Luftbild von der über die Ufer getretenen Mindel bei Thannhausen im Juni 2024.
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Hochwasserschutz zwischen Solidarität und steigenden Baukosten

Hochwasserschutz zwischen Solidarität und steigenden Baukosten

Bayerns Gemeinden wollen ihre Bürger vor der nächsten Hochwasserkatastrophe bewahren. Doch Planungsprozesse sind langwierig, manche Gemeinden ringen mit der Finanzierung. Zwei Beispiele aus Schwaben.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Beschaulich fließt der Kötzbach durch die Gemeinde Kötz, der er seinen Namen verdankt. Vor zweieinhalb Monaten wandelte sich das kleine Gewässer im Landkreis Günzburg allerdings zu einem regelrechten Strom. "Die Feuerwehr hatte Sandsackreihen aufgebaut, aber irgendwann hielt das nicht mehr und es lief dann in die Häuser", erzählt Stefan Keppler. Er und andere Anwohner wünschen sich mehr Sicherheit. Seit Jahren wird im Ort über einen Hochwasserschutz debattiert, der Gemeinderat hatte das Thema mehrfach vertagt.

Fördergelder richten sich nach Kosten und Nutzen

"Es gibt zu wenige Häuser, die überschwemmt werden. Der Kosten-Nutzen-Faktor liegt so, dass wir keine Förderung bekommen", erklärt Bürgermeisterin Sabine Ertle. Die Gemeinde, die für den Bach als Gewässer dritter Ordnung selbst zuständig ist, müsste den Hochwasserschutz komplett aus eigenen Mitteln finanzieren.

Den Planungen zufolge sind es drei Millionen Euro, hinzu kämen noch Kosten für entsprechende Grundstücke. Um vor einem hundertjährlichen Hochwasser geschützt zu sein, müssten zwei Becken gebaut werden, von denen eines nicht auf eigener Gemeindeflur liegt. "Das macht die Sache natürlich komplizierter", betont Ertle.

Leuchtturmprojekt im Mindeltal

Ein paar Kilometer weiter östlich geht zumindest auf den ersten Blick vieles einfacher. Hier fließt die Mindel, ein Gewässer erster Ordnung, um das sich das Wasserwirtschaftsamt Donauwörth federführend kümmert. In Thannhausen wurde der Hochwasserschutz rechtzeitig vor der großen Flut in Schwaben fertig. "Wir hatten im Ort kein Hochwasser. Alles, was in Thannhausen keinen Platz mehr hatte, wurde um die Gemeinde herumgeleitet auf die Felder", erklärt Bürgermeister Alois Held. Er steht gerade auf einem Drosselbauwerk, das einer massiven Brücke ähnelt, mit mehreren Durchlässen, um die Wassermenge zu steuern. Deutlich weniger als die Hälfte der Kosten muss die Gemeinde tragen, es gibt Fördermittel vom Freistaat Bayern und der Europäischen Union.

Solidarität unter den Gemeinden

Klaus Bienstock vom Wasserwirtschaftsamt Donauwörth lobt die Zusammenarbeit der einzelnen Mindeltalgemeinden. "Sie ziehen an einem Strang und beteiligen sich gemeinsam an überörtlichen Maßnahmen wie Rückhaltebecken", sagt Bienstock. Doch das Großprojekt hat einen langen Vorlauf. Anfang der Nuller Jahre wurden Gutachten erstellt, 2005 schlossen acht Gemeinden mit dem Freistaat Bayern schließlich eine Rahmenvereinbarung. Zurzeit wird noch in Thannhausen gebaut, als Nächstes soll der Hochwasserschutz Burgau im Jahr 2030 fertig werden, womit Phase eins mit insgesamt vier Standorten beendet wäre. Daran wird sich eine weitere Phase anschließen, die Kommunen wie Jettingen-Scheppach und Offingen umfasst.

Unterstützung vom Freistaat

Bayerns Staatsregierung hatte angekündigt, die Mittel für den Hochwasserschutz noch einmal aufzustocken. In den nächsten Jahren sollen zu den geplanten zwei Milliarden Euro noch zusätzlich hundert Millionen Euro in Hochwasserprojekte fließen.

Die Baukosten für das gesamte Mindeltalprojekt stiegen aber ähnlich unerwartet wie zuletzt mancher Pegel. Sie entsprechen dem Vielfachen der ursprünglichen Planungen von 35 Millionen Euro und dürften am Ende deutlich über 200 Millionen Euro liegen. Nicht alle notwendigen Schutzmaßnahmen in Schwaben lassen sich daher rasch verwirklichen. "Durch eine Priorisierung der Projekte soll eine möglichst reibungslose Umsetzung vor Ort gewährleistet werden. Die Sicherheit der Menschen steht dabei im Mittelpunkt", so ein Sprecher des Umweltministeriums. Wie wichtig einzelne Projekte sind, wird nach bayernweit einheitlichen Kriterien festgelegt.

Hoffen auf mehr Schutz

Bürgermeisterin Ertle in Kötz wünscht sich, dass der Bach im Ort nicht mehr isoliert, sondern zusammen mit der Günz betrachtet wird. Ein gemeinsames Hochwasserkonzept, das den Fluss einschließt, würde vieles einfacher machen, sagt die Bürgermeisterin. "Wir prüfen derzeit auch noch andere Maßnahmen. Etwa ein Schwammdorf zu werden, um einfach mehr Wasser zurückzuhalten. Und wir wollen auch den Bau zumindest eines kleinen Rückhaltebeckens nochmals überlegen", sagt Ertle, die zuversichtlich ist, vom Amt für ländliche Entwicklung vielleicht noch Gelder zu erhalten. Sicherheit vor einem Jahrhunderthochwasser werden diese Maßnahmen nicht bieten. Anlieger Stefan Keppler hofft, dass sie ausreichend dimensioniert werden, um sein Fachwerkhaus in Zukunft weitgehend zu schützen. "Nach 2013 und 2024 wünschen wir uns das kein drittes Mal."

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