Von der "tiefsten Krise unserer Partei seit einer Dekade" hatte der scheidende Grünen-Bundesvorsitzende Omid Nouripour gesprochen. Kurz darauf erklärte er gemeinsam mit Ricarda Lang seinen Rücktritt. Die Opposition sieht die Ampel nach einer Reihe von Wahlniederlagen am Ende.
"Die Ampel ist nicht handlungsfähig. Sie ist nicht in der Lage, die Probleme der Menschen zu lösen", sagte der Fraktionsvorsitzende der CSU, Klaus Holetschek, am Mittwochabend in der Münchner Runde im BR Fernsehen. Diskutiert wurde dort, was die Ursache der Grünen-Krise sei, die als erste Partei Konsequenzen gezogen hat. Experten führten dafür mehrere Erklärungen ins Feld.
Erklärung eins: Die Ampel hat zu viel versprochen
Der Chefreporter der Süddeutschen Zeitung, Roman Deininger, glaubt, dass die Ampel zu Beginn ihrer Regierungszeit zu viel versprochen hat. "Das ist Teil des Ampel-Scheiterns. Dass man einfach sehr hoch losgesprungen ist und am Ende festgestellt hat, dass man das gar nicht erreichen kann", sagte Deininger in der Münchner Runde. Gründe dafür, dass man die Erwartungen enttäuscht habe, seien einerseits unerwartete Krisen, andererseits die doch sehr unterschiedlichen Interessen der Koalitionspartner. Der Journalist riet deshalb auch den Grünen zu einer neuen Gelassenheit und dazu, realistischere Erwartungen zu formulieren.
Erklärung zwei: Das Heizungsgesetz
Für Hubert Kleinert, Professor für Sozialwissenschaften, lag das Grünen-Tief jedoch auch aus anderen Gründen in der Luft. Ein Kardinalfehler sei laut Kleinert, der 1983 einer der ersten Grünen-Bundestagsabgeordneten war und als Vordenker von Rot-Grün gilt, das Heizungsgesetz gewesen. "Es war handwerklich schlecht gemacht und kommunikativ noch schlechter nach außen vertreten", so Kleinert im BR Fernsehen. Darüber hätten die Grünen gewaltig an Glaubwürdigkeit bei ihrem wichtigsten Thema, dem Klima, verloren - weil viele Menschen durch das Heizungsgesetz beim Wort Klimapolitik in erster Linie Angst bekommen würden. "Es kann ja auch nicht sein, dass man es so auslegt, dass die Leute ausrechnen können, dass sie mindestens 100.000 Euro verdienen müssen, damit sie sich das leisten können", sagte der Ex-Grünen-Politiker.
Erklärung drei: Migrationspolitik
Hinzukomme laut Kleinert, dass die Grünen auch wegen ihrer Migrationspolitik Abstriche machen mussten. "Die Grünen haben es nicht geschafft, bei aller Öffnung aus dieser Rolle der ewigen Bremser herauszukommen", so der Professor. Die Partei hätte es versäumt, Flüchtlinge auch aus anderen Blickwinkeln als der Opferperspektive zu betrachten und so die legitimen Bedürfnisse der Aufnahmegesellschaft vernachlässigt. Das vermische sich außerdem mit einer Sprache, mit der man bei Menschen im ländlichen Raum nicht punkten könne.
"Ich würde das Thema Migration gerne von Emotionen befreien, das würde der Diskussion guttun", sagte Deininger. Er nahm an dieser Stelle aber nicht nur die Grünen in die Pflicht, sondern ermahnte auch Oppositionsparteien wie die Union. Er wünscht sich, dass die Parteien wieder sachlicher miteinander umgehen.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!