Die Pogromnacht als "Anfang der systematischen Auslöschung" des Judentums in Deutschland, und auch als "Zeichen des Versagens einer ganzen Gesellschaft". Mit deutlichen Worten hat Alexander Mazo, Präsident der Israelitischen Gemeinde in Augsburg, bei einer Gedenkstunde am Sonntagabend an die Opfer der Reichspogromnacht von 1938 erinnert. Doch aktuell gehe es nicht nur darum, "an das Leid von gestern zu erinnern, sondern Verantwortung für heute zu übernehmen", betonte Mazo am Abend in der Synagoge.
Synagogen unter besonderem Schutz
Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nahm an der Gedenkstunde teil. Herrmann betonte: Wer Israel das Existenzrecht abspreche, könne in Bayern nicht mit Nachsicht rechnen. "Wir sind eine wehrhafte Demokratie und sind wachsam", so der Minister. Der Freistaat habe den Schutz der Synagogen noch einmal zusätzlich erhöht. Die Geschehnisse 1938 seien "ein unerträglicher Schlag in das Gesicht von Humanität, Zivilisation und Anstand gewesen", so Herrmann.
Auch die Augsburger Synagoge wurde während der Reichspogromnacht in Brand gesteckt. Da sie allerdings neben einer Tankstelle lag, wurde das Feuer schnell gelöscht. Momentan wird das Gotteshaus umfangreich saniert.
Klare Botschaft des Innenministers gegen Antisemitismus
Herrmann betonte, er stehe in Augsburg heute inmitten einer dynamischen und kraftvollen jüdischen Gemeinde. Trotz Barbarei und Unmenschlichkeit hätten Augsburger Juden nach dem Krieg an ihrer Heimat festgehalten: "Sie haben das Fundament dafür gelegt, dass die jüdische Kultur bei uns wieder fest verwurzelt und ein unverzichtbarer Teil unseres Landes ist".
Dieses Glück der Gegenwart sieht Herrmann aktuell jedoch bedroht. Es mache ihn "wütend und betroffen", dass jüdische Mitbürger heute neuen Anfeindungen ausgesetzt seien, der Nahost-Konflikt berge ein erhebliches Potenzial an emotionaler Radikalisierung. "In unserem Land haben Hass und Gewalt nichts zu suchen und Antisemitismus, Islamismus und Rechtsradikalismus keinen Millimeter Platz. Wer unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger bedroht oder Israel das Existenzrecht abspricht, der stellt sich gegen Demokratie und Freiheit. Er bedroht uns alle!"
Antisemitismus wieder "salonfähiger" geworden
Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) verwies auf die aktuellen Geschehnisse in Amsterdam, wo israelische Fußballfans angegriffen worden waren. Sie sagte: "Das System dürfe nicht mehr versagen" wie vor 86 Jahren. Dem oft zitierten "Nie wieder ist jetzt" müssten auch Taten folgen.
Auf eine tatsächliche Zunahme antisemitischer Straftaten verweist auch Michael Weinzierl. Er ist der Beauftragte gegen Hasskriminalität und Antisemitismus der Polizei Bayern. Nach dem 7. Oktober im vergangenen Jahr sei die Zahl der angezeigten Taten deutlich nach oben gegangen. Was ihm jedoch fast noch größere Sorge bereite, sei die Tatsache, dass antisemitisches Handeln im vorstrafbaren Bereich wieder "viel gesellschaftsfähiger, viel salonfähiger" geworden sei. Diese Entwicklung beobachte er mit großer Sorge, so Weinzierl im BR Gespräch.
Große Besuchszahl "macht Hoffnung"
Dass die Synagoge bei der Gedenkstunde fast voll besetzt war, wertete Alexander Mazo, Präsident der Israelitischen Gemeinde in Augsburg, als Zeichen der Solidarität: "Dass so viele gekommen sind und sich engagieren, macht Hoffnung."
Musikalisch umrahmt wurde die Gedenkstunde von Musikern der Augsburger Philharmoniker, Carmen Reichert, Leiterin des Jüdischen Museums, las zusammen mit Kindern der Gemeinde aus einem Brief der Holocaust-Überlebenden Frieda Goldschmidt. Laut Museumsleiterin hatte es während der Reichspogromnacht nicht nur in den Städten, sondern auch in den vielen kleinen Gemeinden in Schwaben Gewaltakte gegen Juden gegeben. Deutschlandweit wurden in dieser Nacht Geschäfte und Synagogen in Brand gesteckt, Juden attackiert, verletzt und getötet.
Zum Video: "BR24 Retro - Augsburger Synagoge"
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