Der Bundestag diskutiert heute über Pläne, wie das Verfassungsgericht vor Extremisten geschützt werden kann.
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Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts.

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Wie das Verfassungsgericht vor Extremisten geschützt werden soll

Wie das Verfassungsgericht vor Extremisten geschützt werden soll

Die Demokratie steht unter Druck – auch in Deutschland. Anderswo hat es schon Versuche gegeben, die Unabhängigkeit der Justiz zu untergraben. Der Bundestag diskutiert heute über Pläne, wie so etwas hierzulande verhindert werden kann.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die Entwicklung im lange von Nationalpopulisten regierten Polen hat gezeigt, welche Gefahren einem Verfassungsgericht in einer Demokratie drohen können. Jedenfalls dann, wenn autoritäre Kräfte an die Regierung kommen. Jetzt soll das Bundesverfassungsgericht für den Fall gewappnet werden, dass politisch gesehen noch stürmischere Zeiten anbrechen. Die Pläne dafür werden an diesem Donnerstag in den Bundestag eingebracht.

Welche Bedeutung hat das Verfassungsgericht?

Das Gericht in Karlsruhe ist ein sogenanntes Verfassungsorgan – wie Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident und Bundesregierung. Es wacht in erster Linie darüber, dass sich Politik und Behörden ans Grundgesetz halten. Eine besondere Rolle spielen die Karlsruher Richter dabei, die Grundrechte von Bürgern durchzusetzen.

Grundsätzlich gilt: Wer sich in seinen Grundrechten verletzt sieht, kann in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde einreichen. Solche Beschwerden machen den Löwenanteil der Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht aus. Jahr für Jahr sind es mehr als 6.000. Die Richter entscheiden aber zum Beispiel auch bei Streitigkeiten zwischen anderen Verfassungsorganen oder klopfen Gesetze auf deren Verfassungsmäßigkeit hin ab. Auch über ein Parteiverbot darf nur das Verfassungsgericht entscheiden.

Seine Beschlüsse sind für alle anderen Staatsorgane verbindlich. Das Gericht hat also eine Schlüsselfunktion für das Verhältnis von Staat und Bürgern sowie für das Zusammenspiel demokratischer Institutionen.

Wie wird die Arbeit des Verfassungsgerichts bisher geregelt?

Seine Zuständigkeiten und Teile seiner Struktur sind schon jetzt im Grundgesetz festgeschrieben. Dazu gehört zum Beispiel die Regelung, wonach die Mitglieder des Gerichts je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt werden. Allerdings haben einige wichtige Punkte keinen Verfassungsrang: Sie sind in einem einfachen Gesetz enthalten. Deshalb könnten diese Regelungen wie jedes andere Gesetz geändert werden, eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament wäre dafür nicht nötig.

Das betrifft zum Beispiel die Zahl der Senate, in die sich das Gericht aufteilt, sowie die Zahl der Richter und deren Amtszeit. Außerdem dürfen Richter immer nur eine Amtszeit haben, damit sie wirklich unabhängig urteilen und dabei nicht die Chancen für eine etwaige Wiederwahl im Hinterkopf haben.

Was genau ist geplant?

Die Rolle des Gerichts und wichtige Organisationsprinzipien sollen im Grundgesetz verankert werden. Es geht zum Beispiel darum, dass sich das Gericht in zwei Senate mit jeweils acht Richtern gliedert, dass die Amtszeit der Richter zwölf Jahre beträgt und dass die Altersgrenze bei 68 Jahren liegt.

Außerdem soll verhindert werden, dass eine Wahl neuer Richter bei schwierigen Mehrheitsverhältnissen in Bundestag oder Bundesrat blockiert werden kann. Dem Gesetzgeber wird es den Plänen zufolge ermöglicht, Vorkehrungen für ein solches Szenario zu treffen. Dann könnte der Bundestag einspringen, wenn eine anstehende Richterwahl im Bundesrat hinausgezögert würde – und umgekehrt.

Darüber hinaus soll dem Gesetzentwurf zufolge im Grundgesetz festgelegt werden, dass sich das Gericht selbst eine Geschäftsordnung gibt. Das klingt banal, ist aber ein wichtiger Punkt. Denn die Erfahrung aus anderen Ländern zeigt, dass Gerichte lahmgelegt werden können, wenn sie selbst keinen Einfluss auf die Reihenfolge beim Abarbeiten der Verfahren haben. Dann besteht die Gefahr, dass die Richter mit Nebensächlichkeiten überfrachtet werden – zu Lasten politisch bedeutsamer und womöglich unbequemer Verfahren.

Wer hat die Pläne ausgearbeitet?

Die Vorschläge gehen auf eine gemeinsame Initiative von Ampel und CDU/CSU-Fraktion im Bundestag zurück. Beide Seiten haben sich im Sommer darauf verständigt – nach langer Diskussion. Andrea Lindholz, stellvertretende Unionsfraktionschefin, spricht von einem "ausgewogenen Entwurf". Die Aschaffenburger CSU-Abgeordnete macht auf BR24-Anfrage deutlich, dass das Gericht damit als "Hüter unserer Verfassung dauerhaft resilient aufgestellt" werde. Auch im Regierungslager begründet man die Pläne damit, die "Widerstandskraft" des Gerichts gegenüber autoritären Kräften müsse gestärkt werden.

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