TikTok bei Jugendlichen: Wie anfällig sind sie radikalisierten Inhalten zu glauben?
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Eine junge Frau schaut TikTok auf ihrem Smartphone.

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Salafistische Influencer: Wie sie im Netz Jugendliche ködern

Salafistische Influencer: Wie sie im Netz Jugendliche ködern

In kurzen Videos beantworten islamistische Influencer auf YouTube, Instagram oder TikTok Alltagsfragen – und geben Tipps, wie man sich als Muslim richtig verhält. Experten fürchten, dass diese Videos zur Radikalisierung beitragen können.

Über dieses Thema berichtet: Der Funkstreifzug am .

Ist es als Muslim erlaubt, eine Kirche zu betreten? Darf eine Muslima allein reisen? Darf man als Muslim Weihnachtsgeschenke annehmen? Das sind Fragen, die salafistische Prediger im Netz beantworten, meist in kurzen, leicht verständlichen Videos. Der gebürtige Münchner Ibrahim El Azzazi ist damit besonders erfolgreich und hat sich eine große Anhängerschaft aufgebaut.

Für den bayerischen Verfassungsschutz ist El Azzazi kein Unbekannter. "Seine jugendaffinen Auftritte auf Plattformen wie TikTok, Instagram und YouTube erreichen vor allem ein junges Publikum. Dabei vertritt El Azzazi antidemokratische, frauenfeindliche und homophobe Ansichten", so Florian Volm vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz. El Azzazis Anwalt lässt eine Bitte um Stellungnahme unbeantwortet.

Videos bieten einfaches und klares Wertesystem

Seit mehreren Jahren beobachten Verfassungsschützer, wie Salafisten die sozialen Netzwerke immer raffinierter für ihre Zwecke nutzen, um ihre ultrakonservativen, radikalen Ansichten zu verbreiten. "Diese Videos bieten ein einfaches und klares Wertesystem, an dem sich die jungen Zuschauer orientieren können und der Konsum solcher Inhalte kann dann eine zunehmende Ablehnung der freiheitlich demokratischen Grundordnung und eine extremistische Radikalisierung zur Folge haben", warnt Volm.

Missionierungsversuche und Abwertungen anderer Glaubensrichtungen

Diejenigen, die sich für die Videos interessieren, seien oft jung und beeinflussbar, berichtet auch Navid Wali von der Nichtregierungsorganisation Violence Prevention Network (VPN), die sich in Bayern und anderen Bundesländern in der Extremismus-Prävention und Deradikalisierung engagiert.

"Wir bekommen immer mehr Anfragen bis zu Grundschulen, wo konkret Situationen geschildert werden von Missionierungsversuchen, von Abwertungen anderer Glaubensströmungen, von Abwertungen gegenüber Christen und Juden", so Wali. Der Pädagoge kümmert sich um radikalisierte junge Menschen, gibt Workshops an Schulen und klärt darüber auf, wieso diese Videos verfangen.

Salafistische Filterblasen

Auch Navid Wali ist besorgt, dass die kurzen salafistischen Videos zu einer Radikalisierung führen können. Denn wer ein oder zwei dieser Videos anschaue, bekomme oft auch andere salafistische Inhalte angezeigt, beispielsweise Trainingsvideos, die dann mit dschihadistischen Gesängen untermalt sind. Dazu kämen Bilder aus dem Gaza-Krieg, die stark emotionalisieren. Dadurch entstehe eine Dynamik, die dazu führen kann, dass besonders junge Menschen sich in kurzer Zeit radikalisieren, so Wali.

Social-Media: Werden Inhalte gelöscht, tauchen neue auf

Vor diesem Hintergrund sieht der Pädagoge vor allem die Rolle der Social-Media-Plattformen kritisch. Die salafistischen Videos sind hier ohne Probleme verfügbar. Gerade TikTok ist von Bedeutung, weil die Plattform für Jugendliche attraktiv ist und sie dort aktiv sind.

Auf BR-Anfrage antwortet das Unternehmen, dass es die Präsenz von gewalttätigen und hasserfüllten Organisationen oder Personen auf der Plattform verbiete und weist daraufhin, dass 98 Prozent der Inhalte, bei denen ein Verstoß gegen diese Regeln festgestellt werde, entfernt werden, bevor sie gemeldet würden. Tatsächlich werden auf Social-Media-Plattformen die Kanäle von El Azzazi beispielsweise immer wieder gelöscht. Doch es tauchen auch immer wieder neue auf.

Justiz lässt nach El Azzazi fahnden

Eines seiner Videos hat die Generalstaatsanwaltschaft München auf den Plan gerufen. Sie wirft ihm Volksverhetzung vor und lässt aktuell nach ihm fahnden, da sein Aufenthaltsort unbekannt ist. Auch dazu erhält der BR von seinem Anwalt keine Stellungnahme. Es gilt die Unschuldsvermutung. Seine Videos postet El Azzazi derweil weiter.

Die Funkstreifzugsendung finden als Podcast in der ARD Audiothek.

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