Fachkräfte aus Kenia für Deutschland anwerben, das ist eine Hoffnung, die Kanzler Olaf Scholz mit der Unterzeichnung des Migrationsabkommens verbindet. Konkret verweist er dabei auf kenianische IT-Fachkräfte. Gleichzeitig betont Scholz, die andere Seite des Abkommens sei, abgelehnte Asylbewerber leichter in ihre Heimat zurückschicken zu können.
Kenias Präsident William Ruto erklärt, sein Land wolle zum Beispiel seine Ausbildungsgänge anpassen, damit die Qualifikationen leichter mit den deutschen vergleichbar sind. Außerdem soll es für Kenianer leichter werden, für eine Berufsausbildung und zum Studium nach Deutschland zu kommen.
Einfachere Rückführungen
Der andere Teil des Abkommens betrifft die Rückführung. So will Kenia auch abgelaufene Pässe oder Personalausweise als Reisedokument akzeptieren, was Abschiebungen leichter macht. Die scheitern bisher nicht selten an fehlenden, gültigen Dokumenten.
Allerdings dürfte beim Abkommen die Fachkräftezuwanderung im Fokus stehen, denn ausreisepflichtige Kenianer gibt es nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge derzeit nur rund 800 in Deutschland, davon ist bei vielen die Abschiebung vorübergehend ausgesetzt.
Kenia als Stabilitätsanker in der Region
Kenia selbst nimmt viele Flüchtlinge aus seinen Nachbarländern wie Somalia auf und gilt als wichtig für die Stabilität in der Region. Auch deshalb dürfte Deutschland daran interessiert sein, Kenia mit einer Partnerschaft zu stärken. Je stabiler die Region, desto weniger Flüchtlinge machen sich auf den Weg nach Europa, so das Kalkül.
Welche Effekte haben Migrationsabkommen?
Formal ist es das dritte Abkommen dieser Art. 2022 hat Deutschland mit Indien ein erstes solches Migrationsabkommen geschlossen. Im Dezember 2023 kam dann Georgien hinzu. Mit Moldau würden "wesentliche Teile des vorbereiteten Abkommens" bereits umgesetzt, ergänzt das Bundesinnenministerium auf Anfrage von BR24. Neben solchen Abkommen gibt es losere Formen – wie Partnerschaften oder gemeinsame Erklärungen.
Zum Beispiel sei mit Marokko im Januar 2024 "eine umfassende Migrationspartnerschaft" begonnen worden, schreibt das Bundesinnenministerium. Auch mit Kolumbien gibt es eine Kooperation. In Gesprächen ist die Bundesregierung auch mit Kirgisistan, Ghana, den Philippinen und Moldau. Während einer Zentralasien-Reise von Kanzler Scholz wollen Deutschland und Usbekistan am Sonntag ein weiteres Abkommen unterzeichnen.
Ziel der Abkommen und Vereinbarungen ist es zum einen, die ungeregelte Migration zu verringern, indem Rückführungen von Menschen aus diesen Ländern leichter werden und über diese Signalwirkung weniger Asylanträge gestellt werden. Zum anderen will Deutschland Fachkräfte anwerben, also eine gesteuerte, legale Arbeitsmigration ermöglichen.
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Ministerium: Asylanträge aus Georgien und Moldau stark rückläufig
Als Erfolg der Abkommen verbucht das Ministerium, dass die Zahl der Asylanträge von Menschen aus Georgien und Moldau stark zurückgegangen sind: mehr als 70 Prozent bei Georgien und mehr als 50 Prozent bei Moldau. Beide Länder wurden als sichere Herkunftsstaaten eingestuft, was neben den Migrationsabkommen sicher ebenso eine Rolle bei den Asylzahlen spielt.
Insgesamt wird nur ein sehr kleiner Teil der Asylanträge von Menschen gestellt, die aus Ländern kommen, mit denen Migrationsvereinbarungen bestehen oder in Arbeit sind. Nämlich 5,9 Prozent der gesamten Anträge 2023, rechnet der Mediendienst Integration vor. Die drei größten Herkunftsländer sind dagegen Syrien, Afghanistan und die Türkei.
Migrationsforscher: Effekte brauchen Zeit
Der Migrationsforscher David Kipp betont, dass Migrationsabkommen nicht von heute auf morgen wirken und es Zeit brauche, bis man Effekte sehe. Vorteile sieht er vor allem für die Bekämpfung des Fachkräftemangels. Das Migrationsabkommen mit Indien zeige, dass bei indischen Fachkräften durchaus ein großes Interesse an Deutschland bestehe, sagt Kipp.
Für die Eindämmung der ungeregelten Migration sieht der Migrationsforscher bei anderen Abkommen mehr Effekte, nämlich bei denen zwischen EU und Ägypten sowie Tunesien. Dadurch würden die Zahlen gerade sinken – allerdings erkauft mit menschenrechtlich teils fragwürdigen Methoden. Tunesien hatte vor einem Jahr zum Beispiel eingeräumt, kleine Gruppen von Migranten in die Wüste an der Grenze seines Landes zurückgedrängt zu haben.
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