"Eine sitzt da!", ruft Tanja Perry und geht auf die kleine Gartenbank zu, unter der sie Näpfe mit frischem Wasser und Futter aufgestellt hat. "Es ist die große, schwarz-weiße, struppige." Eine etwas zottelige Katze schaut kurz auf und frisst dann weiter. Zusammen mit anderen Tierfreunden aus Burgbernheim im Landkreis Neustadt a. d. Aisch-Bad Windsheim engagiert sich Perry für die Straßenkatzen hier im Ort.
Verlassenes Haus ist Hotspot
Ein bestimmtes Grundstück ist ein Hotspot der Streuner. Denn das Haus ist kaum zu erkennen, nur der Dachstuhl blitzt durch die Bäume. Alles ist verwildert, Wege gibt es hier schon lang nicht mehr. Viele herrenlose Katzen nutzen das Grundstück als Rückzugsort. "Also da kriege ich eine Gänsehaut", sagt Perry, angesprochen auf den Zustand der Katzen. Viele hätten Katzenschnupfen und Lungenwürmer. "Das geht von abgemagert - wo man denkt, es läuft ein Skelett vor einem her - bis hin zu einfach krank."
2023: 450 Katzen im Landkreis kastriert
Perry und die anderen sind Teil des "Kitty-Projekts", das 2002 vom Verein Aktion Tier e. V. ins Leben gerufen wurde: Mit großen Fallen fangen sie an Hotspots, wie diesem, Straßenkatzen ein. Anschließend werden die Katzen beim Tierarzt kastriert. Rund 450 Straßenkatzen konnten so 2023 im gesamten Landkreis unfruchtbar gemacht werden, heißt es aus dem Landratsamt. Die Vermehrung der Katzen einzudämmen, sei ein wichtiger Schritt, um ihr Leid zu lindern - da sind sich die Tierschützer und der Landkreis einig.
Nahezu alle Straßenkatzen mit Krankheiten
Denn laut dem Deutschen Tierschutzbund sind 99 Prozent der Straßenkatzen krank, auf der Straße werden die Tiere oftmals nur wenige Monate alt. Sie sind Nachkommen von Freigänger-Hauskatzen, von ausgesetzten oder zurückgelassenen Tieren, für die sich niemand zuständig fühlt. Doch aus zwei Katzen können ohne Kastration schnell eine ganze Schar werden - Leid, das sich vervielfacht.
Tierarzt spricht von Kampf gegen Windmühlen
Tierarzt Johannes Hofmann aus Neustadt a. d. Aisch hat 2023 rund 200 der Streuner-Katzen kastriert. "Dieses Jahr sind es jetzt schon 130 bis 140 Katzen. Ich denke, wir werden dieses Jahr das Ganze noch steigern müssen", sagt er. Die Kastrationsaktion hält er für sehr wichtig, auch wenn es sich manchmal anfühlt, als würde man gegen Windmühlen kämpfen: "Sofort rücken von außen Tiere nach und du musst immer wieder nach kastrieren. Es ergibt keinen Sinn zu denken, du kastrierst ein Dorf durch." Damit die Aktion erfolgreich bleibt, muss sie also zum Langzeitprojekt werden.
Widerstand mancher Katzenhalter
Die Einstellung teilt man auch im Tierheim Unternesselbach, auch dort unterstützt man das "Kitty-Projekt". "Rein theoretisch ist das Projekt nur für herrenlose Streunerkatzen", sagt Wolfgang Bläsing, Vorsitzender des Tierschutzvereins Neustadt a. d. Aisch und Umgebung e.V. In der Realität sei es aber oft so, dass die Tiere vor Generationen eigentlich zu einem Bauernhof oder Reitstall gehörten und ihre Vermehrung nur einfach nie kontrolliert wurde. "Das heißt, wir stoßen auf ganz starken Widerstand, stellenweise zumindest", so Bläsing. "Weil die Besitzer - also zum Beispiel Landwirte - Angst haben, sie hätten dann keine Katzen mehr."
Appell: Freigänger-Katzen kastrieren
Dabei wäre es so wichtig, auch diese Katzen und ihre Besitzer in das Projekt einzubeziehen, sagen die Projektbeteiligten. Denn nur dann könne man die Lage überhaupt nur ansatzweise unter Kontrolle bekommen. Denn die Straßenkatzen paaren sich nicht nur untereinander, heißt es aus dem Landratsamt, sondern eben auch "mit nicht-kastrierten Freigänger-Katzen und bringen unzählig viele junge Kätzchen zur Welt." Deshalb appelliert das Landratsamt an alle, ihre Freigänger-Katzen kastrieren zu lassen, denn sonst könnten "die Projekte nicht zum Ziel führen".
Katzenschutzverordnung ist eine Option
Falls sich die Situation der Straßenkatzen nicht verbessere, müsse man im Landkreis auch eine Katzenschutzverordnung in Betracht ziehen: Dann gebe es eine Pflicht, die eigene Katze zu kennzeichnen und zu registrieren, unkastrierte Katzen könne der Freigang verboten werden. Eine solche Verordnung ist in einigen Gemeinden in Bayern bereits Realität. Zuletzt hat der Landkreis Haßberge eine solche Regel angeordnet.
Futterstellen als Beobachtungsplatz
Neben den Kastrationen setzt das "Kitty-Projekt" auf betreute Futterstellen wie diese von Tanja Perry. So hat sie immer einen guten Überblick über die Zahl der Streuner und ihren Gesundheitszustand. Sie weiß, wer herrenlos ist und wer nicht - vor allem auch, welche Katze schon kastriert wurde. Denn die Straßenkatzen werden nach der Aktion wieder in die Freiheit entlassen - auch wenn viele von ihnen auf die Betreuung und medizinische Versorgung durch Menschen angewiesen sind, sind und bleiben sie dennoch wild.
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