Seit Ende November stehen der Seeger Bürgermeister Markus Berktold (CSU) und der frühere Leiter einer Pflegeeinrichtung in dem Ostallgäuer Ort vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth. Es geht um Betrug und Untreue. Laut Anklage sollen sie Corona-Hilfen in Millionenhöhe erschlichen haben. In ihrem Plädoyer am Dienstag hatte die Staatsanwaltschaft langjährige Haftstrafen für die beiden Angeklagten gefordert. Heute um 15 Uhr will das Gericht das Urteil verkünden.
Angeklagte entschuldigen sich am letzten Prozesstag
In seinem Schlusswort vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth sagte Markus Berktold, er wisse, dass er vieles falsch gemacht habe und es tue ihm außerordentlich leid. Allerdings bleibe er dabei, dass er von gefälschten Anträgen zur Auszahlung von Corona-Hilfen nichts gewusst habe. "Wenn jemand etwas anderes sagt, dann lügt er", so Berktold. Als die Schließung des Seniorenheims gedroht habe, sei niemand bereit gewesen, das Amt des Geschäftsführers und Vorstands beim Stiftungsverein des Seniorenheims und der Betreibergesellschaft zu übernehmen. "Ich habe mich um das Amt des Geschäftsführers nicht gerissen", sagte Berktold. Auch wenn er sich im Pflegebereich nicht ausgekannt habe, "wollte ich die Sache gut machen. Ich war überzeugt, dass ich was Gutes tue für Seeg und die Menschen".
Zudem habe er durch diese Tätigkeit bis heute nichts verdient. Er habe sich selbst und seine eigenen Fähigkeiten überschätzt und dafür sein Ansehen und seinen Beruf aufs Spiel gesetzt. Geblieben seien ihm nur noch seine Familie und Freunde, die ihn unterstützten, sagte Berktold und bat das Gericht, ihm eine Perspektive für sein weiteres Leben zu geben. Auch der mitangeklagte Heim- und Pflegedienstleiter entschuldigte sich für seine Taten und bedankte sich, dass er fair behandelt worden sei. "Mein Wunsch ist, dass ich so schnell wie möglich zu meiner Familie komme."
Staatsanwaltschaft fordert langjährige Haftstrafen
Zuvor hatte Oberstaatsanwalt Torsten Haase sechs Jahre Haft für den Seeger Bürgermeister Berktold gefordert, unter anderem wegen Betrugs, versuchten Betrugs und Untreue. In seinem Plädoyer erklärte er, aus seiner Sicht hätten beide Angeklagten gemeinsame Sache gemacht, um Geld aus dem Corona-Rettungsschirm in Höhe von rund zwei Millionen Euro zu erhalten. Teilweise sollen sie dafür nachträglich Scheinrechnungen ausgestellt haben. Der Pflege-Rettungsschirm war eingerichtet worden, um Corona-bedingte Mehrkosten für Pflegeeinrichtungen abzufedern.
Der Staatsanwalt machte deutlich, dass er vor allem dem angeklagten Heimleiter glaube. Dieser habe sich selbst erheblich belastet und Justiz und Polizei Fälle enthüllt, von denen diese noch nichts gewusst hätten. Für den Heimleiter beantragte Haase vier Jahre Haft.
Verteidiger plädieren für weniger hohe Strafen
Der Verteidiger von Bürgermeister Markus Berktold, Robert Chasklowicz, betonte in seinem Plädoyer, so wie schon zuvor in der Verhandlung, sein Mandant habe mit den gefälschten Rechnungen und dem Betrug bei den Corona-Hilfen nichts zu tun. Das seien allein die Taten des Heim- und Pflegedienstleiters gewesen, dem er, so wie auch sein Mandant, Lügen unterstellte.
Allerdings räumte der Anwalt die darüber hinaus angeklagten Untreue-Taten seines Mandanten teilweise ein. Unter anderem hatte Berktold mehrere Hunderttausend Euro des Caritas-Stiftungsvereins in Seeg auf Konten einer von ihm gegründeten Pflegefirma und zwischenzeitlich auch auf ein Privatkonto überwiesen. Betrogen habe der Bürgermeister aber nicht, so der Verteidiger. "Er hat von Anfang an nur gute Absichten gehabt und wollte die marode Pflege in Seeg sicherstellen und zukunftsfähig machen." Der Verteidiger hält deshalb eine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten wegen Untreue für den Bürgermeister für angemessen.
Verteidiger des Heimleiters halten Berktold für Haupttäter
Aus Sicht der Verteidiger des Heimleiters haben dieser und der Bürgermeister gemeinsame Sache gemacht, wobei Markus Berktold seinen Angestellten ausgenutzt und manipuliert habe. "Er ist der Meister der Täuschung und handelt mit hoher krimineller Energie", so Verteidiger Franz Heinz. "Er hatte den Hut auf und wusste, was er tat." Dem Bürgermeister habe es gefallen, dass er mehr wusste als alle anderen, die Zügel in der Hand hielt und Druck auf den Heimleiter ausüben konnte. Dieser sei auf den Arbeitsplatz angewiesen gewesen, auch weil er Schulden gehabt habe. Mit dem von ihm unterschlagenen Geld habe er keinen aufwendigen Lebensstil finanziert, sondern lediglich Löcher gestopft, ergänzte der zweite Verteidiger Ulrich Heil. Er beantragte eine Freiheitsstrafe, die deutlich unter den vom Oberstaatsanwalt geforderten vier Jahren liegt.
Pflegedienstleiter soll private Schulden getilgt haben
Über den angeklagten Betrug in Seeg hinaus soll der Pflegedienstleiter zusammen mit seiner Frau weitere 270.000 Euro unrechtmäßig aus dem Pflegerettungsschirm für einen von ihnen 2022 neu gegründeten Pflegedienst geltend gemacht haben. Dieses Geld hat er laut Staatsanwaltschaft genutzt, um private Schulden zu tilgen. Ein Verfahren gegen die mitangeklagte Ehefrau wurde aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt und steht noch aus.
Der Prozess gegen die Angeklagten aus dem Allgäu findet am Landgericht Nürnberg-Fürth statt, weil die Nürnberger Generalstaatsanwaltschaft bayernweit für Betrugsfälle im Gesundheitswesen zuständig ist.
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