Ob Erlangen, Regensburg, Würzburg, München oder Augsburg – am Dienstagmittag sind mehrere tausend Beschäftigte von Kliniken, Universitäten, Verwaltungen und Kultur für mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße gegangen. Trotz Temperaturen nahe dem Nullpunkt und vereistem Boden versammelten sich zahlreiche Beschäftigte des öffentlichen Dienstes mit Bannern, Schildern und Trillerpfeifen am Odeonsplatz in München und zogen von dort durch das Uni-Viertel. Nach Angaben der Polizei beteiligten sich 10.000 Menschen an der Streik-Veranstaltung.
Verdi rief zum Warnstreik auf
Zwei Tage bevor die Verhandlungen mit den Arbeitgebern fortgesetzt werden, hatte Verdi alle Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder zum Warnstreik aufgerufen. Den Streikenden geht es dabei nicht nur um mehr Geld, auch bessere Arbeitsbedingungen und mehr Wertschätzung stehen im Vordergrund. "Immer weniger Beschäftigte müssen die gleiche oder sogar mehr Arbeit machen", sagte eine Angestellte des Uniklinikums dem BR. "Die Wartezeiten werden immer länger, die Menschen sind deswegen nicht gut drauf und wir bekommen das ab. Dabei sind wir selbst damit unzufrieden."
Uni-Kliniken: Notdienst ist gesichert
Die Uni-Kliniken haben mit der Gewerkschaft Verdi Notdienstvereinbarungen getroffen. Damit sei geregelt, dass eine Mindestzahl an Klinikbeschäftigten im Einsatz sei, heißt es. Die Versorgung aller Notfälle und schwerstkranker Patienten sei gesichert.
Bei der Betreuung der übrigen Patienten komme es aber zu Einschränkungen, kündigten die Klinikleitungen an. Konkret werden geplante Operationen abgesagt, wenn sie aus medizinischer Sicht nicht sofort stattfinden müssen. Die betroffenen Patienten seien vorab informiert worden.
Auch Warnstreik bei Ämtern, Gerichten, Hochschulen, Polizei
Neben den Uni-Kliniken werden Universitäten, Hochschulen, Studierendenwerke, Staatsanwaltschaften, Amts- und Landgerichte, Straßenmeistereien, Theater sowie Finanz- und Bauämter bestreikt. Auch Angestellte der Polizei, Beschäftigte am Bayernhafen in Bamberg oder an der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim sollen ihre Arbeit für einen Tag niederlegen. "Die Streikbereitschaft ist sehr groß", sagt der schwäbische Verdi-Gewerkschaftssekretär Win Windisch.
Verdi: "Klinikbeschäftigte erschöpft und unterbezahlt"
Eine große Streikbereitschaft hat auch sein Kollege Stefan Kimmel in Unterfranken beobachtet. Besonders groß sei die Bereitschaft an den Uni-Kliniken, so Kimmel. Allein in Würzburg etwa hätten sich am ersten Streiktag am 23. November 800 Menschen beteiligt, am zweiten noch einmal 450, darunter viele Beschäftigte an der Uniklinik.
"Klinikbeschäftigte sind erschöpft und unterbezahlt (…). Dass sie jetzt nach zwei Verhandlungsrunden von ihren Arbeitgebern nicht mal ein Gegenangebot vorgelegt bekommen, stößt auf sehr viel Emotionen – von Wut bis Enttäuschung ist alles dabei", sagte der Gewerkschafter laut Mitteilung. "Fakt ist: Wir brauchen alle eine starke Pflege für ein gesundes Leben."
Kundgebungen in Erlangen und München
In Erlangen sollte an diesem Dienstag eine zentrale Streikkundgebung stattfinden. Dazu erwartete Verdi bis zu 3.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Streikenden wollten sich um 8 Uhr zunächst auf dem Theaterplatz in Erlangen treffen, um ab 10.30 Uhr vor das Rathaus zu ziehen. Dort sollte die Abschlusskundgebung für Nordbayern stattfinden.
Die zentrale Streikkundgebung für Südbayern fand in München statt. Dort wurden etwa 7.000 Teilnehmer erwartet. Um 10.30 Uhr versammelten sich die Streikenden auf dem Odeonsplatz, anschließend war ein Demonstrationszug durch das Univiertel geplant. Ab 12 Uhr sollte vor der Feldherrnhalle eine Kundgebung stattfinden.
Warnstreik schon am Montag in Regensburg
Bereits am Montag hatten laut einem Verdi-Sprecher in Regensburg rund 1.000 Beschäftigte der Uniklinik und der US-Streitkräfte gemeinsam für bessere Löhne gestreikt. Am Vormittag trafen sich die Streikteilnehmer zu einer Kundgebung am Regensburger Domplatz. Neben Beschäftigten der Uni-Klinik und der US-Truppenübungsplätze in Vilseck, Grafenwöhr und Hohenfels beteiligten sich weitere Länderbeschäftigte wie etwa die der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, der Uni Regensburg und des Studierendenwerks Niederbayern/Oberpfalz.
Forderung: Mindestens 500 Euro mehr
Verdi fordert für die 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Bayern unter anderem 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 500 Euro mehr pro Monat. Außerdem sollen Auszubildende unbefristet übernommen werden.
Die Tarifgemeinschaft der Bundesländer weist die Forderung als nicht finanzierbar zurück, auch wenn der Verhandlungsführer der Länder, der Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), Verständnis für die Forderungen zeigte. Er fürchtet jedoch, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zum Bundeshaushalt negative Auswirkungen auf die Kassenlage der Länder hat. "Das mindert einfach den Verteilungsspielraum, das ist einfach Fakt", sagte er. Die nächste Verhandlungsrunde soll am Donnerstag stattfinden. Der Münchner Verdi-Chef Heiner Birner sagte am Rande des Streiks dem BR: "Deshalb machen wir heute nochmal Druck, damit am 7. und 8. Dezember eine Einigung erzielt werden kann."
- Zum Artikel: 10,5 Prozent: Das fordern Gewerkschaften für Länder-Bedienstete
Anmerkung (5.12.23, 6.41 Uhr): In einer früheren Version dieses Textes stand, dass auch Polizeibeamte ihre Arbeit für einen Tag niederlegen sollen. Das war ein Fehler, Polizeibeamte haben kein Streikrecht. Gemeint sind Angestellte der Polizei. Die Stelle ist entsprechend korrigiert.
Weitere Autoren: Martin Hähnlein, Karin Goeckel, Max Gilbert
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