Selten hat eine Bundestagsdebatte viele Menschen so aufgewühlt zurückgelassen wie die am Freitag vergangener Woche, dem Tag, an dem die Abgeordneten über einen Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion zur Migration abgestimmt haben, der allenfalls mit den Stimmen der AfD eine Mehrheit erhalten hätte. Es kam anders. Und in der Debatte hatte Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz versichert: "Von meiner Partei aus reicht niemand der AfD die Hand." Doch das ging im Hohngelächter derer unter, die Merz nicht glauben wollten.
Rolf Mützenich griff zu drastischen Worten, als er sich an den CDU-Chef wandte: "Der Sündenfall", so der SPD-Fraktionschef, "wird Sie für immer begleiten". Auch Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen und der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, lieferten sich ein ungewöhnlich scharfes Wortgefecht. Von "Lügengeschichten" und "Kindergartenverhalten" war die Rede. Wie diese Bundestagsdebatte so aus dem Ruder laufen konnte und was vom Abstimmungsverhalten der Union zu halten ist: Das hat in den Tagen danach viele Menschen beschäftigt.
ARD-Deutschlandtrend: geteilte Meinung zum Umgang mit AfD
Der aktuelle ARD-Deutschlandtrend bestätigt, dass die Meinungen über das Vorgehen der Union auseinandergehen. Knapp die Hälfte der Befragten findet es nicht akzeptabel, Gesetze einzubringen, die nur mithilfe der AfD beschlossen werden können. 44 Prozent befürworten ein solches Vorgehen. Merz hat es jedenfalls nicht geschadet. Vom CDU-Chef sagen jetzt 33 Prozent der Befragten, er wäre ein guter Kanzler. Fünf Prozentpunkte mehr als Mitte Dezember.
In der Sonntagsfrage wiederum gibt es kaum Verschiebungen. Die Union legt etwas zu und bleibt der Umfrage zufolge stärkste Kraft. Gefolgt von AfD, SPD, Grünen, Linken sowie FDP und BSW. Dass mit den letztgenannten Parteien gleich drei in der Nähe der wichtigen Fünf-Prozent-Hürde rangieren, ist ungewöhnlich. Stefan Merz vom Meinungsforschungsinstitut infratest dimap sagt, dass dies zumindest bei einer Bundestagswahl schon länger nicht mehr der Fall gewesen sei.
Meinungsforscher sieht Gefahr einer Zersplitterung des Parlaments
"Grundsätzlich sehen wir eine Ausdifferenzierung in der Gesellschaft und eine Ausdifferenzierung im Parteiensystem", so der Meinungsforscher. Und je mehr Parteien den Sprung ins Parlament schaffen, desto größer ist nach seiner Einschätzung die Gefahr einer Zersplitterung.
Was auffällt: Parallel zu dieser Fragmentierung nimmt die Sorge zu, dass das Land auch nach der Wahl ohne stabile Regierung dastehen könnte. 69 Prozent der Befragten machen sich diesbezüglich große bis sehr große Sorgen. Ein Plus von zehn Prozentpunkten im Vergleich zu Mitte Dezember. Und das Unbehagen ist lagerübergreifend messbar: Besonders ausgeprägt ist es unter Anhängern von Grünen und SPD, aber auch die Unterstützer von AfD, Linken und Union sind mit Blick auf die politische Stabilität nach der Wahl mehrheitlich besorgt.
Altkanzlerin warnt vor Polarisierung
Die Zahlen wurden vom 3. bis 5. Februar erhoben. Das heißt: Die Menschen haben die Fragen der Meinungsforscher unter dem Eindruck dessen beantwortet, was sich vergangene Woche im Bundestag abgespielt hat. Und der Deutschlandtrend scheint zu bestätigen, dass die Frage nach dem richtigen Umgang mit der AfD das Land spaltet – worauf auch die Demonstrationen der vergangenen Tage hindeuten.
Längst wird der Ruf nach Mäßigung laut. So warnte beispielsweise Angela Merkel vor einer weiteren Polarisierung. Bei einer Veranstaltung in Hamburg sagte die Altkanzlerin, die demokratischen Parteien müssten "später auch wieder Kompromisse" schließen können. Also nach der Wahl. So umstritten gerade die Migrationspolitik unter Merkel war und ist, so brachte ihre Kanzlerschaft dem Land doch über 16 Jahre stabile Regierungen. Damit könnte es nun auf absehbare Zeit vorbei sein. Der rot-grün-gelben Koalition ging nach nur drei Jahren die Luft aus. Und ob sich nach der Bundestagswahl eine Mehrheit für ein beständiges Zweierbündnis findet, ist ungewiss.
Weitere Hintergrund- und Service-Artikel zur Bundestagswahl 2025
- Zum Artikel: Bundestagswahl – welche Termine und Fristen Sie beachten müssen
- Zum Artikel: Neues Wahlrecht: So funktioniert die Bundestagswahl 2025
- Zum Überblick: Erst- und Zweitstimme – so wählen Sie richtig
- Zum FAQ: Briefwahl zur Bundestagswahl – so geht's
- Bundestagswahl: Ist die Bundestagswahl jetzt immer im Winter?
Die Top-Themen aus Europa - hier klicken!
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!