Ein Bürohaus in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Viel Glas, die Böden blitzblank. Im Foyer weist ein Schild neben dem Aufzug den Weg. In den unteren Stockwerken befindet sich eine Bank, ein Entertainment-Unternehmen und eine Technologiefirma. Doch für den siebten Stock ist dies vermerkt: Panzerbrigade 45. Dort oben hat der Aufstellungsstab der Bundeswehr Räume bezogen. Das Team soll von hier aus den Aufbau einer kompletten Brigade mitorganisieren.
Pistorius: Bundeswehr "das Gesicht Deutschlands" in Litauen
Ein paar Meter weiter steht Boris Pistorius an diesem Januarabend. Der Verteidigungsminister trifft die 150 Soldatinnen und Soldaten des Aufstellungsstabs. "Guten Abend, Herr Minister", rufen sie im Chor. Pistorius schaut freundlich. "Sie sind das Gesicht Deutschlands hier", sagt er. Und die litauische Seite bestätige ihm, dass dies ein "verdammt attraktives Gesicht" sei.
Natürlich ist sich der SPD-Politiker bewusst, dass es in Vilnius nicht um einen Schönheitswettbewerb geht. Sondern um umfangreiche Logistik für den geplanten Großverband, der bis Ende 2027 rund 5.000 Männer und Frauen umfassen soll. Dafür braucht es beispielsweise Kasernen, Wohnungen und IT-Infrastruktur. Man sei im Zeitplan, ist hier immer wieder zu hören. Ende dieses Jahres sollen 500 Bundeswehrangehörige für den Organisationsstab tätig sein. Pistorius nutzt seinen Besuch in Vilnius auch, um sich eine neue Kaserne vor den Toren der Stadt anzuschauen.
Kosten für Litauen-Brigade gehen in die Milliarden
Der Komplex ähnelt einer modernen Sportanlage, mit Turnhalle und Fitnessplatz im Freien. Nur die Fahnen vor dem Hauptgebäude und die Scheinwerfer auf den Dächern erinnern an die eigentliche Funktion der Gebäude. Litauen stellt die Kaserne übergangsweise zur Verfügung. Vereinbart ist, dass Vilnius die Infrastruktur für die deutsche Brigade liefert und Berlin Personal und Material beisteuert. Allein die Aufstellung des Kampfverbands wird schätzungsweise sechs Milliarden Euro kosten. Der laufende Betrieb dürfte mit einer Milliarde im Jahr zu Buche schlagen.
Ein Teil der Brigade soll aus der Oberpfalz kommen: Das Panzergrenadierbataillon aus Oberviechtach mit seinen modernen Schützenpanzern. Kampfpanzer werden unter anderem von einem Truppenstandort in Nordrhein-Westfalen gestellt.
CSU warnt vor Schwächung anderer Bundeswehrverbände
Die Unionsfraktion im Bundestag warnt davor, bestehende Bundeswehrverbände für das Großprojekt in Litauen zu plündern. Die geplante Brigade werde zu Lasten anderer Einheiten ausgestattet, kritisiert Florian Hahn, verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion, im Gespräch mit BR24. "Das ist nicht im Sinne des Erfinders." Denn der neue Großverband solle ja für mehr Verteidigungsfähigkeit stehen - und nicht für weniger, so der CSU-Abgeordnete aus Oberbayern.
Tatsächlich will die Bundesregierung mit der Litauen-Brigade ein Zeichen der Stärke setzen – an die Adresse des russischen Regimes. Das gleiche Ziel verfolgt ein Einsatz Hunderte Kilometer weiter südlich, am Flughafen Rzeszów im Südosten Polens. Es ist die nächste Etappe der Pistorius-Reise.
Pistorius besucht Drehkreuz für Ukrainehilfen
Früher ein unscheinbarer Airport am Rande von EU und Nato-Gebiet, hat sich Rzeszów zu einem Drehkreuz in Sachen Militärhilfen für die Ukraine entwickelt. Die Grenze zum angegriffenen Land ist nicht weit entfernt. Um dieses Logistikzentrum zu schützen, haben die westlichen Verbündeten dort Luftverteidigungssysteme vom Typ Patriot aufgestellt. Wuchtig ragen die Startgeräte mit den Lenkflugkörpern in den Himmel – in Sichtweite zum Tower.
Auch hier wird sich Deutschland einbringen: Zwei Patriot-Einheiten sind bereits in Polen – mit rund 200 Soldatinnen und Soldaten, die für die Bedienung der komplexen Systeme benötigt werden. Und im Sommer will die Luftwaffe eine Alarmrotte mit Eurofighter-Kampfjets nach Rzeszów schicken, zur Luftraumüberwachung.
Die polnische Regierung sieht das mit Wohlwollen. Der Verteidigungsminister des Landes ist extra aus Warschau angereist, um Pistorius und den Deutschen seinen Dank auszusprechen. Und so zeigt diese Reise auch, wie sehr das Engagement der Bundeswehr an der Nato-Ostgrenze geschätzt wird.
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