Am Christbaum hängt heuer ein wenig Lametta - ein bisschen Glitzer muss doch sein, sagt Josefina Groß. Den Christbaumständer allerdings, den hat sie nicht gefunden. Den hat wohl das Hochwasser verschluckt – wie so vieles damals im Juni. Zwei kleine Spielzeugautos stehen unter dem Baum, die Enkel waren da, an Weihnachten. Endlich wieder. Die Enkel – die sind wichtig für Josefina Groß und ihren Mann.
Das Wasser ist weg - geblieben ist der Öl-Geruch
Nach dem Hochwasser konnten die kleinen Kinder lange nicht kommen. Das Ehepaar Groß ist einer von 250 Haushalten in der kleinen Stadt Wertingen, die vom Wasser zerstört wurden. Das Haus war nur noch Rohbau. Das Wasser war überall hin gelaufen, hatte die Ölheizung im Keller zerstört. Das ausgelaufene Heizöl stank furchtbar und man riecht es immer noch. Dabei haben sie sogar zwei neue Wände eingezogen, um den Geruch fernzuhalten.
Sonst ist nichts mehr zu sehen von den Schäden. Die Böden sind neu. Den Putz an den Wänden, in dem der Ölgeruch hing, hat Familie Groß teilweise mit vereinten Kräften abgetragen. Optisch haben sie das alles wieder hinbekommen, aber sonst hat sich alles verändert. Das Wasser hat viel mit ihnen allen gemacht, sagt Josephine Groß: "Es hat ganz viele Seelen kaputt gemacht. Es hat uns ängstlicher und nachdenklicher gemacht. Es hat ganz andere Menschen aus uns gemacht. Was früher mal war, dass du in den Tag hineingelebt hast, das gibt es nicht mehr. Es ist eine Wunde, die nie mehr heilen wird."
Große Unterstützung nach der Überflutung
Arbeitsreiche Monate liegen hinter ihr, schwere körperliche Arbeit, die für Schmerzen gesorgt hat. Ihr Mann hat sich schwer am Daumen verletzt. Trotz allem hat Familie Groß auch große Hilfsbereitschaft erleben dürfen. Es gab Unterstützung von vielen Seiten. " Es gab Menschen von denen du nicht gedacht hast, dass sie dir helfen", blickt Josephine Groß zurück. Auch wenn man selber jemanden ansprach habe keiner Nein gesagt.
Ein wichtiger Teil der Hilfe war die finanzielle Unterstützung. Neben den staatlichen Soforthilfen spendeten in Wertingen auch Vereine und Privatleute. Es wurden zum Beispiel Konzerte veranstaltet und selbst kurz vor Weihnachten gingen, nach vorweihnachtlichen Sammelaktionen, nochmal Spenden ein, so dass über 310.000 Euro verteilt werden können. Von der Stadt Wertingen heißt es, dass 140 Haushalte neben staatlichen Hilfen auch Unterstützung von der Stadt beantragt hätten. Laut einer Sprecherin der Stadt hätten die, die ihre Schäden auch mit Hilfe der staatlichen Hilfen selber stemmen konnten, auf Anträge bei der Stadt verzichtet, zu Gunsten derer, die weniger Geld haben.
Fast alle Häuser in Wertingen wieder bewohnt
Wer durch die damals betroffenen Gebiete Wertingens fährt, sieht in vielen Gärten noch Bretter und Schutt. Fast alle Bewohner konnten allerdings inzwischen in ihre Häuser zurückkehren und auch Weihnachten dort feiern. Das Ehepaar Groß hätte es ohne die Unterstützung nicht so schnell geschafft. "Ich bin dankbar für das, was ich bekommen habe", sagt Josefina Groß und schaut auf ihren Weihnachtsbaum. Die elektrischen Kerzen brennen, das Lametta glitzert. Für den Moment ist sie zufrieden. Sie geht ab 1. Januar in Rente und hat dann wieder mehr Zeit für die Enkel.
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