Was hat den verheerenden Brand einer Kindertagesstätte in Nürnberg im Mai 2022 ausgelöst? War es eine Zigarettenkippe, die der Angeklagte aus dem Fenster warf? Das glaubte die Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hingegen war von der Unschuld ihres Mandanten, eines polnischen Bauarbeiters, überzeugt. Beide Parteien legten deshalb Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg ein. Es hatte den Mann wegen fahrlässiger Brandstiftung schuldig gesprochen. Nun wurde eine Instanz höher erneut verhandelt. Das Landgericht Nürnberg-Fürth sprach den Bauarbeiter frei.
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Verteidigung: Auch Flexarbeiten konnten Feuer entfachen
Ein Freispruch war das erklärte Ziel der Anwältin des Angeklagten. Sie legte der Berufungskammer das Gutachten eines Brandsachverständigen vor, das die Unschuld ihres Mandanten untermauern sollte. Auf der Baustelle seien verschiedene Gewerke tätig gewesen, und am Tag des Feuerausbruchs hätten dort auch Flexarbeiten stattgefunden, so die Anwältin. Auch sie könnten für den Brand, der einen Sachschaden von zwölf Millionen Euro verursachte, verantwortlich sein. Die Kindertagesstätte war fast fertiggebaut, die Kinder hätten bald einziehen können.
Kein klarer Videobeweis
Eine Videokamera, die an einem Mast auf der Baustelle befestigt war, soll aufgezeichnet haben, wie der Angeklagte aus einem offenen Fenster des Pausenraumes im ersten Obergeschoss schaute. Einen Arm habe er aus dem Fenster gehalten. Eine brennende Zigarette sei aber auf dem Video nicht eindeutig zu erkennen, hieß es in der Verhandlung. Das Video zeige auch keinen "Wurf" eines Objekts. Schräg unterhalb dieses Pausenraums hätten sich der Haupteingang und daneben Abfälle verschiedener Gewerke befunden, die in Brand geraten seien, sagten verschiedene Zeugen aus. Zudem will der Angeklagte schon Anfang des Jahres 2022 mit dem Rauchen aufgehört haben. Das bestätigte einer der Zeugen.
Angeklagter beteuerte seine Unschuld
Am Tag des Feuerausbruchs habe er nicht geraucht, beteuerte der 23-jährige vor Gericht. Der polnische Staatsangehörige, der inzwischen in der Schweiz lebt, spricht Deutsch, ließ sich aber trotzdem von einer Dolmetscherin unterstützen, um Missverständnisse auszuschließen. Er habe der Berufung zugestimmt, da es ihm wichtig sei, seine Unschuld zu beweisen, ergänzte seine Anwältin. Nur wenn seine Unschuld festgestellt werde, könnten zivilrechtliche Ansprüche in einstelliger Millionenhöhe abgewendet werden. Aus diesem Grund wollte sie auch dem Vorschlag der Kammervorsitzenden, das Verfahren einzustellen, nicht folgen. Der Makel der Schuld ihres Mandanten würde bei einer Verfahrenseinstellung fortbestehen, argumentierte sie.
Urteil hätte härter ausfallen können
Legen Staatsanwaltschaft und Verteidigung Berufung ein, muss ein Angeklagter das Risiko in Kauf nehmen, dass er auch eine höhere Strafe bekommen könnte. Das war auch in diesem Prozess der Fall. Vom Amtsgericht Nürnberg war der 23-jährige im Januar dieses Jahres wegen fahrlässiger Brandstiftung zu einer Geldstrafe von 800 Euro verurteilt worden. Ihr Mandant vertraue auf die deutsche Rechtsprechung, sagte dazu seine Anwältin.
Das Risiko hat sich für den 23-Jährigen ausgezahlt: Am Ende eines langen Verhandlungstages stand ein Freispruch. Die Qualität des Videos, das seinen angeblichen Kippenwurf beweisen sollte, war einfach zu schlecht. Das Video zeigt zwar seinen Arm, eine fallende Kippe ist jedoch nicht zu erkennen. Zudem hätten auch die Flexarbeiten das Feuer auslösen können. Und dann ist da noch die Aussage des Angeklagten und eines Zeugen, dass er zum Zeitpunkt des Brandes Nichtraucher war.
Weitere Zeugenvernehmungen
Alle Zeugen, die in erster Instanz geladen waren, wurden in diesem neu aufgerollten Verfahren noch einmal befragt. Die Berufungskammer prüfte zudem den Beweisantrag der Verteidigung, der zusammen mit dem Gutachten eines Brandsachverständigen vorgelegt wurde. Die Staatsanwaltschaft hat nun noch die Möglichkeit, innerhalb einer Woche Revision gegen den Freispruch einzulegen.
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