Eingang zu einer Klinik
Bildrechte: BR
Videobeitrag

Immer mehr Kliniken auf dem Land müssen sich einschränken. Die Klinik Neuendettelsau hat seit heute die Notaufnahme geschlossen.

Videobeitrag
>

Sterben auf Raten: Kleine Kliniken müssen Versorgung reduzieren

Sterben auf Raten: Kleine Kliniken müssen Versorgung reduzieren

Es ist ein Sterben auf Raten: Ende des Jahres schließt die Klinik Neuendettelsau ihre stationäre Patientenversorgung. Nun ist bereits die Notaufnahme dicht. Auch andere Kliniken in Bayern müssen die Versorgung einschränken. Die Finanznot ist groß.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Keine Notaufnahme in Neuendettelsau, keine stationären Behandlungen im Krankenhaus Selb, das Krankenhaus Tirschenreuth wird zum ambulanten Operationszentrum – landauf, landab werden Kliniken umstrukturiert, die Patientenversorgung eingeschränkt. Die Bürgerinnen und Bürger haben dafür oft wenig Verständnis und protestieren. Doch für viele der kleinen Krankenhäuser geht es schlicht ums Überleben. Oder darum, wenigstens eine eingeschränkte medizinische Versorgung vor Ort zu retten.

Die Bayerische Krankenhausgesellschaft rechnet damit, dass acht von zehn Kliniken dieses Jahr Verluste machen. Viele davon sind in kommunaler Trägerschaft.

Schließung der Notaufnahme "normaler Gang der Dinge"

Dass die Klinik Neuendettelsau bis zum Ende des Jahres aus finanziellen Gründen schließt, ist schon seit Anfang September bekannt. Doch dass die Notaufnahme schon heute mit sofortiger Wirkung dichtmacht, war für viele überraschend. Diese Information veröffentlichte das Klinikunternehmen Diakoneo in einem Instagrampost. Auf Nachfrage von BR24 teilte ein Diakoneo-Sprecher mit, dass dies im Hinblick auf die Schließung der Klinik Neuendettelsau zum Jahresende der normale Gang der Dinge sei. Weitere Angaben machte das Unternehmen nicht.

Klinik Neuendettelsau wird medizinisches Versorgungszentrum

In Notfällen sollen sich die Patientinnen und Patienten nach Diakoneo-Angaben an umliegende Krankenhäuser wenden – wie beispielsweise Schwabach oder Ansbach. Die Notaufnahme der Diakoneo-Klinik in Schwabach bleibe erhalten. Auch aktuell geplante Operationen in Neuendettelsau seien durch die Schließung der Notaufnahme nicht gefährdet, heißt es weiter. Doch zum Ende des Jahres hat Neuendettelsau keine Klinik mehr, sondern nur noch ein medizinisches Versorgungszentrum ohne stationäre Patientenversorgung. Aktuell ist es ein MVZ für Orthopädie, Unfallchirurgie und Allgemeinchirurgie. Diakoneo will es aber nach eigenen Angabe weiter ausbauen.

Geriatrie-Klinik in Erbendorf schließt

Auch die Kliniken Nordoberpfalz haben heute ihre Umstrukturierung bekannt gegeben. Es geht um nicht weniger als den Erhalt der medizinischen Versorgung in den Landkreisen Tirschenreuth, Neustadt an der Waldnaab sowie in der Stadt Weiden. Dieser ist mit einschneidenden Veränderungen verbunden: Das Krankenhaus Tirschenreuth wird ab 2024 zum Zentrum für ambulante Operationen, Frauenklinik und Chirurgie werden nach Weiden verlagert. Kinder können dann in Tirschenreuth nicht mehr zur Welt kommen, sondern nur noch in Weiden. In Tirschenreuth wird es dann nur noch einige stationäre Betten geben, falls es bei Operationen zu Komplikationen kommt. Wie viele das sein werden, steht noch nicht fest.

Die Klinik der geriatrischen Rehabilitation in Erbendorf wird geschlossen, die Geriatrie zum Schwerpunkt in Tirschenreuth. Immerhin soll es in Kemnath und Tirschenreuth eine Notfallversorgung geben – aber nur von 8 bis 20 Uhr.

Jahrelange Unterfinanzierung, hohe Defizite

Diese massive Umstrukturierung sei wegen der jahrelangen Unterfinanzierung notwendig, teilten die Kliniken Nordoberpfalz mit. Bis zum Jahr 2026 fehlen dem Kommunalunternehmen nach eigenen Angaben 52 Millionen Euro.

Auch beim Klinikum Fichtelgebirge sind die Defizite so massiv, dass aus Sicht des kommunalen Trägers gehandelt werden muss. Es wird umstrukturiert. Auf zehn Millionen Euro sei das jährliche Defizit angestiegen, rechnete der Wunsiedler Landrat Peter Berek Ende September vor. Um beide Standorte zu erhalten, wird die Klinik Marktredwitz gestärkt, das Krankenhaus Selb jedoch zum "ambulanten Medizincampus" herabgestuft, die Notfallversorgung rund um die Uhr eingestellt. Als Degradierung wollen es die Verantwortlichen jedoch nicht verstanden wissen – sie hoffen auf ambulante Patienten auch aus dem nahen Tschechien.

Bürger kritisieren Klinikschließungen

Aus Sicht vieler Bürgerinnen und Bürger sind die Umstrukturierungen vor allem eine Verschlechterung der medizinischen Versorgung auf dem Land. Immer wieder kritisiert etwa die Aktionsgruppe "Schluss mit Kliniksterben in Bayern", finanzielle Notlagen, wie die von Diakoneo, dürften nicht darüber entscheiden, welchen bayerischen Einwohnern eine wohnortnahe klinische Versorgung zur Verfügung stehe und welchen nicht. Von Land und Bund fordern sie mehr Geld für kleine Krankenhäuser.

In Selb sammelten Bürger in einer Online-Petition, die sich für den Erhalt des örtlichen Krankenhauses einsetzt, innerhalb kurzer Zeit rund 5.500 Unterschriften. Allerdings: Zeitkritische Notfälle wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle bringt der Rettungsdienst schon seit längerer Zeit nicht mehr nach Selb. Dort fehlen schlicht die notwendigen Behandlungsmöglichkeiten. Eine kardiologische und eine neurologische Station gibt es hier nicht.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es in einer Zwischenüberschrift, dass die Klinik Tirschenreuth geschlossen werde. Dies ist nicht der Fall. Es wird jedoch nur noch einige stationäre Betten geben, falls es bei Operationen zu Komplikationen kommt. Diese Information haben wir ergänzt und die Zwischenüberschrift geändert.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!