Die Siemens AG hat ihre Aktionäre zur Hauptversammlung eingeladen. Es ist ein Forum nicht nur fürs Formale, also für die Entlastung der Vorstände und Ähnliches, sondern auch eine Gelegenheit zum Austausch: über die Lage des Konzerns ganz konkret, die Zukunft des Unternehmens, die Wirtschaft im Allgemeinen und so weiter. So äußerte sich Siemenschef Roland Busch beispielsweise auch über die Gefahren von Ausländerfeindlichkeit und rechter Politik.
Unmut über rein virtuelle Aktionärshauptversammlung von Siemens
Über Jahrzehnte galt in Münchener Finanzkreisen: Zur Siemens-Hauptversammlung traf man sich Ende Januar, Anfang Februar in der Olympiahalle. Jahr für Jahr trotzten tausende Aktionäre dem ebenso traditionellen Schneeregen. Großinvestoren trafen auf Kleinanleger und auf dem Parkett der Halle oder am Büfett gab es die Gelegenheit, die Stimmung in der Siemens-Community zu erfühlen. Die Corona-Pandemie hat diese Tradition vorläufig beendet. Das vierte Mal in Folge fand die Siemens-Hauptversammlung jetzt als virtuelles Aktionärstreffen statt.
Nicht alle Investoren sehen das positiv. Vera Diehl zum Beispiel, Analystin bei der Fondsgesellschaft Union Investment sagte dem Bayerischen Rundfunk, sie würde eine hybride HV bevorzugen, also Aktionäre vor Ort in der Halle und zugeschaltet vor den Bildschirmen. "Sodass wir einerseits vor Ort das Flair haben und andererseits auch Anleger auf der ganzen Welt dazuschalten können."
Lob für die Geschäftsentwicklung von Siemens - Ärger über Aktienkurs
Für die Geschäftsentwicklung gab es von Investorenseite vor allem Lob. Siemens habe im vergangenen Jahr trotz der schwierigen Weltlage einen Rekordgewinn erwirtschaftet. Allerdings bemängelten die Vertreter von großen Fondsgesellschaften wie auch von Kleinanlegerverbänden, dass sich der Kurs der Siemens-Aktie in den vergangenen Jahren nicht so gut entwickelt habe, wie die Papiere von Konkurrenten wie Schneider Electric oder ABB.
Außerdem müsse man überlegen, ob die heutige Aufstellung ideal sei, hieß es von Investorenseite. So forderte Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka, der Konzern sollte zum Beispiel seine Beteiligung an Siemens Healthineers reduzieren. Ins neue Geschäftsjahr ist Siemens mit weiteren Zuwächsen gestartet. Der Gewinn nach Steuern sprang im abgelaufenen Quartal um 56 Prozent nach oben - auf 2,5 Milliarden Euro.
Siemenschef Busch: gutes Portfolio aus Soft- und Hardware
Vorstandschef Roland Busch zeigte sich mit der Entwicklung zufrieden. Man habe ein Portfolio aus Hardware und Software. "Wir sagen immer: Wir verbinden die reale mit der digitalen Welt, besser als jedes andere Unternehmen." Siemens setze dabei KI ein, um diese Technologien noch zugänglicher zu machen, so Busch. Die Nachfrage dazu sehe man im Markt, egal ob bei Software, Automatisierung oder Elektrifizierung. "Deswegen hatten wir einen sehr guten Start. Und deswegen können wir auch den Ausblick für das gesamte Geschäftsjahr bestätigen. Für alle Geschäfte.“
Busch: Ausländerfeindlichkeit und Rassismus auch wirtschaftlich verheerend
Roland Busch nahm auch Stellung zu den Demonstrationen gegen Rassismus und Rechtsextremismus, an denen in den vergangenen Wochen Millionen von Menschen teilgenommen haben. Ausländerfeindlichkeit und Rassismus seien nicht nur menschenverachtend, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht verheerend. Ein Land wie Deutschland sei auf Innovationen, auf den Austausch von Ideen und auf kluge Köpfe aus aller Welt angewiesen, sagte er dem Bayerischen Rundfunk am Rande der Hauptversammlung:
"Wir haben eine ganz klare Position: Innovationskraft wird auch erzeugt durch diverse Teams. Durch eine offene, diverse Kultur. Die besten Menschen anziehen. Die sollen sich hier auch wohlfühlen. Dafür steht Deutschland, dafür steht Siemens, und dafür müssen wir eintreten. Alles andere wird das, was wir uns erarbeitet haben auf lange Zeit kaputtmachen. Und das wollen wir nicht." Roland Busch, Siemenschef
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Der Siemenschef äußerste sich auch zu der aktuell schwierigen konjunkturellen Lage in der Bundesrepublik. Um wieder Schwung in die wirtschaftliche Entwicklung zu bringen, brauche man mehr Zuwanderung von Fachkräften, die bessere finanzielle Unterstützung von Forschung und Entwicklung, in Universitäten und im Ausbildungssystem, sowie eine deutlich modernisierte Infrastruktur.
Im Video: Siemens startet mit Gewinnsprung ins Geschäftsjahr
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