War das Thema Klimaschutz bei der letzten EU-Wahl 2019 noch ein Gewinnerthema, scheint mit ihm diesmal kein Blumentopf zu gewinnen zu sein. Die Grünen, die für sich in Anspruch nehmen, die ambitioniertesten Ziele im Klimaschutz zu haben, verloren im Vergleich die meisten Stimmen. Die Wähler in Deutschland sahen Zuwanderung, soziale Sicherung und Friedenssicherung als deutlich wichtiger an. Dass der Klimawandel unsere Lebensgrundlage zerstört, ist zwar nach wie vor eine große Sorge der Deutschen, hielt sie aber nicht davon ab, die AfD zu wählen, die dem Klimaschutz den Kampf angesagt hat. Die Angst vor Kriminalität ist deutlich größer als vor den Folgen des Klimawandels.
Grüne: Keine falschen Schlüsse ziehen
Die Grünen geben sich zerknirscht: Der Koalition sei es nicht gelungen, deutlich zu machen, dass Maßnahmen in Zeiten großer Umbrüche damit verbunden werden müssten, dass es gerecht zugehe, sagt Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt im Deutschlandfunk. Da schwingen das Heizungsgesetz, der Zwist mit dem Koalitionspartner FDP und das "Kommunikationsproblem" mit, von dem die Ampel gern nach Wahlniederlagen spricht. Allerdings reiche das diesmal als Erklärung nicht aus, sagt Parteichefin Ricarda Lang. Sie warnt vor einer Abkehr vom Klimaschutz. "Wir haben gesehen, was es bedeutet, wenn alles weggeschwemmt wird", sagt Lang mit Blick auch auf das Hochwasser in Bayern. Niemand solle so tun, als sei Klimaschutz nur ein Trend. Er sei existenziell für Wohlstand, Sicherheit und Freiheit. "Wir hoffen auch, dass keine der anderen Parteien falsche Schlüsse zieht."
FDP-Chef fordert Technologieoffenheit statt Verbrenner-Aus
Dabei dürfte sie die FDP im Blick haben. Die will den Klimaschutz anders organisieren und sieht sich durch das Wahlergebnis darin bestätigt. Parteichef Christian Lindner hatte es beim Parteitag Ende April auf die Formel gebracht: "Unser Leitbild im Klimaschutz: keine Verbote, kein Verzicht, sondern Technologie." Am Montag wandelt Lindner diesen Glaubenssatz in eine konkrete Forderung an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) um. Sie ist nun auf der Suche nach Verbündeten im EU-Parlament, um abermals zur Kommissionspräsidentin gewählt zu werden. Lindner fordert vor diesem Hintergrund, die Technologieoffenheit müsse wirklich verankert werden. "Ein Verbot des Verbrennermotors kann es durch eine nächste Kommission nicht geben. Und die getroffenen Entscheidungen dazu sind zu revidieren."
Von der Leyen: Keine Antwort aufs Verbrenner-Aus
Die Adressatin dieser Forderung steht kurz darauf bei der CDU im Berliner Konrad-Adenauer-Haus auf der Bühne. Ursula von der Leyen war die treibende Kraft hinter dem Green New Deal, einem ambitionierten Fahrplan der EU zur Klimaneutralität bis 2050. Er sieht unter anderem ein Zulassungsverbot für neue Verbrenner ab 2035 vor. Alte Verbrenner dürfen auch über das Jahr 2035 hinaus gefahren werden. Von der Leyen hatte den Green Deal mal mit der Mondlandung verglichen. Nun geht sie nicht auf die Frage ein, ob das Verbrenner-Aus verhandelbar ist. Ende Mai hatte sie bereits eine Überprüfung angekündigt. Mehrfach betont von der Leyen am Montag ihre Sympathie für die Zusammenarbeit mit den Liberalen im EU-Parlament. Die Grünen erwähnt sie dabei nicht, obwohl sie mit deren Unterstützung vieles durchs EU-Parlament gebracht hatte.
Von der Leyen: Das Ziel 2050 steht
Stattdessen sagt von der Leyen, die konservativen EU-Parteien, auch CDU und CSU, seien sich einig über das Ziel: Klimaneutralität bis 2050. "Die Frage ist, wie wir es pragmatisch, technologieoffen, mit Investitionen und Innovationen erreichen." Neben ihr nickt CDU-Chef Friedrich Merz, der sich wie die FDP gegen das Verbrenner-Aus positioniert hat. Im Jahr 2026 wird es überprüft. Spätestens dann wäre die Gelegenheit, die verhasste Vorgabe zu kippen. Die Argumente sind etwa der Schutz einer Schlüsselindustrie oder der Einbruch bei den Verkaufszahlen von E-Autos. Mindestens unklar scheint an diesem Montag, wie lange das Verbrenner-Aus noch Bestand haben wird.
SPD konzentriert sich aufs Kerngeschäft
Die FDP in der Ampel-Regierung dürfte das wahrnehmen. Die SPD dagegen hält nichts von Lindners Forderung. Generalsekretär Kevin Kühnert verweist mit Blick auf die FDP-Sitze im EU-Parlament auf deren geringe Bedeutung. Der Klimaschutz kommt bei Kühnert und der SPD-Spitzenkandidatin Katharina Barley aber auch nicht mehr weiter vor. Wichtiger scheint der SPD nun nach der eigenen Wahlniederlage die Profilschärfung zu werden. Und die enthält weniger klimapolitische, dafür mehr sozialpolitische Maßnahmen.
Wirtschaftsweise kritisiert "falsche" Klimapolitik
Aus Sicht der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm wird Klimaschutz "nicht besonders überzeugend umgesetzt." Vertrauen sei etwa beim Heizungsgesetz verspielt worden, so Grimm gegenüber der Funke-Mediengruppe. Einen Grund für das schwache Abschneiden der Grünen sieht sie darin, dass die sich, anstatt sich mit der FDP auf einen marktorientierten Ansatz mit starkem Emissionshandel zu einigen, in großem Umfang auf Förderung und Subventionen gesetzt hätten. Dafür fehle aber das Geld. Auch deshalb: Einfacher dürfte es nach der Europawahl für den Klimaschutz in Deutschland und Europa nicht werden.
Im Video: Das EU-Wahlergebnis: Reaktionen der Parteien in Bayern
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