08.09.2023: Nach mutmaßlich politisch motivierter Brandstiftung auf der Bahnstrecke zwischen Berlin und Hamburg kommt es zu einigen Problemen im Zugverkehr.
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Nach mutmaßlich politisch motivierter Brandstiftung auf der Bahnstrecke zwischen Berlin und Hamburg kommt es zu einigen Problemen im Zugverkehr.

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Mutmaßlicher Brandanschlag: Im Norden fallen viele Züge aus

Drei Brandanschläge haben am Freitag den Bahnverkehr zwischen Hamburg und Berlin lahmgelegt, die Einschränkungen dauern voraussichtlich bis Samstag. Der Verdacht: Ein politisches Motiv. Bundesverkehrsminister Wissing spricht von "Terrorismus".

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 1 am Nachmittag am .

Ein mutmaßlicher Brandanschlag in Hamburg hat den Fernverkehr der Deutschen Bahn zwischen Hamburg und Berlin schwer beeinträchtigt. Ausgerechnet kurz vor dem Wochenende, wenn immer viele Pendler unterwegs sind, fielen zwischen den beiden Millionenstädten mehr als ein Dutzend Züge aus. Das ganz große Chaos an den Hauptbahnhöfen in Hamburg und Berlin blieb allerdings aus. Die schlechte Nachricht für alle Reisenden: Eine Wiederaufnahme des regulären Verkehrs zwischen Hamburg und Berlin ist voraussichtlich erst im Laufe des Samstagmorgens möglich.

"Politisches Motiv": Drei Brände in der Nacht zu Freitag

An drei Orten an Bahnstrecken hatten in der Nacht zu Freitag in der Hansestadt Kabelschächte gebrannt. Die Ermittler gehen inzwischen von einem politischen Motiv aus. Die Polizei sucht nun Zeugen. Entdeckt wurden die Brände zwischen 2.30 Uhr und 3.40 Uhr. Man gehe von vorsätzlichen Brandlegungen aus, hieß es.

Bekennerschreiben auf linker Plattform aufgetaucht

Nach dem mutmaßlichen Brandanschlag auf die Infrastruktur der Deutschen Bahn in Hamburg ist ein Bekennerschreiben auf der linken Plattform Indymedia aufgetaucht. "In der Nacht des 7. September haben wir in Hamburg Verkehrsadern der kapitalistischen Infrastruktur sabotiert", heißt es darin und weiter: "Einige Liter Benzin in den Kabelschächten an den Schienen sollten zu möglichst langfristigen Ausfällen oder Einschränkungen beim Transport von zum Beispiel im Zuge neokolonialer Ausbeutung und erdzerstörendem Extraktivismus beschafften Rohstoffen führen."

Allerdings bezieht sich das Schreiben vor allem auf den Güterverkehr. Bei der Tat sollte es demnach um Streckenabschnitte gehen, "die nicht für den Personenverkehr genutzt werden". Dennoch war am Freitag der Personenverkehr zwischen Berlin und Hamburg stark gestört. Ein Großteil der Fernzüge zwischen den beiden Städten fiel im Tagesverlauf aus.

Authentizität des Schreibens noch nicht gesichert

"Das Bekennerschreiben ist uns bekannt und wird selbstverständlich in die Ermittlungen mit einbezogen bzw. ist ja bereits Bestandteil davon", teilte die Hamburger Polizei auf Anfrage mit. Ob das Schreiben allerdings authentisch sei, stehe noch nicht fest, heißt es aus Sicherheitskreisen.

Volker Wissing: "Form von Terrorismus"

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat ein konsequentes Durchgreifen des Rechtsstaats gefordert. "Solche Anschläge sind eine Form von Terrorismus", sagte Wissing auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Freitag. "Wir können nur von Glück sprechen, dass kein Mensch körperlichen Schaden erlitten hat." Solche Anschläge erschwerten neben dem Personenverkehr auch die sichere Versorgung mit zum Teil lebensnotwendigen Gütern. "Ich erwarte, dass der Rechtsstaat hier konsequent durchgreift. Der gesellschaftliche Konsens muss sein, dass wir jegliche Gewalt und Extremismus ächten", sagte Wissing.

Sicherheitschef verurteilt Anschlag "auf das Schärfste"

Der Sicherheitschef der Deutschen Bahn hat den mutmaßlichen Anschlag auf die Infrastruktur in Hamburg "auf das Schärfste" verurteilt. "Menschen, die mit uns reisen möchten – mit einem der klimafreundlichsten Verkehrsmittel – sind massiv von Zugausfällen und Verspätungen betroffen und erreichen ihre Ziele nicht", sagte Hans-Hilmar Rischke am Freitag. "Wir sind im engen Austausch mit den Sicherheitsbehörden und hoffen auf schnelle Fahndungserfolge."

  • Zum Artikel: Kritische Infrastruktur im Visier: Wie schützen wir die Bahn?

"Chaos pur": Zahlreiche Reisende gestrandet

Viele Reisende waren nach dem Ausfall zahlreicher Zug-Verbindungen am Hamburger Hauptbahnhof gestrandet. Vor dem Reisezentrum bildeten sich am Freitag lange Schlangen, an den Gleisen und Zugängen warteten Menschengruppen mit ihrem Gepäck.

Wegen der Hitze sammelten sich viele Reisende im Schatten. Die meisten waren noch ruhig oder schauten frustriert auf ihre Handys. "Ich sag’ so viel: Es ist Chaos pur", sagte ein 60 Jahre alter Mann aus Süddeutschland, der nach Hause fahren wollte. Für Vandalismus aus politischen Gründen zeigten die wenigsten Reisenden Verständnis. "Züge sind doch gut für die Umwelt. Das verstehe ich nicht", sagte ein Reisender.

Bahn-Experte fordert Einzäunung von Bahnstrecken

Der Bahn-Experte Markus Hecht hat sich angesichts der mutmaßlichen Brandanschläge und ähnlicher Sabotage-Akte aus der Vergangenheit dafür ausgesprochen, deutlich mehr Bahnstrecken einzuzäunen. "Das würde die Betriebsstabilität schon erhöhen", sagte der Wissenschaftler von der TU Berlin. Er sei darüber schon lange mit der DB im Austausch, der Konzern argumentiere dann stets, dass Zäune leicht überklettert werden könnten.

Hecht betonte zudem, dass es bei den Signalkabeln an den meisten Stellen keine Redundanz gebe – wenn ein Kabel beschädigt wird, gibt es also kein zweites, über das der Betrieb weitergeführt werden kann. "Bei Kabelschäden führt das dann auf jeden Fall zu einer Störung", sagte Hecht. Insgesamt könne er nicht erkennen, dass sich bei diesen Sicherheitsfragen in den vergangenen Jahren bei der Bahn etwas verändert habe.

Deutsche Bahn weist Forderung zurück

Die Bahn wies Forderungen nach einer Einzäunung der Bahnanlagen am Freitag zurück. "Das Einzäunen des gesamten Streckennetzes ist nahezu unmöglich", teilte eine Sprecherin mit. Bei einem Streckennetz von 34.000 Kilometern müsste ein solcher Zaun "fast eineinhalbmal um die Erde reichen". Zudem müsste eine solche Absperrung Rettungskräften und Instandhaltungspersonal stets freien Zugang zum Schienennetz ermöglichen.

Mit Informationen von dpa.

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