Es war der Abschluss der Protestwoche des Bayerischen Bauernverbands (BBV): Auf dem Nürnberger Volksfestplatz standen rund 5.000 Menschen und etwa 2.500 Fahrzeuge. Das Motto: "Zu viel ist zu viel! Jetzt ist Schluss!" Der bayerische Bauern-Präsident Günther Felßner forderte eine "bessere Politik" für die Bauern. "In Deutschland stimmt was nicht mit der Regierung", sagte er in Nürnberg. "Wir brauchen bessere Politik der Ampel in Berlin", so Felßner. Wenn das nicht gelinge, solle die Ampel "Platz für eine bessere Politik" machen.
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In den vergangenen Jahren hätten die Bauern "zu viele Kröten schlucken" müssen, unter anderem Lösungen zum Wolfsabschuss, so Felßner. Die genannten Einsparpläne seien "Kröte Nummer zwölf und 13", das sei nun zu viel. In der kommenden Woche werde man sich in Berlin an den Verhandlungstisch setzen. Wenn dies aber zu keinem Ergebnis führe, soll es weitere Proteste geben. "Wir hören erst auf, wenn wir am Ziel sind." Als mögliche Einsparmöglichkeiten für den Bundeshaushalt nannte Felßner unter anderem die Besteuerung von Flugbenzin.
Felßner distanziert sich erneut von Extremisten
Zugleich distanzierte sich Felßner erneut von Extremisten, die sich zum Beispiel in München unter die Demonstranten gemischt hatten. Die Bauern seien nicht rechts, sondern die "Mitte der Bevölkerung". Zu Umsturzfanatikern habe man deutlich gesagt, dass sie gar nicht zu kommen brauchten.
Die Bauern wehren sich seit Wochen gegen Kürzungen in ihrem Bereich, mit denen Lücken im Haushalt für 2024 gestopft werden sollen. Die Ampel-Spitzen waren ihnen zuletzt in Teilen entgegengekommen.
Söder sagt Bauern Unterstützung zu
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte den Landwirten "100 Prozent Unterstützung" zu. Die Berliner Maßnahmen müssten weg. Söder forderte zudem eine Entschuldigung der Bundesregierung. Die Landwirtschaft sei die Grundlage der Ernährung. Ohne Bauern gebe es "kein gutes Deutschland und kein gutes Bayern". Söder warnte vor Gefahren, die entstünden, wenn im eigenen Land nichts mehr produziert würde: "Bei der Ernährung sind wir noch selbständig. Wir müssen endlich kapieren, dass die Landwirtschaft Grundlage für die Ernährung ist. Wer das nicht begreift, versündigt sich am deutschen Volk", sagte Söder. Der CSU-Chef betonte zudem, es müsse Schluss sein mit der einseitigen Belastung der ländlichen Räume. Söder bekam für seine Worte nicht nur Applaus, von Teilen des Publikums wurde er auch ausgebuht.
Die FDP-Bundestagsabgeordnete Kristine Lütke aus dem Wahlkreis Roth wurde von den Teilnehmern der Demonstration schon mit Pfiffen empfangen. Sie zeigte zwar Verständnis für die Sorgen und den Frust der Landwirte, wies aber auch auf die Fehler der Vorgängerregierungen und die "jahrzehntelange schlechte Landwirtschaftspolitik" hin. "Je größer der Misthaufen ist, desto länger dauert eben auch das Wegräumen", sagte die Politikerin.
Bauer: "Es geht um das Ganze"
Vielen Landwirten geht es nicht nur um die geplanten Kürzungen der Subventionen des Agrardiesels. "Es geht um das Ganze, es geht um alles. Es wird immer schlimmer, die ganze Bürokratie. Wir hocken mehr im Büro, als wir arbeiten", sagte ein Teilnehmer BR24. Ein anderer meinte, es gehe ihm nicht so sehr um die Diesel-Subvention, sondern vielmehr um die weiteren Schritte. "Sie wollen dann ja noch mehr von unseren Subventionen abzapfen." Ein anderer meinte, ein Teil sei ja schon zurückgenommen worden, aber die Landwirte müssten sich sicher darauf einstellen, dass sie mehrere Kürzungen bekommen werden. Ein weiterer Punkt, der die Landwirte belastet, ist die fehlende Planungssicherheit. Und da stellt sich für viele die Frage: "Lohnt sich die Landwirtschaft noch in der Zukunft?", sagte ein Bauer.
Wie Polizei, Bauernverband und die Stadt Nürnberg mitteilen, fand zuvor eine Traktoren-Sternfahrt über sieben verschiedene Routen nach Nürnberg statt. Es kam teils zu erheblichen Behinderungen. Auch am Nachmittag wird erneut mit Behinderungen gerechnet. Laut Polizei gab es bislang keine größeren Probleme mit den Protestierenden, alles spiele sich im Rahmen des genehmigten Protests ab. Auf dem Weg zum Volksfestplatz seien zwei Traktoren am Morgen zusammengestoßen. Laut Polizei wurde eine Person mit einer Kopfverletzung in ein Krankenhaus gebracht.
Konkurrenz in der Staatsregierung: Wer darf wo reden?
In der Staatsregierung herrscht im Zusammenhang mit den Bauernprotesten offenbar eine gewisse Missstimmung. Anlass scheint eine Art Wettlauf um Reden auf den Bauernkundgebungen zu sen. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) beklagte sich am Freitag über Versuche der CSU, seine Auftritte auf großen Kundgebungen zu blockieren: "Mich wundert schon ein bisschen, dass die CSU so eifersüchtig meine Auftritte beobachtet", sagte der Freie Wähler-Chef auf Anfrage. "Die sollen ihre Arbeit tun und sollen mir nicht ständig sagen, wo ich nicht hindürfte. Ich gehe überall hin, wo das Volk mich ruft", so der stellvertretende Ministerpräsident weiter. "Da brauche ich keine Tipps von der CSU dazu."
Der Hintergrund: Aiwanger ist von Beruf Landwirt, aber als Wirtschaftsminister nicht zuständig für die Agrarpolitik. Diese fällt ins Ressort der Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU). In der CSU werden Aiwanger seine zahlreichen Wortmeldungen zur Landwirtschaft verübelt; häufig verbunden mit dem Vorwurf, populistisch auch gegen Beschlüsse zu opponieren, die die Freien Wähler in der bayerischen Koalition eigentlich mittragen. Darüber hinaus sind CSU und Bauernverband nicht nur politisch, sondern auch personell verbandelt: Der bayerische Bauernpräsident Günther Felßner ist für die CSU kommunalpolitisch aktiv. Aiwanger ist in den vergangenen Tagen bei vielen Bauernkundgebungen als Redner aufgetreten, nicht jedoch auf einer der drei großen Veranstaltungen in München, Augsburg und Nürnberg.
Im BR24live: So liefen die Bauernproteste in Nürnberg
Auch in anderen Teilen Bayern kam es heutezu Protesten der Landwirte: So fand auf dem Dillinger Festplatz eine Bauerndemonstration statt. Anschließend wollten die Landwirte mit ihren Traktoren durch die Stadt fahren. Auch in der Oberpfalz gingen die Proteste weiter, unter anderem im Raum Amberg und Furth im Wald.
Abladen von Mist und Stroh ist untersagt
Der Bauernverband wolle "hart, aber fair unter Wahrung von Recht und Ordnung" protestieren, heißt es auf der Webseite des BBV. Der Protest richte sich an die Bundesregierung. "Wir wollen hart sein in der Sache, aber dabei angemessen vorgehen", heißt es vom BBV in Richtung der Teilnehmenden. Demnach sind unter anderem das Mitbringen oder Abladen von Mist und Stroh untersagt.
Während der Protestwoche ist es seit dem 8. Januar immer wieder zu möglichen Rechtsverletzungen durch demonstrierende Landwirte gekommen. So ermittelt die Kriminalpolizei zum Beispiel gegen zwei Bauern im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen wegen des Verdachts der Nötigung. Ihre Traktoren versperrten eine Bundesstraße über mehrere Stunden – angeblich aufgrund mehrerer technischer Defekte.
BBV distanziert sich von Rechtsextremen
Angesichts der Protestwoche der Landwirte gab und gibt es Befürchtungen, Rechtsextreme könnten Demonstrationen und weitere Aktionen der Bauern unterwandern. Bei einer Kundgebung auf dem Odeonsplatz in München waren beispielsweise mehrere Traktoren mit Reichsflagge unterwegs, zudem wurden mehrere rechte beziehungsweise demokratiefeindliche Symbole gezeigt. Laut dem Bauernverband sind rechte Teilnehmer bei den Protesten unerwünscht.
Bundesagrarminister Cem Özdemir äußerte mit Blick auf die Bauernproteste Kritik an der vorherigen Regierung. "Der Karren ist so tief im Dreck, um mal bildlich zu sprechen, dass wir alle miteinander arbeiten sollten und jetzt nicht so sehr Parteipolitik machen sollten, wie es meine Vorgängerin vorher gemacht hat", sagte der Grünen-Politiker im "Morgenmagazin" von ZDF und ARD. Vor Özdemir war die CDU-Politikerin Julia Klöckner für das Agrarressort zuständig.
Ethikratsvorsitzende mahnt zu respektvollem Miteinander
Die Ethikratsvorsitzende Alena Buyx mahnte zu einem differenzierten Blick. "Protest ist immer total wichtig, das gehört zu einer Demokratie dazu", sagte Buyx im "Morgenmagazin". Aber Unterwanderungen durch rechte und demokratiefeindliche Gruppierungen bereiteten ihr Sorge. Sie wünsche sich ein respektvolleres Miteinander. "Letztendlich sitzen wir in diesem Boot einer Gesellschaft doch alle gemeinsam", sagt die Medizinethikerin von der Technischen Universität München. "Wut und Empörung sind nachvollziehbar, aber sie sind eben auch nicht das, was helfen wird", sagt Buyx.
Die ganze Woche über haben Bauern überall in Bayern ihrem Unmut über die Kürzungspläne der Ampelregierung mit Traktorfahrten, Kundgebungen, Mahnwachen und Konvois Luft gemacht und dabei zum Teil den Verkehr zum Erliegen gebracht. Schon am Montag beteiligten sich in ganz Bayern Zehntausende an den deutschlandweiten Protesten. Aber auch an den folgenden Tagen kam es zu zahlreichen Aktionen. So protestierten am Mittwoch Landwirte mit mehr als 1.000 Traktoren gegen die Subventionskürzungspläne der Bundesregierung bei einer zentralen Kundgebung in Augsburg.
Weitere Bauernproteste angedroht
Mit der Kundgebung soll die erste Protestwoche abgeschlossen werden. Doch der Präsident des Bayerischen Bauernverbands, Felßner, hatte zuvor bereits mit weiterem verschärften Protest gedroht, sollte die Bundesregierung nicht auch beim Agrardiesel weitere Zugeständnisse machen. Er stellte einen "Januar, wie ihn das Land noch nicht erlebt hat" in Aussicht. Es gebe "jede Menge Ideen, wie man das Land eventuell lahmlegen" könne, sagt Felßner BR24.
Anfang nächster Woche will sich Bundesfinanzminister Christian Lindner den protestierenden Landwirten stellen. Der FDP-Chef soll am Montagmittag bei einer Demonstration des Bauernverbands vor dem Brandenburger Tor in Berlin reden, wie das Finanzministerium mitteilte.
Zu der Abschlusskundgebung in Berlin am Montag werden unter anderem auch Landwirte aus Schwaben fahren. Die Bauern hätten noch nicht erreicht, was sie wollten, sagt Schwabens Bezirkspräsident im Bauernverband, Stefan Bissinger, im Gespräch mit dem BR. Sie forderten weiter, dass die Rückerstattung für den Agrardiesel und die Steuerfreiheit für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge komplett beibehalten wird.
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Mit Informationen von dpa, epd
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