In der aktuellen Migrationsdebatte verschärft Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger den Ton. "Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung endlich geltendes Recht einhält", betont er im BR24-Interview. "Ich bin überzeugt: Wir müssen jetzt über eine Klage nachdenken."
Laut Aiwanger müssten Asylbewerber grundsätzlich an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn sie über sichere Herkunftsländer einreisen wollen. "Und das sind unsere Nachbarländer samt und sonders", sagt Aiwanger, egal ob Österreich, Polen, Tschechien oder die Schweiz. "Wer nach Deutschland kommt und sagt 'Asyl', müsste eigentlich an der Grenze zurückgeschickt werden."
Aiwanger: "Ich hoffe, dass die CSU da mitgeht"
Der Freie-Wähler-Chef verweist auf das Grundgesetz. Dort steht zwar im Artikel 16a: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht." Es folgt aber die Einschränkung: Dies gilt nicht, wenn der Asylbewerber aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft einreist oder aus einem anderen Drittstaat, der die Flüchtlingskonvention achtet.
Gegen diesen Artikel 16a verstößt die Bundesregierung nach Aiwangers Überzeugung. Er setzt daher auf eine Klage der bayerischen Staatsregierung beim Bundesverfassungsgericht. "Ich werde also hier auf den Koalitionspartner CSU zugehen", kündigt er an. "Ich hoffe, dass die CSU da mitgeht."
Aiwanger auf Seehofers Spuren
Ob eine Klage Chancen habe? Aiwanger verweist auf ein Rechtsgutachten des Verfassungsrechtlers Udo Di Fabio aus dem Jahr 2016 für die Staatsregierung. Der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte im Streit mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Flüchtlingspolitik den ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht die Aussichten einer Klage analysieren lassen. Seehofer sah sich von dem Gutachten bestätigt und schickte es nach Berlin, um die Kanzlerin damit unter Druck zu setzen.
Damals verzichtete Bayern schließlich auf eine Klage, acht Jahre später hält Aiwanger sie für angebracht. "Wenn die Juristen uns schon sagen, dass die Politik gegen dieses Land läuft, dann muss auch die Politik handeln", sagt der Wirtschaftsminister am Rande der Herbstklausur der Freien Wähler. Wenn die Ampel nicht handle, müssten Maßnahmen gegen sie ergriffen werden. Seine Botschaft an die Bundesregierung: "Ihr macht dieses Land kaputt!"
Die FW-Fraktion hatte am Mittwoch die Grenzkontrollstelle in Neuhaus in Niederbayern besucht. Auch Fraktionschef Florian Streibl (FW) verweist im Interview auf das Grundgesetz: "Die bestehende Gesetzeslage sollte angewandt werden. Nicht mehr oder weniger erwarten wir von der Bundesregierung", sagt Streibl.
Innenminister Herrmann zurückhaltend
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) pocht zwar ebenfalls "auf mehr unmittelbare Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze", reagiert aber zurückhaltend auf Aiwangers Vorstoß: "Im Vordergrund muss stehen, jetzt in Berlin zu erreichen, dass konkrete Entscheidungen getroffen werden", sagt der CSU-Politiker dem BR.
Wenn man eine Klage einreiche, müsse einem klar sein, dass sich ein Gericht in ein, zwei Jahren oder noch später damit beschäftigen werde. Nötig sei aber eine rasche Lösung. Deswegen wolle er lieber weiter Druck machen und die Verhandlungen in Berlin weiterführen.
"Schauen uns mal an, was Freie Wähler auf den Tisch legen"
Auf die Nachfrage, ob das als Nein zu einer Klage zu werten sei, antwortet Herrmann: "Wir schauen uns mal an, was die Freien Wähler hier auf den Tisch legen." Aufgabe von Parlamenten und Regierungen sei aber, zu handeln und konkrete Entscheidungen zu treffen. "Und nicht in erster Linie ihrerseits vor Gericht zu gehen."
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