ich merke, das Symptom geht nach Tagen nicht weg, kann ich mir natürlich auch professionelle Hilfe suchen."

Die Würzburger Trauma-Ambulanz bietet akut-traumatisierten Patienten zeitnah Termine für ein Erstgespräch und berät bezüglich weiterführender Therapien. Das Angebot richtet sich insbesondere an Menschen, die Gewalttaten erlebt haben. Die Besonderheit: Das Angebot kann unmittelbar nach einem Ereignis in Anspruch genommen werden – nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt, wenn beispielsweise schon eine posttraumatische Belastungsstörung erkennbar wird.

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