Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Abir Sultan
Bildbeitrag

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu

Bildbeitrag
>

Haftbefehl gegen Netanjahu – wie geht es weiter?

Haftbefehl gegen Netanjahu – wie geht es weiter?

Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu erlassen. Wird Israels Regierungschef nun wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Nahost-Krieg festgenommen? Wie steht Deutschland dazu? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen hat der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehl gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu erlassen. Die Richter entsprachen damit einem Antrag von Chefankläger Karim Khan. Auch gegen Israels früheren Verteidigungsminister Joav Galant und einen Anführer der Terrororganisation Hamas, Mohammad Diab Ibrahim Al-Masri, ergingen internationale Haftbefehle. Fragen und Antworten zur Bedeutung dieser Entscheidung: 

Was ist der Internationale Strafgerichtshof? 

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) mit Sitz in Den Haag verfolgt Verdächtige wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Aggressions-Krieg. Dazu gehören gerade auch politisch und militärisch Verantwortliche. Auch Staats- und Regierungschefs können sich nicht auf eine Immunität berufen. Der IStGH ist kein Gericht der Vereinten Nationen, sondern beruht auf einem Grundlagenvertrag, dem Römischen Statut. 

Darf das Gericht überall ermitteln? 

Das Weltstrafgericht darf nur Verbrechen verfolgen, die auf dem Gebiet seiner Mitgliedsstaaten verübt wurden. Den Grundlagenvertrag haben 124 Staaten ratifiziert, darunter alle EU-Länder. 

Ist Israel Vertragsstaat des Gerichts? 

Nein. Israel lehnt es ab, dass seine Staatsbürger vor das internationale Gericht gebracht werden könnten. Aus demselben Grund haben auch die USA den Grundlagenvertrag nie ratifiziert. Russland und China sind ebenfalls keine Vertragsstaaten. 

Darf der Chefankläger zu Verbrechen im Gaza-Krieg ermitteln? 

Ja, das darf er. Palästina ist Vertragsstaat und hat ausdrücklich erklärt, dass das Gericht auch in seinen Gebieten befugt ist, mögliche Verbrecher zu verfolgen. Die Richter hatten bereits vor einigen Jahren festgestellt, dass der Chefankläger ermitteln darf und Verdächtige für mögliche Verbrechen, die auf palästinensischem Grundgebiet begangen wurden, vor das Gericht gebracht werden dürfen. 

Welche Folgen haben die Haftbefehle? 

Das Gericht hat selbst keine Polizeimacht, um Haftbefehle zu vollstrecken. Doch nun sind alle 124 Mitgliedsstaaten verpflichtet, sobald sich ein Gesuchter auf ihrem Hoheitsgebiet befindet, diesen festzunehmen und dem Gericht zu überstellen, was die Reisemöglichkeiten der Gesuchten eingeschränkt. 

Wie realistisch ist eine Festnahme von Netanjahu? 

Israels Verbündete stehen vor einem Dilemma: Netanjahu festnehmen oder nicht? Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat bereits klargestellt, dass die Entscheidung des IStGH umgesetzt werden muss. Ungarns Regierungschef Orban will den Haftbefehl gegen Netanjahu aber ignorieren.

Wie reagiert Deutschland?

Deutschland ist einer der Hauptunterstützer des IStGH, zugleich aber auch enger Verbündeter Israels. Regierungssprecher Steffen Hebestreit hält die Umsetzung des Haftbefehls gegen Benjamin Netanjahu für "schwer vorstellbar". Man werde mögliche innerstaatliche Schritte "gewissenhaft prüfen". Weiteres stünde erst dann an, wenn ein Aufenthalt von Netanjahu in Deutschland absehbar wäre, so Hebestreit heute in Berlin.

Wie groß ist die Unterstützung des Gerichts? 

Bisher ist die internationale Unterstützung, gerade aus dem Westen, groß. Bisher gab es aber auch keine Verfahren zu Verbrechen in westlichen Staaten, sondern vorwiegend in Afrika. Daher wurde dem Gericht gerade von diesem Kontinent Einseitigkeit vorgeworfen. Der Fall zum Gaza-Krieg kann nun zum Testfall für die Glaubwürdigkeit werden.

Gibt es noch mehr Haftbefehle gegen Staats- und Regierungschefs? 

Ja. Seit 2009 wird der damalige Präsident Sudans, Omar al Baschir, gesucht wegen des Verdachts eines Völkermords in der Region Darfur. 2023 erließ das Gericht einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen möglicher Kriegsverbrechen in der Ukraine. 

Wie geht es weiter?

Der Chefankläger wird weiter ermitteln, Beweise sammeln und Zeugen befragen. Anklage kann erst erhoben werden, wenn ein Verdächtiger festgenommen wurde. In einem Vorverfahren müssen dann die Richter prüfen, ob die Beweise für die Anklage ausreichen. Erst dann kann das Hauptverfahren eröffnet werden. 

Könnte Israel das Verfahren verhindern?

Ja. Wenn Israel glaubhaft macht, dass es selbst mutmaßliche Kriegsverbrechen verfolgen wird und auch der Regierungschef nicht immun ist, dann können die Richter in Den Haag das ganze Verfahren auf Eis legen.

Gibt es noch mehr internationale Verfahren zum Gaza-Krieg?

Ja. Auch der Internationale Gerichtshof befasst sich damit. Dieses höchste Gericht der Vereinten Nationen hat seinen Sitz ebenfalls in Den Haag. Doch es tritt auf bei Konflikten zwischen Staaten. Südafrika hatte Ende 2023 Klage gegen Israel eingereicht und dem Land eine Verletzung der Völkermordkonvention vorgeworfen. Das Hauptverfahren zum Vorwurf des Völkermordes wird sich über Jahre hinziehen.

Im Video: Internationale Haftbefehle gegen Netanjahu und Hamas-Anführer

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und sein ehemaliger Verteidigungsminister Joav Gallant.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Shir Torem
Audiobeitrag

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und sein ehemaliger Verteidigungsminister Joav Gallant.

Mit Informationen von dpa

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!