Die Grünen-Vorsitzende spricht über Frieden in Europa
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Ricarda Lang am "BR-Sonntags-Stammtisch"

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US-Wahl: Ricarda Lang fordert verteidigungsfähigeres Europa

Die Bundesregierung sei auf eine mögliche zweite Amtszeit von Donald Trump besser vorbereitet, sagte die Grünen-Vorsitzende am "Sonntags-Stammtisch". Europa müsse aber militärisch und auch wirtschaftlich stärker auf eigenen Beinen stehen.

Über dieses Thema berichtet: Der Sonntags-Stammtisch am .

Wie stellt sich Europa, wie stellt sich die Bundesregierung darauf ein, wer in den Vereinigten Staaten von Amerika künftig regieren wird? Darüber diskutierten die Gäste am "Sonntags-Stammtisch" im BR Fernsehen eindrücklich. "Als Trump das erste Mal gewählt wurde, war das ja tatsächlich für viele eine Überraschung, fast ein Schock", sagt die Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Ricarda Lang. Damals sei man sehr wenig darauf vorbereitet gewesen. Heute sei das anders: "Europa muss als solches auch stärker verteidigungsfähig werden."

Gerade die Aussagen von J.D. Vance, dem Mann, der als Trumps möglicher Vizepräsident für die Republikaner antritt, beunruhigen den ehemaligen "Spiegel"-Chefredakteur Georg Mascolo. Wenn dieser etwa die neue britische Labour-Regierung als islamistisch bezeichne. "Man muss sich auch zwischendurch wirklich mal kneifen, ob das ernst gemeint sein könnte oder nicht", fügte Mascolo, der für den "Spiegel" auch als US-Korrespondent gearbeitet hatte, hinzu.

Es gibt sowohl von Trump als auch von Vance Signale, die das Nato-Verteidigungsbündnis infrage stellen. Von der wahrscheinlichen demokratischen Kandidatin Kamala Harris hingegen erwarten Beobachter, dass sie Präsident Joe Biden hinter der Nato steht.

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US-Raketen-Schutz für Deutschland?

"Man kann jedenfalls vermuten, dass an der einen oder anderen Stelle die Biden-Regierungen jetzt noch bestimmte Entscheidungen trifft, auch im Hinblick auf eine Wahl, von der wir nicht wissen, wie es ausgeht", ordnete Mascolo in diesem Zusammenhang einen historischen Schritt ein: Zum ersten Mal seit dem Kalten Krieg planen die USA, im Jahr 2026 Waffen nach Deutschland zu verlegen, die theoretisch Russland erreichen könnten.

Das sei auf ausdrückliche Bitte der Bundesregierung geschehen, so Mascolo weiter, nämlich "zu sagen: 'Bis wir solche Fähigkeiten selbst entwickelt haben, hätten wir gerne entsprechende Waffen aus den USA.'" Das zeige, wie düster die Zeiten seien, dass man wieder über solche Dinge reden müsse. Die Waffen sollen zeitweilig stationiert werden, bis Deutschland gemeinsam mit weiteren europäischen Ländern eigene Waffensysteme entwickelt habe – dies dauere aber noch, hieß es vonseiten der Bundesregierung.

Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang begrüßte die Pläne, da der russische Präsident Putin mit seinem Angriffskrieg auf die Ukraine klargemacht habe, dass er "kein verlässlicher Partner für Frieden" sei, aber: "Ich wünschte mir, es wäre nicht nötig, ich wünschte es mir wirklich, weil ich glaube, wir wünschen uns alle Frieden."

Genau diese Abwägungen besser zu erklären, forderte Lang auch vom Bundeskanzler. "Was ich mir ehrlich gesagt gewünscht hätte, wäre, dass der Bundeskanzler Scholz die Möglichkeit ergriffen hätte, vor die Bevölkerung zu treten und das zu erklären", sagte die Grünen-Politikerin am "Sonntags-Stammtisch". Scholz solle hier stärker in die Debatte mit den Menschen in Deutschland gehen.

Muss Deutschland auch wirtschaftlich umdenken?

Militärisch steht die jetzige demokratische Regierung von Joe Biden hinter der Verteidigung Europas und der Nato. Wirtschaftlich dagegen sei der Unterschied zwischen Demokraten und Republikanern nicht komplett gegensätzlich, sagte Lang im BR Fernsehen: "Tatsächlich hat jetzt schon die Biden-Administrationen durchaus stärker auf protektionistische Elemente gesetzt."

Gemeint sei damit etwa der Appell an die eigenen Landsleute: "Buy American, produce American." Aber auch die Strategie der US-Regierung, mit dem sogenannten "Inflation Reduction Act" in neue Technologien und Klimaschutz zu investieren und damit die Infrastruktur und Wirtschaft im eigenen Land zu stärken sowie Jobs zu schaffen, sei für Lang nachvollziehbar: "Denn wir haben in Teilen der USA in den letzten Jahrzehnten eine Deindustrialisierung erlebt." Viele Menschen seien dadurch abgehängt worden.

Donald Trump hatte noch deutlich protektionistischere Töne angeschlagen und gesagt, auf Importe – auch aus Deutschland – einen Zoll von zehn Prozent einführen zu wollen. Aber selbst unter einer demokratischen Präsidentin Kamala Harris erwartet Lang mehr wirtschaftlichen Protektionismus. "Auch wir in Europa werden uns in Zukunft überlegen müssen, wie man in einer solchen Welt agiert", sagte Lang. Alte Wirtschaftsvorstellungen, "immer nur Textbook-Economics vorzupredigen", werde dabei nicht funktionieren.

Im Video: Der Sonntags-Stammtisch (28.7.2024)

Die letzte Sendung vor der Sommerpause
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Der "Sonntag-Stammtisch" vom 28. Juli 2024

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