Es kommt nicht häufig vor, dass der Würzburger Stadtrat zu einer außerordentlichen, öffentlichen Sitzung einlädt. Ähnlich selten ist es, dass alle Zuschauerplätze im Ratssaal belegt sind. Umweltschützer hatten im Vorfeld zu Protest vor dem Würzburger Rathaus aufgerufen. Sie wollen ein geplantes Bergwerk des Baustoffherstellers Knauf verhindern. Es soll etwa 20 Kilometer entfernt im unterfränkischen Altertheim entstehen – und sorgt seit Monaten für Streit.
Bergwerk liegt in geplantem Trinkwasserschutzgebiet
Nicht nur die Umweltschützer, auch die Trinkwasserversorgung Würzburg sorgt sich ums Grundwasser. Denn ausgerechnet bei Altertheim soll das zweitgrößte Trinkwasserschutzgebiet Bayerns entstehen. Die Quellen, die hier fließen, versorgen die Hälfte der Würzburger Bevölkerung mit Trinkwasser. Der Versorger befürchtet: Wasser könnte in das unterirdische Bergwerk dringen, schlimmstenfalls mehr als 20 Prozent der Menge, die im nahegelegenen Quellstollen ankommt. Knauf widerspricht dieser Befürchtung.
Stadt kann Einwände gegen Bergwerk einreichen
Seit Januar können Privatpersonen, aber auch Behörden und betroffene Gemeinden Einwände vorbringen. Hier kommt die Stadt Würzburg ins Spiel. Noch bis 6. März hat sie Zeit dafür. "Wir sind nicht gegen Knauf. Wirtschaftliche Belange sind wichtig und richtig", sagt Würzburgs 2. Bürgermeister Martin Heilig (Grüne). Doch ein Entwurf eines solchen Einwands sorgte bereits im Vorfeld der Sitzung für hohe Wellen. Denn dort heißt es: Den Plänen von Knauf stehe "eine drohende Gemeingefahr" entgegen. Im Stadtrat gab es Gesprächsbedarf. Deshalb die außerordentliche Sitzung.
Dort wurde deutlich: Weite Teile des Würzburger Stadtrats haben nicht nur Fragen, sondern auch Bedenken – und das über alle Fraktionen hinweg. Es geht etwa um die Wasserdurchlässigkeit der Gesteinsschichten bei Altertheim. Darum, wie es dort nach 60 Jahren Abbau weitergehen soll. Oder um die Recyclingquote bei Knauf.
Knauf verspricht sicheren Abbau in Altertheim
Recycling allein genüge nicht, um den hohen Gipsbedarf der Firma zu decken, erklärte Marco Pabstmann, Technischer Direktor bei Knauf, nun im Stadtrat. Er sprach von einem "Massendefizit" in Deutschland. Vereinfacht gesprochen: Der Gipsbedarf sei deutlich größer als die Menge recyclingfähigen Materials. Weiter sagte Pabstmann: Nach Ende des Abbaus in Altertheim sei eine "Abschlussbegutachtung" geplant, "um sicherzugehen, dass das Bergwerk sicher bestehen bleibt".
Hinsichtlich der Wasserdurchlässigkeit des Gesteins hatte Knauf bereits zuvor auf Probebohrungen und eine abdichtende Tonsulfatschicht verwiesen. Die Schicht liegt unter dem Grundwasser und über dem Gipsvorkommen. Sie ist nach Angaben des Unternehmens auf einer Fläche von rund sieben Quadratkilometern mindestens neun Meter dick. Das soll verhindern, dass Wasser ins Bergwerk fließt. Allerdings sagte ein Gutachter nun: Von 19 Probebohrungen haben lediglich sieben die abdichtende Tonschicht untersucht. Das sei mit den Fachbehörden abgestimmt gewesen.
Würzburger Trinkwasserversorger widerspricht Knauf
Die Einschätzung des Würzburger Trinkwasserversorgers könnte sich hingegen kaum deutlicher von Knauf und deren Gutachten unterscheiden. Der Versorger bemängelt: Knauf habe in seiner Risikobewertung mit gemittelten Werten gerechnet. "In einem heißen Sommer bedeutet das, dass die Trinkwasserversorgung nicht mehr sicher ist", sagt Armin Lewetz, Geschäftsführer bei der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH.
Der Gutachter, der im Auftrag von Knauf gearbeitet hat, widerspricht dem Vorwurf des Wasserversorgers. Der Baustoffhersteller spricht von lediglich einem Prozent des vorhandenen Grundwassers, das in das Bergwerk eindringen könnte – unter sehr ungünstigen Bedingungen.
Die Sitzung des Würzburger Stadtrats wurde von Protesten begleitet. Umweltschützer und Anwohner sprachen sich gegen das Bergwerk aus,
Bergamt entscheidet, nicht die Stadt
Für den Würzburger Stadtrat war die Sitzung ein reiner Infotermin. Ein Beschluss wurde nicht gefasst. Er ist auch nicht nötig. Die Einwendung ist Sache der Verwaltung. Sie wird in den kommenden Tagen von Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) beim Bergamt Nordbayern eingereicht.
Wahrscheinlich ist, dass die Verwaltung den 90-seitigen Entwurf überarbeiten wird. Doch nach dem Termin im Stadtrat wäre es überraschend, sollte sich der Tenor ändern. Verschiedene Fraktionen stellten sich hinter die Einschätzung des kommunalen Trinkwasserversorgers.
Die Entscheidung, ob Knauf das Bergwerk graben darf, liegt nun beim Bergamt Nordbayern. Das muss die Einwände berücksichtigen und prüfen. Knauf will bereits 2027 in Altertheim graben. Doch die Fronten sind verhärtet. Nach dem Abend im Rathaus wirkt es unwahrscheinlich, dass auf die Behördenentscheidung nicht noch juristische Schritte folgen könnten.
Im Video: Gips contra Trinkwasser? Streit um bayerisches Mega-Bergwerk
Der Baustoffhersteller Knauf will im Landkreis Würzburg nach Gips graben. Das geplante Bergwerk wäre das größte für Gips in Bayern.
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