Guinea-Paviane
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Nachdem der Tiergarten Nürnberg angekündigt hat, Paviane töten zu müssen, wird nun öffentlich über die Notwendigkeit diskutiert.

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Zu viele Paviane im Tiergarten Nürnberg: Zucht als "Dilemma"

Können einige Paviane im Tiergarten Nürnberg getötet werden, um Ruhe ins Gehege zu bringen? Die Verantwortlichen sehen keine Alternativen, Tierschützer drohen mit einer Strafanzeige. Und ein Ethiker sieht den Tiergarten in einem moralischen Dilemma.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Franken am .

Nachdem der Tiergarten Nürnberg am Donnerstag angekündigt hat, Paviane töten zu müssen, wird nun öffentlich über die Notwendigkeit diskutiert. Der Tiergarten hat diese Maßnahme angekündigt, weil das Affenhaus aus allen Nähten platzt. Die Anlage ist für 25 Paviane ausgelegt, momentan leben dort 45 Tiere. Die Primaten leiden unter Stress, es kommt zu zum Teil blutigen Konflikten.

Tiergarten Nürnberg im Dilemma

Mit seiner Ankündigung begebe sich der Tiergarten in ein Dilemma, sagt Max Tretter, Ethik-Forscher an der Uni Erlangen-Nürnberg. Der Tiergarten trage die Verantwortung für jedes einzelne Tier, aber auch für die Arterhaltung. "Das Problem ist, dass beide Formen von Verantwortung in Konflikt miteinander geraten können." Und dann befinde man sich eben in einem Dilemma. "Man macht sich immer zu einem gewissen Grad schuldig", so der Tier-Ethiker. Tretter hält es für sinnvoll, sich auf die gesellschaftliche Diskussion einzulassen, um abzuwägen, welche Option eine sei, die man am ehesten verantworten könne.

Verfütterungen sind üblich

Dass Zootiere geschlachtet und unter Umständen an andere verfüttert werden, ist im Tiergarten üblich. 2019 stammte etwa ein Fünftel des verfütterten Fleisches von anderen Tieren aus dem Tiergarten, etwa Hühner, Hirsche, Schafe oder Bisons.

Dass der Aufschrei bei der Tötung von Pavianen größer sei, als etwa bei Hirschen oder Kaninchen, kann Ethik-Wissenschaftler Tretter nachvollziehen. Paviane seien menschenähnlicher. Sie hätten mehr kognitive Fähigkeiten und zeigten ein komplexes Sozialverhalten. Da sei die moralische Schwelle höher, diese Tiere zu töten.

Tiergarten hofft auf Verständnis

Unterdessen hoffen die Verantwortlichen im Nürnberger Tiergarten auf Verständnis. Direktor Dag Encke sagte dem Bayerischen Rundfunk, es handle sich um keine leichte Entscheidung. Das Töten einzelner Tiere sei aber notwendig, um die überalterte und mittlerweile zu große Population in Nürnberg zu erhalten. Es sei der gesetzliche Auftrag des Tiergartens, bedrohte Arten zu erhalten. Dazu gehören auch die Guinea-Paviane, die schon seit mehr als 70 Jahren in Nürnberg zuhause sind, so Encke. Nun gehe es darum, einen gesellschaftlichen Konsens zu finden.

Gerichte müssen über Legalität entscheiden

Ob das Töten der Tiere legal ist, müsse ein Gericht entscheiden. Der Tiergarten befinde sich hier in einer rechtlichen Grauzone. Es stehe noch ein langer Prozess bevor, ehe tatsächlich Paviane getötet werden können.

Der Deutsche Tierschutzbund hatte dem Tiergarten vorgeworfen, die Tötung von Tieren als Maßnahme im Populations-Management voranzutreiben. Dag Encke dazu: "Aktuell bleibt uns keine andere Wahl in unseren Zuchtprogrammen, wenn wir Tiere erhalten wollen, die gerade nicht ausgewildert werden können." Das Töten von Tieren zur Arterhaltung werde künftig gängige Praxis, daran müsse man sich gewöhnen, auch wenn die Maßnahme moralisch schwierig sei. Alternativ müsse man die Zucht aufgeben, was aber den Grundprinzipien des Tiergartens widerspreche.

"Das fällt keinem von uns leicht. Wir wollen die Tiere nicht töten, aber es ist unsere letzte Option." Dag Encke, Tiergartendirektor

Tiergarten sieht keine Alternativen

Auswilderungsprogramme gebe es derzeit keine, sagt Jörg Beckmann, zoologischer Leiter des Tiergartens. Im Senegal gibt es zwar Schutzgebiete, in denen er sich auch schon umgesehen hat, allerdings seien dort sämtliche Schutzgebiete für Guinea-Paviane voll ausgelastet. Andere Projekte in einem passenden Lebensraum gebe es aktuell nicht.

In der Vergangenheit habe der Tiergarten einzelne Tiere an andere Zoos abgegeben, um die Population weiter zu kontrollieren, sagte Direktor Encke. Mittlerweile gebe es aber keine Kapazitäten mehr, auch nicht in Tier-Auffangstationen.

Verhütungsmaßnahmen führten bei vielen Weibchen zu Unfruchtbarkeit, was zum einen zu einem Einbruch beim Nachwuchs geführt hat. Zum anderen verloren die betroffenen Weibchen dadurch ihren Rang in der Gruppe. Nürnberg ist einer von zehn Orten in Europa, wo Guinea-Paviane gezüchtet werden.

Tierschützer drohen mit Strafanzeige

Die Tierschutzorganisation Peta hat dem Tiergarten Nürnberg mit einer Strafanzeige gedroht, sollten die Verantwortlichen ihre Ankündigung wahr machen und gesunde Affen töten. Das Zoopublikum werde mit vermeintlichen Artenschutzargumenten getäuscht, heißt es in einer Mitteilung von Peta, die am Freitag veröffentlicht wurde. "Das Züchten und Töten von Tieren ist ein von Zoos selbst geschaffener Teufelskreis. Dieser kann nur durchbrochen werden, wenn Pläne zu Zuchtstopps und der Schließung von Zoos erarbeitet werden, anstatt über die etwaige Tötung der Tiere zu diskutieren – egal, welche Art es betrifft", sagte die Biologin Yvonne Würz.

      Mit Material von dpa

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