Ein Flugzeug steht auf dem Rollfeld des Flughafens. Das Gelände ist mit Stacheldraht gesichert.
Bildrechte: picture alliance /Rene Traut Fotografie / Rene Traut

Der Abschiebestopp in den Iran galt nur bis Ende 2023

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Todesstrafe in Heimat? Iranerin aus Bamberg droht Abschiebung

Abschiebedrama auf dem Münchner Flughafen: Eine Iranerin aus Bamberg soll in ihre Heimat abgeschoben werden, obwohl ihr in der Islamischen Republik die Todesstrafe drohen könnte. Wie steht Bayern zu Abschiebungen in den Iran?

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Es ist Ende Juni, als die 40-jährige Raha Ganjeh zusammen mit ihrem Bruder Arash in ihr Heimatland Iran abgeschoben werden soll. Das Drama, das sich auf dem Flughafen in München abspielte, wurde erst jetzt bekannt: Die Geschwister werden von der Polizei an den Münchner Flughafen gebracht. Ganjeh erzählt: Ihr Bruder habe sich geweigert, zurück nach Teheran zu fliegen. Ihr habe ein Polizeibeamter die Adresse eines Vereins angeboten, der ihr im Iran helfen würde: "Ich sagte, dass sie es nicht verstanden hätten: Wenn ich in den Iran komme, gehe ich direkt ins Gefängnis und werde keine finanzielle Hilfe brauchen."

Über das Rollfeld direkt zum Flugzeug

Ganjeh berichtet: Sie sei ohne ihren Bruder mit einem schwarzen Auto über das Rollfeld bis zum Flugzeug gefahren worden. Vor der zivilen Maschine sei es zu Diskussionen mit den Beamten gekommen.

Ein Polizist habe gesagt, dass ihr Bruder gerade Theater mache. Ganjeh sagt, sie habe erwidert: "Ich warte, bis sein Theater vorbei ist. Ich bin mit ihm hierhergekommen und werde ohne ihn nicht gehen."

Für ihren Glauben mehrere Monate im Gefängnis

Ganjeh ist im November 2018 nach Deutschland gekommen. Hier engagiert sie sich in einer Freikirche in Bamberg. Sie sagt, sie sei schon vor 15 Jahren im Iran zum Christentum konvertiert. Im Iran habe sie sogenannte Hauskirchen besucht, Gottesdienste geleitet und missioniert.

Für ihren Glauben habe sie in der Islamischen Republik mehrere Monate im Gefängnis gesessen. Im Herbst 2018 sei ihr schließlich die Flucht aus dem Iran gelungen. Sie beantragte Asyl in Deutschland, wurde zweimal abgelehnt und ist nun ausreisepflichtig. Doch was würde eine Rückkehr in den Iran für sie bedeuten?

Pro Asyl: "Vielleicht könnte es auf eine Hinrichtung hinauslaufen"

Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher des Vereins "Pro Asyl", sagt zu dem Fall: "Ihr könnte direkt eine Verhaftung drohen, im Falle einer Rückkehr in den Iran. Und dann weitere Repressionen. Da sprechen wir über ein verbrecherisches Regime, das sofort solche Menschen verhaften wird, foltern wird und vielleicht könnte es auf eine Hinrichtung hinauslaufen."

Doch die deutschen Behörden glauben Ganjeh nicht, dass sie im Iran zum Christentum konvertiert ist. Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sagt: Ganjeh habe eine drohende Verfolgung nicht glaubhaft gemacht.

Das iranische Regime unterdrückt seine Bürgerinnen und Bürger allerdings auch, wenn sie keine konvertierten Christen sind. Es geht mit Brutalität gegen Andersdenkende und Minderheiten vor. Vor allem Frauen, die sich den Moralvorstellungen des Regimes widersetzten, geraten immer wieder ins Visier der Sittenpolizei und des Staates. Das wurde während der "Frau, Leben, Freiheit"-Proteste nochmal sichtbar.

Bayerischer Innenminister: Kein genereller Abschiebestopp

Bis Ende vergangenen Jahres galt ein Abschiebestopp in den Iran, der von der Innenministerkonferenz nicht verlängert wurde. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), hätte eine Verlängerung des Stopps befürwortet, teilt das Bundesinnenministerium (BMI) auf BR-Anfrage mit. Die Menschenrechtslage im Iran habe sich in der Zwischenzeit nicht verbessert. Auf der Konferenz habe es jedoch keine Initiative der zuständigen Länder für eine Fortführung gegeben, so das BMI weiter.

Warum haben sich die Innenminister der Länder nicht für eine Verlängerung des Abschiebestopps eingesetzt? Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagt dazu: "Wir sehen für einen generellen Abschiebestopp keinen Anlass. Man muss das individuelle Schicksal der einzelnen Menschen hier beurteilen. Wir waren mit dieser Haltung auch auf der Innenministerkonferenz keineswegs allein, sondern es haben viele andere Länder diese Einschätzung geteilt."

Das Drama am Münchner Flughafen kommt zu einem Ende

Zurück zu Raha Ganjeh, die Ende Juni am Münchner Flughafen abgeschoben werden sollte. Ganjeh erzählt, sie habe vor dem Flugzeug mit den Polizisten diskutiert. Dann sei eine Flugbegleiterin dazugekommen: "Die Flugbegleiterin fragte mich, ob ich Deutsch spreche. Ich sagte ihr, dass man mich mit Gewalt hierher gebracht habe, dass ich eine Geflüchtete bin und nichts verbrochen habe. Ich erklärte, dass ich eine Pastorin bin, im Iran im Gefängnis war und es sehr gefährlich für mich ist, wieder dorthin zu fliegen. Sie solle mir bitte helfen."

Ganjeh berichtet, die Flugbegleiterin habe ihr dann nicht erlaubt, die Treppe zum Flugzeug hochzugehen. Die Pressestelle der Regierung Oberfranken antwortet auf Anfrage: Die besagte Abschiebung habe aufgrund von Widerstandshandlungen der Betroffenen am Flughafen nicht stattgefunden.

Schließlich wird die Tür des schwarzen Wagens, mit dem die 40-jährige zum Flugzeug gebracht wurde, von einem Polizisten wieder geschlossen. Ganjeh kann vorerst aufatmen, doch ihr droht auch weiterhin die Abschiebung in den Iran.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!