(Symbolbild) Am frühen Morgen wurden 28 straffällige Afghanen per Flugzeug abgeschoben
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Am frühen Morgen wurden 28 straffällige Afghanen per Flugzeug abgeschoben (Symbolbild)

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Abschiebungen nach Afghanistan: Plötzlich geht es schnell

Abschiebungen nach Afghanistan: Plötzlich geht es schnell

Deutschland hat zum ersten Mal seit drei Jahren Straftäter direkt nach Afghanistan abgeschoben. Wie ist es dazu gekommen und welche Rolle spielt der Anschlag in Solingen?

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Plötzlich geht alles ganz schnell. Um 6.55 Uhr hebt die Boeing 787 vom Flughafen Leipzig ab. Ihr Ziel: Kabul. An Bord: 28 Afghanen. Es ist der erste Abschiebeflug aus Deutschland in die afghanische Hauptstadt seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren.

Immer wieder hatte die Bundesregierung betont, Abschiebungen nach Afghanistan seien aus praktischen Gründen derzeit nicht möglich. Etwa, weil es keine Direktflüge dorthin gebe und keine deutsche Botschaft vor Ort. Außerdem wolle man nicht mit den Taliban verhandeln.

Katar als Vermittler

So war es offenbar auch bei diesem Abschiebeflug. Wie aus der Ampel-Koalition zu hören ist, spielte Katar bei der Organisation eine zentrale Rolle. Dafür spricht auch, dass der Charterflug von Qatar Airways durchgeführt wird. In Deutschland hat das Bundesinnenministerium die Koordination übernommen.

Erst im Frühjahr hatte der Bundestag die Gesetze für Abschiebungen verschärft. Dabei wurden Durchsuchungen in Gemeinschaftsunterkünften ermöglicht. Der Abschiebegewahrsam wurde von zehn auf maximal 28 Tage verlängert.

SPD: Abschiebung war lange geplant

Wie SPD-Innenpolitiker Sebastian Hartmann in Berlin betont, hat die Bundesregierung wochenlang an dem Abschiebeflug gearbeitet – nicht erst seit dem Anschlag in Solingen. "Das war keine Spontanaktion", so Hartmann.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagt nur, dass nach der Messerattacke in Mannheim Ende Mai "intensive Bemühungen" begonnen haben. "Das Sicherheitsinteresse Deutschlands überwiegt klar das Schutzinteresse von Straftätern und Gefährdern", so Hebestreit. Nach seinen Worten handelt es sich bei den 28 Passagieren des Abschiebeflugs ausnahmslos um verurteilte Straftäter, ohne Bleiberecht, die ausreisen mussten.

Drei Straftäter aus Bayern an Bord

Drei der Männer wurden aus Bayern abgeschoben. Laut dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) waren zwei von ihnen wegen Sexualstraftaten und einer wegen Drogendelikten zu Freiheitsstrafen verurteilt worden. Herrmann verlangt weitere Rückführungen. Allein in Bayern müssten nach Angaben des bayerischen Innenministeriums 174 Afghanen und 203 Syrer außer Landes gebracht werden, weil sie schwere Straftaten verübt haben.

Menschen aus Afghanistan und Syrien erhalten in Deutschland in der Regel kein Asyl, sondern subsidiären Schutz. Das bedeutet, sie gelten nicht als politisch Verfolgte. In ihrer Heimat droht ihnen aber willkürliche Gewalt, Folter oder die Todesstrafe. Das steht einer Abschiebung im Weg. Ausnahmen gelten laut Asylgesetz aber für Kriminelle und Personen, die eine Gefahr für die Sicherheit in Deutschland sind. Rechtlich wären Abschiebungen nach Afghanistan demnach möglich.

Handgeld für Abgeschobene?

Allerdings sind noch viele Fragen offen. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums waren keine Bundespolizisten an Bord der Maschine nach Kabul – wie es sonst üblich ist. Wer die Abschiebung begleitet hat, ist bisher nicht bekannt.

Zudem sollen die Männer jeweils 1.000 Euro "Handgeld" erhalten haben. Üblicherweise ist dieses Geld für die Weiterreise der Abgeschobenen in ihre Heimatorte gedacht. Die Bundesregierung wollte sich nicht dazu äußern. Sie verweist auf die zuständigen Länder.

Wichtiges Symbol für Bundesregierung

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte am Vormittag: "Unsere Sicherheit zählt, unser Rechtsstaat handelt." Die Bundesregierung will mit der Sammelabschiebung ein Zeichen setzen. Auch wenn der Flug deutlich vor dem Anschlag in Solingen geplant wurde, dürfte dieses Symbol für die Ampel natürlich zur rechten Zeit kommen.

Wenige Tage vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen zeigt sie, dass sie handelt. Und sie reagiert, ähnlich wie mit dem gestern angekündigten Sicherheitspaket, auf die Forderungen aus der Opposition.

Das Ganze hat seinen Preis. Finanziell und politisch. In der Vergangenheit haben solche Charterflüge nach Afghanistan etwa 300.000 Euro gekostet. Die politischen Folgekosten sind noch unklar. Ob die Vermittler in Katar und die Taliban in Afghanistan eine Gegenleistung für den Abschiebeflug erhalten haben, war bisher nicht zu erfahren.

Weitere Flüge geplant?

Ob es sich bei dem Flug nach Kabul um eine einmalige Aktion oder den Start weiterer Abschiebungen handelt, hängt nun stark von den Bundesländern ab. Sie sind in der Regel für Abschiebungen verantwortlich.

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