24 Stunden lang sollen die Bänder still stehen, drei Arbeitsschichten lang läuft in der Neu-Ulmer Fabrik nichts vom Band – keine mit Zucker oder Schokolade überzogenen Oblaten-Lebkuchen, keine Herzen, Sterne oder Brezen für die blauen oder roten Schachteln, keine Pfeffernüsse, keine Stollen. Seit sechs Uhr morgens haben die Mitarbeiter beim Lebkuchenhersteller "Max Weiss" in Neu-Ulm ihre Arbeit niedergelegt. Der Warnstreik soll bis zum Donnerstagmorgen, 6 Uhr, dauern.
Was die Gewerkschaft fordert
Dazu aufgerufen hatte die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Nach einer zentralen Kundgebung vor dem Werk ist für den Vormittag geplant, dass mehr als 150 Mitarbeiter in einem als "stinksauren Süß-Protest" bezeichneten Marsch durch das Neu-Ulmer Gewerbegebiet ziehen.
Ziel sei es, die gesamte Produktion in Neu-Ulm "einmal gründlich auf Null zu fahren", so eine Gewerkschaftssprecherin zum BR. Die Gewerkschaft fordert ein Lohn-Plus von 9,9 Prozent, mindestens 360 Euro mehr pro Monat, 190 Euro mehr für die Azubis pro Ausbildungsjahr.
Insbesondere während der Pandemie hat die Lebkuchenindustrie zweistellige Umsatzzuwächse verzeichnet. Auch die Mitarbeiter des "Max-Weiss"-Werks in Neu-Ulm wollten davon profitieren. Die Gewerkschaft argumentiert, dass man ohne angemessene Lohnsteigerung keine jungen Leute mehr in die Branche locken könne.
Arbeitgeber: Forderung "realitätsfremd und unvorstellbar"
Doch das Angebot des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie liegt weit darunter. Die Arbeitgeber bieten derzeit 2,8 für das erste, 2,1 Prozent mehr Lohn für das zweite Jahr und 40 Euro mehr für die Azubis an. Die Forderung nach 9,9 Prozent mehr Geld bezeichnete eine Sprecherin als "realitätsfremd und unvorstellbar". Deutschlandweit befänden sich die Unternehmen in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation. Das liege auch am Kakaopreis, der sich in den vergangenen Monaten mehr als verdreifacht habe.
Warnstreiks bei verschiedenen Herstellern
Der Protest in Neu-Ulm ist Teil einer bundesweiten Protestwelle. In den vergangenen Tagen waren auch bereits mehrere Standorte in Bayern von Streiks betroffen, darunter Nürnberg und Forchheim. Die nächste Verhandlungsrunde findet am 17. September statt. Die Gewerkschaft hat im Fall eines Scheiterns bereits weitere Arbeitsniederlegungen angekündigt.
Lambertz-Gruppe: Streik ist "ausgesprochen negativ"
Die Lebkuchen-Fabrik "Max-Weiss" gehört zur Lambertz Gruppe und damit zu einer der führenden Unternehmensgruppen der deutschen Süßwarenindustrie. Der internationale Gebäckkonzern teilt dem BR auf Nachfrage mit, dass der Streik in einer "zentral wichtigen Phase" ausgerufen wurde, was sich auf den jeweiligen Standort und die Unternehmensgruppe "ausgesprochen negativ" auswirke.
"Gerade in diesen Wochen produzieren wir für die Herbst- und Wintersaison. Wir befinden uns also in der Hauptproduktionszeit, die für uns von existenzieller Bedeutung ist", teilt ein Sprecher der Lambetz Gruppe mit. Die deutsche Gebäckindustrie sei in den vergangenen Jahren von einem "Kosten-Tsunami" betroffen gewesen, unter anderem bei Rohstoffen, Energie und Logistik. "Wir waren und sind mit einer kostentreibenden Gesamtsituation konfrontiert, wie wir sie bisher noch nie erlebt haben und die uns in der Wettbewerbsfähigkeit deutlich ins Hintertreffen geraten lässt", teilt das Unternehmen mit.
"Wenn nun auch noch, bedingt durch diesen Streik, wesentliche Produktionsausfälle zu verzeichnen sind und wir dementsprechend Lieferverpflichtungen leider nicht einhalten können, ist mit einem großen Schaden zu rechnen." Jede verlorene Stunde und Schicht im komplexen Produktionssystem müsse mit erheblichen Zusatzkosten – etwa mit ausweichenden Produktionseinheiten am Wochenende - nachgeholt werden.
"Max Weiss" produziert das ganze Jahr über
Zu den Produkten der Lebkuchenfabrik "Max Weiss" zählen unter anderem die mit Zucker oder Schokolade überzogenen Weissella-Oblaten-Lebkuchen sowie die Schokolebkuchen in Form von Brezen, Sternen und Herzen. Das Max-Weiss-Werk in Neu-Ulm stellt das ganze Jahr auch Kuchen, Kekse und andere Süßwaren her.
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