Monatelang hat der Streit um die Zukunft von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor den Europawahlkampf geprägt und er hört auch nach der Wahl nicht auf: Schließlich hat die Parteienfamilie von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die christdemokratische EVP, damit geworben, das beschlossene faktische Aus für Autos mit Verbrenner ab 2035 in der EU rückgängig machen zu wollen.
Und das, obwohl EVP-Spitzenkandidatin von der Leyen mit ihrem Green Deal erreichen möchte, dass die Europäische Union bis zur Mitte des Jahrhunderts unter dem Strich keine klimaschädlichen Treibhausgase mehr ausstößt. Um das zu schaffen, muss die EU vor allem in den Bereichen Verkehr und Gebäude deutlich nachlegen. Allein im Straßenverkehr sind die jährlichen CO₂-Emissionen seit 1990 EU-weit um rund ein Viertel gestiegen. Zwar werden Motoren und Kraftstoffe effizienter, gleichzeitig steigen aber Zahl und Hubraumstärke der Autos auf Europas Straßen stetig an.
Festhalten am Ziel: kein CO₂
Es braucht also mehr, nicht weniger Klimaschutz. Trotzdem will die alte und neue Kommissionschefin ihren Kritikern – nicht zuletzt in den eigenen Reihen – entgegenkommen. In ihrem politischen Grundsatzprogramm für die kommenden fünf Jahre verweist von der Leyen zunächst auf den Beschluss von EU-Staaten und EU-Parlament vom Frühjahr 2023, wonach neu zugelassene Fahrzeuge ab 2035 im Betrieb kein klimaschädliches CO₂ mehr ausstoßen dürfen, wie es bei der Verbrennung von Benzin und Diesel entsteht.
An diesem Ziel will die Kommissionschefin nach eigenen Worten auch festhalten. Die Bundesregierung hatte auf Druck der FDP aber Ausnahmen für sogenannte E-Fuels verlangt, also für synthetische Kraftstoffe, mit denen Verbrennungsmotoren theoretisch klimaneutral betrieben werden können.
Gesetz soll angepasst werden
In ihren Leitlinien räumt von der Leyen ein, es sei "… Ein technologieneutraler Ansatz erforderlich, bei dem E-Fuels eine Rolle spielen werden, indem die Vorschriften im Rahmen der geplanten Überprüfung gezielt geändert werden". Das soll heißen, dass die EU das Gesetz im Rahmen der ohnehin für 2026 vorgesehenen Revision anpasst. Diese Aussage kommt nicht sonderlich überraschend, dafür sind solche Überprüfungen ja da. Auch legt sich von der Leyen nicht fest, wie genau die "gezielte Änderung im Rahmen der vorgehenden Überprüfung" aussehen soll. Es bleibt also zunächst offen, ob europäische Bürgerinnen und Bürger nach 2035 noch Autos mit Verbrennungsmotor kaufen können oder nicht.
Auch Scholz zufrieden
Bundeskanzler Olaf Scholz ist trotzdem zufrieden und fühlt sich bestätigt. Ab 2035 wird es seinen Worten zufolge mehrere technische Möglichkeiten für klimaneutrales Fahren geben: E-Autos sowie Fahrzeuge, die mit Wasserstoff oder E-Fuels betrieben werden. Die FDP hat im Konflikt um das faktische Verbrenner-Aus stets betont, dass ein Auto mit alternativen Kraftstoffen auch mit Verbrennungsmotor klimaneutral fahren könne.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP verlangte von der Kommission Vorschläge, wie nach 2035 mit E-Fuels betankte Fahrzeuge weiter zugelassen werden können. Im Gesetz ist die entsprechende Aufforderung an die Kommission in Form eines rechtlich nicht bindenden Erwägungsgrundes enthalten. Fachleute halten synthetische Kraftstoffe allerdings für ineffizient und viel zu teuer, um als Lösung für klimafreundliche Mobilität zu taugen. Sie sehen eine Rolle für E-Fuels eher im Schiffs- und Luftverkehr.
Zum Nachhören: Wo steht die EU beim Green Deal?
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