Rund 10.000 Menschen nehmen sich in Deutschland jedes Jahr das Leben. In Bayern gab es im vergangenen Jahr 1.800 Suizidfälle. Betroffen von einem Selbstmord sind nicht nur Partner und Kinder. Zu jedem dieser Menschen gehört ein Umkreis von bis zu 15 engen Angehörigen. Diese Personen müssen mit der Tat, der Trauer und offenen Fragen weiterleben.
Der Verein Agus – kurz für: Angehörige um Suizid – aus Bayreuth kümmert sich Suizid-Hinterbliebene, an diesem Wochenende findet die Jahrestagung des Vereins im Fichtelgebirge in Bad Alexandersbad statt.
200 Angehörige von Suizid in Bad Alexandersbad
In Bad Alexandersbad werden Angehörige aus ganz Deutschland erwartet. "Es ist die größte Veranstaltung dieser Art in ganz Deutschland, hier kommen 200 Suizid-Hinterbliebene zusammen. Wir wollen den Menschen ermöglichen, dass sie es mit eigenen Kräften schaffen, dieses Ereignis zu meistern und wieder ins Leben zurückzukehren", so Jörg Schmidt, Leiter von Agus.
Hierzu gibt es unterschiedliche Workshops zum Thema Resilienz oder Selbstfürsorge. Angeboten werden auch Wanderungen und spezielle Gesprächsrunden wie die "Young Survivors" für Kinder und Jugendliche zwischen acht und 18 Jahren. 1.200 Mitglieder hat der Verein mittlerweile in Deutschland.
Hilfe durch Betroffene
Wie wichtig die Arbeit von Agus ist, hat Elfie Loser selbst erfahren. Sie kam Anfang der 90er Jahre durch Zufall zu Agus. Eine Arbeitskollegin hatte sie auf den Verein aufmerksam gemacht. Elfie Loser hatte damals ihren Partner mit 30 Jahren durch Suizid verloren. Seitdem ist Agus ihr Leben geworden, oder zumindest ein sehr großer Teil davon. Sie fand selbst im Verein eine "Schicksalsgemeinschaft", wie sie es nennt. Der Austausch mit anderen, die monatlichen, geschützten Treffen und die Verbundenheit hatten ihr selbst geholfen. Jetzt hilft sie anderen.
Wie ein Streckenposten beim Marathon
Wenn bei ihr das Telefon klingelt, dann sind Menschen dran, die gerade jemanden verloren haben. Keine leichte Aufgabe, die sie nur mit viel Mut und mit ihrer eigenen Erfahrung meistern kann. Sie sieht sich und ihre Hilfe wie einen Streckenposten beim Marathon: "Ich begleite den Trauernden, ich rufe ihm zu, ich mache Mut, ich reiche Wasser – aber laufen muss er selbst", so Elfie Loser im BR24-Gespräch.
"Liebe ist in diesen Fällen machtlos"
Das Schwierige für die meisten Angehörigen ist die Frage nach dem Warum. Darum dreht sich auch oft die Arbeit bei Argus. "Was passiert ist, steht in der Verantwortung des Menschen, der sein Leben beendet hat. Ich habe nicht die Macht, das zu beeinflussen. Und auch Liebe ist in diesen Fällen machtlos", sagt Loser.
Bundesverdienstkreuz für ihr Engagement
Mit mitfühlenden, aber klaren Worten, Pragmatismus und einer Prise Humor steht sie den Angehörigen zur Seite. Seit 2008 auch hauptberuflich, für ihr Engagement hat sie sogar das Bundesverdienstkreuz bekommen.
110 Agus-Gruppen gibt es in Deutschland. Wer Hilfe benötigt: Über eine Postleitzahlsuche kann auf der Website von Agus nach der nächstgelegenen Gruppe gesucht werden.
Der Bayerische Rundfunk berichtet - vor allem wegen möglicher Nachahmer-Effekte - in der Regel nicht über Suizide oder Suizidversuche, außer die zuständige Redaktion sieht es durch die Umstände der Tat geboten. Sollten Sie selbst Hilfe benötigen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Beratung erhalten Sie unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222.
Weitere Hilfsangebote gibt es bei der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.
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