Seit Jahren schon sorgt die Vogelgrippe für heftige Erkrankungswellen unter Vögeln. Rinder ließ sie bisher immer verschont. Ändert sich das nun? Derzeit gebe es für Milchbetriebe in Deutschland kein erhöhtes Risiko durch die Geflügelpest. Das ist die Einschätzung von Professor Timm Harder vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) – zuständig für die Überwachung von Tierseuchen. Er leitet das Nationale Referenzlabor für Aviäre Influenza (AI).
Der Veterinärmediziner und Experte für Zoonosen, Dr. Robert Fux vom Institut für Infektionsmedizin und Zoonosen der Münchner LMU, sagte BR24, dass zwar in Rohmilch deutliche Mengen des Erregers nachgewiesen wurden. Diese werde aber nicht aus den USA importiert, sondern nur verarbeitete Milchprodukte. Deshalb sei da "nichts zu erwarten".
Studie: Milchkühe können sich mit heimischem Erreger infizieren
Versuche am FLI, dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, haben allerdings ergeben, dass auch die hierzulande kursierende H5N1-Variante Rinder infizieren kann. Das Virus vermehrt sich demnach besonders gut im Euter. Kühe hätten Krankheitssymptome wie Milchbildungsrückgang, Veränderung der Milchkonsistenz und Fieber gezeigt, heißt es beim FLI. Die Risikoeinschätzung – sehr gering – ändere sich dadurch aber nicht.
Hinzu komme, so der Veterinärmediziner Fux, dass die Versuche des FLI "relativ artifiziell" seien, man habe die Erreger direkt in die Euter der Kühe gegeben. Das passiere im Stall eigentlich nicht, so Fux, und stelle daher keine reale Gefahr dar.
Einschleppung der US-Variante H5N1 unwahrscheinlich
Bisher sind H5N1-Infektionen nur bei Rindern in den USA bekannt. Die wahrscheinlichsten Einschleppungswege für das amerikanische H5N1-Virus nach Deutschland seien der Handel mit Rindern und kontaminierten Rinderprodukten aus betroffenen Betrieben in den USA.
Rohmilch und Rohmilcherzeugnisse stellen vermutlich die größere Infektionsgefahr dar, da das H5N1-Virus in hohen Konzentrationen in der Milch ausgeschieden wird. Da aber weder Kühe noch Rohmilch nach Europa importiert würden, gehe nach derzeitigem Stand keine Gefahr aus, heißt es auch beim FLI.
Pasteurisierte Milch ist sicher
Laut Timm Harder vom FLI besteht für Milchviehbestände derzeit kein erhöhtes Risiko für eine H5N1-Infektion. Dennoch seien Bestände stets gut beraten, "eine gründliche klinische Überwachung zu praktizieren und sich eng an die Hygiene- und Biosicherheitsmaßnahmen zu halten."
Nach jetzigem Stand der Forschung ist bearbeitete, also pasteurisierte Milch, sicher, heißt es beim FLI. Dieser Aussage vertraut auch der Bayerische Bauernverband, wie es in einer Stellungnahme gegenüber dem BR heißt. Demnach informiere der BBV seine Mitglieder über Newsletter sowie bei Veranstaltungen über die neuesten Einschätzungen und Empfehlungen der Wissenschaft. Vor diesem Hintergrund befürworte man auch "die aktuellen bundesweiten Beprobungen von Tankmilch und Rinderserum, deren erste Ergebnisse verdeutlichen, dass die Bestände und die Milch virusfrei sind".
Empfehlung: Geflügel schützen
Oberste Priorität hat laut FLI der Schutz des Geflügels vor einer Infektion – und damit auch Schutz vor der Gefahr, den Erreger weiterzuverbreiten. Gesetzlich sind Geflügelhalter verpflichtet, Todesfälle in der Geflügelhaltung an die Veterinärbehörde zu melden, damit der Erreger, der für Hühner und Puten potenziell tödlich ist, frühzeitig erkannt und die Verbreitung gestoppt werden kann.
Rinderbetrieben wird geraten, Kontakt zu potenziell kontaminierten Rinderprodukten zu vermeiden. Gesetzlich verboten ist es ohnehin, Rinder mit Speiseabfällen, Küchenabfällen oder Milchprodukten zu füttern. Milchviehhalter sollten sicherstellen, dass Besucher ihrer Betriebe in letzter Zeit keinen Kontakt zu Milchvieh oder Rinderbetrieben in den betroffenen Regionen der USA hatten. Dasselbe gelte für Personen, die in landwirtschaftlichen Betrieben arbeiten oder mit Tieren zu tun haben und aus den betroffenen Gebieten zurückkehren. Das FLI empfiehlt eine Quarantänezeit von drei Tagen.
Verbreitung von Vogelgrippe unterbinden
Grundsätzlich empfiehlt Robert Fux, ähnlich wie das FLI, die Verbreitung des Virus möglichst schnell zu unterbinden, damit es sich nicht weiter anpassen könne. Je weniger man dem Virus die Chance gebe, sich anzupassen, "desto besser ist das". Auch die Haltungsform spiele dabei eine wichtige Rolle, so Fux. Je "enger die Tiere gepackt sind", desto leichter tue sich das Virus.
Evolution kann bedeuten, dass sich der Erreger an neue Wirte anpasst. Im schlimmsten Fall kann dann H5N1 leichter von Tier zu Tier oder auch von Mensch zu Mensch übertragen werden.
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