Hubert Aiwanger 2023 beim Zwischenausschuss im Landtag.
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Hubert Aiwanger 2023 beim Zwischenausschuss im Landtag.

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Ein Jahr Flugblattaffäre: Zeigte Aiwanger "Reue und Demut"?

Vor fast einem Jahr hat ein antisemitisches Flugblatt aus dem Schulranzen von Hubert Aiwanger die bayerische Politik aufgewirbelt. Er wurde aufgefordert, "Reue zu zeigen" und "Vertrauen zurückzugewinnen". Doch viel scheint seitdem nicht passiert.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Es war mitten im Landtagswahlkampf, als Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger plötzlich um sein politisches Überleben kämpfte. Ende August 2023 wurden Vorwürfe um ein antisemitisches Flugblatt aus seiner Jugendzeit öffentlich. Zwar gab sich später sein älterer Bruder Helmut als Verfasser des judenfeindlichen Pamphlets zu erkennen, doch blieben Fragen offen. Die Kritik an Aiwanger dauerte an - vor allem in Bezug auf dessen Umgang mit der Affäre.

Von "Reue und Demut": Hausaufgaben für Aiwanger

Von mehreren Seiten wurde der Vize-Ministerpräsident aufgefordert, Reue zu zeigen. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, legte Aiwanger einen Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau nahe. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ließ seinen Stellvertreter im Amt, riet ihm aber, "Reue und Demut" zu zeigen. Aiwanger müsse daran arbeiten, "verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen", und solle das Gespräch mit jüdischen Gemeinden suchen.

Gleiches bekam Aiwanger aus der eigenen Partei zu hören. Der Fraktionschef der Freien Wähler, Florian Streibl, forderte: "Auch wir als Fraktion erwarten, dass Hubert Aiwanger alles tut, um verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen, insbesondere bei unseren jüdischen Geschwistern."

Was ist seitdem passiert?

Eine KZ-Gedenkstätte besuchen, Kontakt zu jüdischen Gemeinden aufbauen und Vertrauen zurückgewinnen: Welche dieser Aufgaben hat er abgearbeitet?

Aiwangers Antwort darauf fällt kurz aus: "Es gibt immer wieder Kontakte in die jüdischen Gemeinden. Ich werde mich zu dem Thema darüber hinaus nicht mehr äußern."

Aiwangers Verhältnis zu den jüdischen Gemeinden

Auch Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, schweigt. Im September 2023, auf dem Höhepunkt der Flugblattaffäre, hatte sie mit Aiwanger telefoniert, betonte anschließend aber, sie nehme seine Bitte um Entschuldigung nicht an.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, berichtete damals von einem "sachlichen Gespräch" mit Aiwanger. Weitere Gespräche oder Treffen habe es seither nicht gegeben, teilt Schuster auf BR24-Nachfrage mit. Nachgehakt bei mehreren jüdischen Gemeinden in Bayern, heißt es: Aiwanger habe sich bei ihnen nicht gemeldet. Mehr wollen sie nicht sagen.

KZ-Gedenkstätten: Keine offiziellen Besuche

Auch eine bayerische Gedenkstätte scheint Aiwanger nach der Flugblattaffäre nicht besucht zu haben - zumindest nicht öffentlich. Die Stiftung Bayerische Gedenkstätten, die für die KZ-Gedenkstätten in Dachau und Flossenbürg zuständig ist, teilt mit: "Ein offizieller Besuch in einer bayerischen KZ-Gedenkstätte hat seither nicht stattgefunden."

Jörg Skriebeleit, Leiter der Gedenkstätte Flossenbürg, bestätigt das: "Es gab keinen Besuch von Aiwanger in Flossenbürg und auch keine diesbezügliche Anfrage." Allerdings hatte die KZ-Gedenkstätte Dachau einen Besuch seinerzeit abgelehnt: Man wolle die Gedenkstätte nicht zur Bühne machen, hieß es im September 2023. Der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Karl Freller (CSU), versicherte BR24 jedoch: Mittlerweile könne er sich einen Besuch Aiwangers durchaus vorstellen - ohne großen Journalisten-Tross. Und privat könne ohnehin jeder eine Gedenkstätte besuchen.

Hoffnung liegt in Israel-Reise

Und Markus Söder? Ob er seine Forderungen von damals erfüllt sieht, dazu will sich der Ministerpräsident aktuell nicht äußern. FW-Fraktionschef Streibl hält die Flugblattaffäre für "aufgearbeitet". Offene Fragen seien beantwortet. Auf die Frage, ob er mit Aiwangers Aufarbeitung zufrieden sei, betont Streibl aber: "Man kann immer mehr erwarten und erhoffen." Verloren gegangenes Vertrauen gewinne man allerdings nicht an einem Tag und mit einem einzigen Gespräch zurück. Insofern habe er "große Hoffnung und Erwartungen in die Israel-Reise von Hubert Aiwanger gesetzt".

Die hätte Ende Juli stattfinden sollen, wurde aber wegen der unsicheren Lage im Nahen Osten verschoben. Die Generalkonsulin des Staates Israel für Süddeutschland hatte Aiwanger nach Tel Aviv eingeladen. Die Reise soll nachgeholt werden, sobald die Sicherheitslage das zulässt. "Das halte ich für ein wichtiges Signal an die jüdische Gemeinde", sagt Streibl.

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