Aus fünf Tonnen Eichelsaatgut können ungefähr 400.000 kleine Eichen entstehen, also um die 60 Hektar neuer Wald.
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Aus fünf Tonnen Eichelsaatgut können ungefähr 400.000 kleine Eichen entstehen, also um die 60 Hektar neuer Wald.

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Wie ein alter Spessart-Brauch Bayerns "Eichel-Hunger" stillt

Wie ein alter Spessart-Brauch Bayerns "Eichel-Hunger" stillt

Weil Eichen dem Klimawandel viel besser gewachsen sind als andere Baumarten, werden sie zum Aufforsten in Bayerns Wäldern dringend gebraucht. Da kommt ein alter Spessart-Brauch sehr gelegen: Säckeweise sammelt die Bevölkerung dort gerade Eicheln.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Mainfranken am .

Nachmittags an der Sammelstelle am Wanderparkplatz in Bischbrunn im Landkreis Main-Spessart: Mitarbeitende der Forstbetriebe stehen bereit mit Transportfahrzeugen und bauen die Waage für die Säcke mit Eicheln auf, die Sammlerinnen und Sammler hier später abgeben können. Schon vor dem offiziellen Start kommen erste Autos. Später wird die Autoschlange rund 150 Meter bis zur angrenzenden Staatsstraße reichen.

Es sind Familien, Ehepaare und Rentner, die gesammelte Eicheln in Säcken abliefern und wiegen lassen. Pro Kilogramm bekommen sie drei Euro Aufwandsentschädigung. Und wohl für die meisten noch wichtiger: Mit ihrem Einsatz leisten sie einen wichtigen Beitrag bei der Wiederaufforstung von Kahlflächen in Bayern. Denn Eichen sind den durch den Klimawandel veränderten Bedingungen deutlich besser gewachsen als andere Baumarten.

Brauch im Spessart: Bevölkerung sammelt Eicheln

Der Brauch im Hochspessart, dass die Bevölkerung hier Eicheln sammelt, wird so immer wichtiger für die Zukunft der Wälder. In diesem Herbst hat der Forstbetrieb Rothenbuch die Bevölkerung für zwei Wochen zum Eichensammeln aufgerufen. Und die ist fleißig dabei. Egal, wen man an der Sammelstelle fragt, es geht wohl niemandem hier zuerst ums Geld. So erklärt die junge Mutter Angie Weidner aus Bischbrunn, wie wichtig ihr der Nachhaltigkeitsgedanke sei und die Natur: "Auch wenn es kein Geld für geben würde, ich würde trotzdem mindestens eine Woche sammeln gehen."

Andere sind einfach gerne im Wald und sammeln die Eicheln quasi nebenbei. Oder sie haben schon als Kinder bei der Tradition mitgemacht, wie das Ehepaar Spachmann aus Altenbuch. Die beiden haben an zwei Tagen rund 200 Kilogramm Eicheln gesammelt. Sammelrekord an diesem Tag. "Das Sammeln macht halt einfach Spaß", erklärt Andrea Spachmann.

Forstbetriebsleiter: "Bayern hat Hunger nach Eicheln"

Dank der engagierten Bevölkerung kommen viele Eicheln zusammen – auch wenn die Forstleute nicht mit einer sogenannten Vollmast gerechnet haben. Bei dem Spätfrost in diesem Frühjahr waren einige Eichenblüten erfroren. Das letzte Vollmastjahr gab es vor zwei Jahren: Damals konnten in vier Wochen 53 Tonnen für die Wiederaufforstung der bayerischen Wälder gesammelt werden.

In diesem Jahr geht die Sammelaktion nur zwei Wochen. Doch das bisherige Ergebnis übertrifft die Erwartungen bei Weitem. Denn zumindest die Bäume, die Früchte trugen, hingen voll. Florian Vogel, der Forstbetriebsleiter von Rothenbuch im Hochspessart, freut sich: "Nach einer Woche haben wir bereits 25 Tonnen zusammen und bis kommenden Montag wird noch weiter gesammelt." Vogel rechnet hoch, dass aus fünf Tonnen Eichelsaatgut ungefähr 400.000 kleine Eichen entstehen können. Daraus könne wiederum 60 Hektar neuer Wald begründet werden. Und das sei dringend notwendig.

Eichen robuster als Fichten und Buchen

Trockenheit und der Borkenkäfer haben viele Fichten in bayerischen Wäldern absterben lassen und auch die Buche kommt mit Trockenheit nicht gut klar. "Wegen der Kahlflächen hat Bayern Hunger nach Eicheln. Was wir hier sammeln, ist die Zukunft des bayerischen Waldes", erklärt Forstbetriebsleiter Vogel. Die Eiche komme mit den klimatischen Veränderungen wie zunehmender Trockenheit sehr viel besser klar als Fichten oder Buchen. Das liege vor allem auch daran, dass Eichen besonders tief wurzeln und damit an tiefere Wasserreserven kommen.

Spessart-Eiche: Mittlerweile UNESCO-Weltkulturerbe

Die Tradition des Eicheln-Sammelns in sogenannten "Mastjahren" im Spessart ist in Bayern einzigartig und seit mehr als 200 Jahren verbrieft. Die Eichenwirtschaft im Spessart, zu der das Sammeln der Eicheln und die Aufzucht neuer Bäume gehören, ist mittlerweile sogar in das Verzeichnis des immateriellen UNESCO-Kulturerbes aufgenommen worden.

Eichelmast bedeutet, dass die Eiche besonders viele Eicheln produziert, um sich fortzupflanzen. Gründe dafür sind Klimawandel und Trockenstress. Deswegen kommt es in den vergangenen Jahren auch immer häufiger zu Mastjahren – der Klimawandel ist in dieser Hinsicht also Fluch und Segen zugleich.

Säckeweise sammeln viele Menschen im Spessart im Herbst Eicheln.
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Säckeweise sammeln viele Menschen im Spessart im Herbst Eicheln.

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