Ortstermin in Todendorf, Schleswig Holstein. Der Kanzler ist gekommen. Hinter ihm stehen Soldaten mit Gefechtshelmen und Schutzwesten vor Lastwagen. Olaf Scholz (SPD) hat hier im September einen wichtigen Auftritt: "Indienststellung und Meldung einer Anfangsbefähigung – das klingt ein bisschen technisch", sagt Scholz. Und weiter: "Auf Hochdeutsch heißt das: Los geht’s!"
Waffensystem IRIS T SLM soll Schlüsselrolle spielen
Tatsächlich ist es an diesem Tag vor rund vier Wochen losgegangen mit einem neuen Kapitel für die Bundeswehr: In Todendorf, am Ostseestrand, hatte die Luftwaffe kurz zuvor das erste Waffensystem vom Typ IRIS T SLM übernommen. Zum Abschluss der Ausbildung der ersten Soldaten kam der Kanzler.
In der Bundeswehr soll das Waffensystem bald eine Schlüsselrolle spielen – bei der Abwehr von Bedrohungen aus der Luft; entwickelt und produziert von der bayerischen Firma Diehl Defence. CEO Helmut Rauch sagt, das System bewähre sich in der Ukraine, wohin es Deutschland geliefert hat – es schütze dort "täglich wertvolles Leben", so Rauch.
Eingekauft mit dem Sondervermögen
Für die Bundeswehr wurden sechs Feuereinheiten mithilfe des Sondervermögens bestellt. Preis: rund 950 Millionen Euro. Die Feuereinheiten bestehen aus Startgeräten für die Raketen, einem Radarsystem und einem Gefechtsstand – gewissermaßen der Leistelle. Positioniert werden können die einzelnen Bestandteile einer solchen Einheit weit voneinander entfernt.
Die Abfangreichweite gibt die Bundeswehr mit 40 Kilometern an. Überwacht wird der Luftraum im Umkreis von 250 Kilometern. Die Systeme sollen bisherige ergänzen und so in den kommenden Jahren eine Lücke schließen, die es aktuell noch gibt.
Kommandeur: "Allianz ist unsere größte Rückversicherung"
Was die Bundesrepublik aktuell im Hinblick auf ihren Schutz gegen Bedrohungen aus der Luft plane, geschehe in Zusammenarbeit mit Nato und EU-Partnern, betont Oberst Arnt Kuebart im BR-Interview. Der gebürtige Memminger ist der Kommandeur der Bodengebundenen Verbände der Luftwaffe. Ihm unterstehen damit die deutschen Flugabwehrkräfte.
"Die Allianz ist unsere größte Rückversicherung", sagt Kuebart. Schutz gegen Bedrohungen aus der Luft sei angesichts des beengten Luftraumes über Europa "nur gemeinsam" möglich.
Verteidigungswichtige Infrastruktur soll geschützt werden
In diesem Zusammenhang lohnt ein Blick auf Szenarien und auf die Landkarte: Käme es etwa zu einem Angriff auf Nato-Gebiet im Baltikum, so würde Deutschland zur Drehschreibe der Allianz werden – also etwa Truppentransporte abwickeln. Der Schutz "verteidigungswichtiger" Infrastruktur sei in so einem Fall essenziell, sagt Arnt Kuebart. Der Oberst spielt damit konkret auf die Beschaffung der IRIS T SLM-Systeme an. Sie könnten etwa Umschlagplätze wie Flughäfen oder Häfen sowie wichtige Kasernen schützen. Derartige Einrichtungen hätten Priorität.
Ein Schutz des gesamten Bundesgebiets vor Bedrohungen im Nahbereich gilt indes für Beobachter als kaum umsetzbar. Deutschland ist schlicht zu groß. Ein Vergleich mit der israelischen Luftabwehr hilft aus diesem Grund kaum weiter – zumal es die Lage Deutschlands mit sich bringt, dass das Bundesgebiet ohnehin nur für Waffensysteme erreichbar ist, die über eine große Reichweite verfügen. Deshalb wird aktuell auch bei der Fähigkeit zur Abwehr von Bedrohungen in größeren Höhen nachgerüstet.
Schutzschirm gegen Bedrohungen
Beschafft wird das israelisch-amerikanische Waffensystem ARROW. Davon verspricht sich die Luftwaffe einen Schutz vor ballistischen Raketen im Anflug außerhalb der Erdatmosphäre. Die Arrow-Einheiten sollen dann – bildlich gesprochen – einen Schutzschirm aufspannen. Insgesamt sind drei Stationierungsorte vorgesehen, damit das ganze Bundesgebiet abgedeckt werden kann. Einer soll sich in Süddeutschland befinden. Eine abschließende Entscheidung zur Standortauswahl sei aber noch nicht ergangen, teilt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums auf BR-Anfrage mit.
Das erste System soll im kommenden Jahr an einem Standort gut 90 Kilometer südlich von Berlin in Dienst gestellt werden. Alle Arrow-Batterien sollen dann im Jahr 2030 einsatzbereit sein.
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