Gleich zu Beginn des heutigen Prozesstages verlas Oberstaatsanwalt Matthias Bühring eine kurze Erklärung: Ein Strafprozess bemesse sich nicht nach dem Prinzip schneller, höher, weiter und ein Strafurteil nicht nach: schneller, härter, länger, sagte er.
Am 19. Dezember vergangenen Jahres hatte der Richter Markus Födisch in einer Verfügung vorgeschlagen, die in der Anklage aufgeführten Straftatbestände zu beschränken und so das Verfahren zu beschleunigen. "Sowohl der Grundsatz der Verfahrensökonomie als auch des Beschleunigungsgrundsatzes gebieten es nach Auffassung der Kammer, die Verfolgung […] zu beschränken", stand darin unter anderem. Alles andere würde einen "erheblichen Mehraufwand" bedeuten.
Verbliebene Straftaten wiegen schwer
Diesem Vorschlag hat die Staatsanwaltschaft heute zugestimmt: "Die nach der Anregung der Kammer als Verfahrensgegenstand verbleibenden Taten des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs und der gewerbsmäßigen Untreue bilden im Gesamtkomplex einen Großteil der schwerwiegendsten Taten ab und werden voraussichtlich die zu bildende Gesamtstrafe maßgeblich bestimmen", erklärte Oberstaatsanwalt Bühring in der Hauptverhandlung weiter.
Bedeutet im Klartext: Die verbliebenen, mutmaßlich begangenen Taten sind noch so schwerwiegend, dass eine Beschränkung der Anklage nicht zu einer wesentlichen Veränderung eines Urteils führen würde. Ein solches Vorgehen sieht die Strafprozessordnung ausdrücklich vor, konkret die Paragrafen 154 und 154a.
Das Gericht muss die Verfügung jetzt formell noch umsetzen. Nach Einschätzung von Gerichts-Sprecher Laurent Lafleur werde das "zeitnah erfolgen". Keine Prognose wollte Lafleur über die weitere Dauer des Prozesses wagen: "Zum jetzigen Zeitpunkt wäre eine solche Spekulation höchst unseriös. Durch das Ausscheiden gewisser Verfahrenskomplexe kann das Verfahren aber Tempo aufnehmen, sodass sich die Wahrscheinlichkeit eines zeitnäheren Urteils erhöht."
"Vorverurteilung" - Braun-Verteidigerin kritisiert Staatsanwaltschaft
Die Verteidigerin von Ex-Wirecard-Vorstandschef Markus Braun, Theres Kraußlach, kritisierte das Vorgehen von Gericht und Staatsanwaltschaft direkt nach dem Ende der Verlesung scharf - "weil ich darin eine Vorverurteilung sehe, was Herrn Dr. Braun betrifft". Ihrer Auffassung nach seien noch längst nicht alle offenen Fragen im Wirecard-Skandal geklärt. Das betreffe unter anderem zahlreiche finanzielle Transaktionen aus dem Wirecard-Konzern heraus. Nach ihrer Überzeugung hat eine Bande rund um den nach wie vor flüchtigen ehemaligen Wirecard-Vorstand Jan Marsalek Millionen aus dem Konzern auf Auslandskonten geschleust.
Zu dieser Bande zählt Braun den Mitangeklagten Oliver Bellenhaus, Ex-Statthalter des Zahlungsdienstleisters in Dubai. Auf der Anklagebank sitzt zudem der frühere Chefbuchhalter des einstigen DAX-Konzerns, Stephan von Erffa. Auch er hat im Zuge des Verfahrens die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen.
Wirecard war im Juni 2020 kollabiert, nachdem 1,9 Milliarden Euro, die angeblich auf philippinischen Treuhandkonten liegen sollten, nicht mehr auffindbar waren. Das Geld soll aus dem Geschäft mit ausländischen Drittpartnern bestanden haben. Nach Überzeugung des Insolvenzverwalters und der Staatsanwaltschaft hat dieses Geschäft nie existiert.
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