Der Landtagswahlkampf biegt auf die Zielgerade ein. Und noch immer ringen die bayerischen Spitzenpolitiker um jede Stimme. Kann die CSU ihr vergleichsweise enttäuschendes Ergebnis von 2018 verbessern? Wer landet auf dem zweiten Platz? Und sind nach Sonntag vielleicht nur noch fünf Parteien im Landtag vertreten?
Im Lauf der Woche haben CSU, Grüne, Freie Wähler, AfD, SPD und FDP ihre Abschlusskundgebungen abgehalten - die Highlights und Stimmungen vor Ort im Überblick:
CSU: "Ich will, dass Bayern Bayern bleibt"
Harmonie zwischen den Unionsparteien – das wollte die CSU bei ihrem Wahlkampfabschluss ausstrahlen. Auch deshalb ist der CDU-Ministerpräsident aus Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, am Freitag nach München in den Löwenbräukeller gekommen. Dort lobt Wüst die Schwesterpartei: Bayern sei überall da erfolgreich, wo die CSU die Dinge in der Hand halte. Und er lobt Markus Söder. Sein bayerischer Amtskollege mache den Mund auf, er rede Tacheles, er wisse, was die Menschen denken. "Ihr könnt stolz sein auf euer Bayern", ruft Hendrik Wüst den versammelten CSU-Anhängern zu.
Söder gibt das Lob an Wüst und seine unionsgeführte Landesregierung zurück: Man merke Bundesländern an, ob die Union die Führung habe oder nicht. Es sei gut, dass es die "Achse zwischen Bayern und Nordrhein-Westfalen" gebe, gerade in Zeiten einer zersplitternden Demokratie, mit Fake News und digitalen Blasen. Deshalb sei es so wichtig, dass CSU und CDU sich nicht streiten. Anders als 2018: Damals war die Zeit vor der bayerischen Landtagswahl geprägt von unionsinternem Streit über die Flüchtlingspolitik. Im gut gefüllten und stimmungsvollen Saal gibt sich Söder einerseits als Bewahrer: "Ich will, dass Bayern Bayern bleibt, auch wenn die Welt langsam verrückt wird." Andererseits blickt er bereits angriffslustig auf die nächste Bundestagswahl: "Wir müssen 2025 diese Ampel in die Wüste schicken." Für beide Aussagen gibt es lauten Applaus aus dem Publikum, das sich für Sonntag wohl mehr erhofft, als das für CSU-Verhältnisse unbefriedigende Ergebnis von 37,2 Prozent vor fünf Jahren.
Grüne: Gegen "schwarzen Stillstand" und "Rechtsrutsch"
Sie wollen mitregieren – diese Absicht machen die Grünen bei ihrem Wahlkampffinale am Donnerstagabend auf dem Münchner Odeonsplatz noch einmal deutlich. "Es braucht ein grünes Zugpferd gegen den schwarzen Stillstand in Bayern", ruft Spitzenkandidatin Katharina Schulze in die Menge. Neben Abgeordneten und Landtagskandidaten sind etwas mehr als 100 Grünen-Sympathisanten gekommen. Sie alle hoffen, dass die Grünen zweitstärkste Kraft werden, vor den Freien Wählern und der AfD.
Eines der Kernanliegen der Partei prangt prominent auf den Wahlkampf-Plakaten und darf in keiner Rede fehlen: Die Grünen wollen den "Rechtsrutsch" stoppen und damit "die Demokratie verteidigen". Seitenhiebe auf politische Kontrahenten kommen dabei auch von Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Sie fordert eine politische Kultur des Anstands und des Respekts und nennt Hubert Aiwanger einen "politischen Brandstifter". Ricarda Lang, die Bundesvorsitzende der Grünen, geht vor allem auf den Klimaschutz ein. Wer den blockiere, werde zum Risiko für den Wirtschaftsstandort Bayern. So sieht es auch Co-Spitzenkandidat Ludwig Hartmann, der CSU-Ministerpräsident Markus Söder wegen des stockenden Windkraftausbaus in Bayern angreift: "Er mag nicht, er kann es nicht - dann muss er es andere machen lassen." Die Grünen würden gerne selbst "machen", bislang hat Söder eine schwarz-grüne Koalition aber klar ausgeschlossen.
Freie Wähler: "Was ihr wollt, das ist uns Gesetz"
Der Einzug von Hubert Aiwanger bei seinem letzten Wahlkampfauftritt am Mainburger Gallimarkt beginnt mit einer kleinen Panne. Zielstrebig marschiert Aiwanger nach seiner Ankunft sofort auf die Bühne, doch da muss er erst nochmal runter, er ist nämlich noch gar nicht dran. Der kleine Vorfall zeigt: Aiwanger strotzt gerade vor Selbstbewusstsein. Die Umfragen nach der Flugblatt-Affäre für die Freien Wähler sind gut wie nie: Er kämpft um Platz zwei, möchte mit der CSU weiterregieren und in der nächsten Legislaturperiode mehr einfordern, zum Beispiel noch einen weiteren Ministerposten.
Kritik an den Grünen ist für die Freien Wähler das Thema im Wahlkampf. Dafür erntet Aiwanger im Festzelt im niederbayerischen Mainburg am meisten Applaus. Die Grünen seien eine Verbotspartei und wollten den Leuten sogar das Fleisch essen verbieten. Eigentum bewahren, Erbschaftssteuer abschaffen, 2000 Euro im Monat steuerfrei verdienen, Bürgergeld-Empfänger in die Pflicht nehmen. Laut Aiwanger und den Freien Wählern muss die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung gehört werden: "Was ihr wollt, das ist uns Gesetz und nicht ein Gesetz, das gegen die Mehrheit der Bevölkerung durchgesetzt wird, wie das Heizungsgesetz, wie Zuwanderung." Aiwanger bleibt auch beim Wahlkampfendspurt seiner Linie treu.
AfD: "Lasst uns dieses Land blau einfärben"
Die AfD muss bei ihrer Abschlusskundgebung in Mödlareuth vergangenen Dienstag kurzfristig auf die Hauptrednerin verzichten: Die Bundesvorsitzende der Partei, Alice Weidel, könne aufgrund eines "sicherheitsrelevanten Zwischenfalls" nicht an der Kundgebung teilnehmen. Weidel richtet sich dann in einer rund eineinhalbminütigen Videobotschaft an ihre Anhänger. Die sollen der Staatsregierung am Sonntag einen "Denkzettel" verpassen, denn sie sei "Teil des Mainstreams" und "ein Steigbügelhalter der Ampel". Später wird bekannt, dass sich Weidel zum Zeitpunkt der Kundgebung auf Mallorca aufhielt. Außerdem teilt das Bundeskriminalamt (BKA) im Lauf der Woche mit, es habe keine besondere Gefährdungslage gesehen.
In Mödlareuth spricht auch das AfD-Spitzenduo für die Landtagswahl. Kathrin Ebner-Steiner zieht Parallelen zwischen dem SED-Regime und dem heutigen wiedervereinigten Deutschland. In der DDR sei die Opposition unterdrückt worden: "Fühlt es sich heute nicht genauso an?", fragt Ebner-Steiner mehreren hundert Anhänger und wettert anschließend gegen das Gebäudeenergiegesetz und die "Heizungsdiktatur des Insolvenzministers Habeck". Laut Co-Spitzenkandidat Martin Böhm vernichte die "Ampelabrisstruppe" mit ihrer "desaströsen Politik" Arbeitsplätze und nur die AfD könne die Bundesregierung überhaupt noch aufhalten. "Lasst uns dieses Land blau einfärben", ruft Böhm dem Publikum zu.
SPD: "Dieses Land gehört nicht der CSU und Markus Söder"
Im Zentrum der Landeshauptstadt, auf dem Münchner Marienplatz, gibt die SPD ihr Wahlkampffinale. Zu Gast ist ein kämpferisch aufgelegter Bundesvorsitzender: Bayern habe mehr verdient als die aktuelle Staatsregierung, sagt Lars Klingbeil: "Dieses Land gehört nicht der CSU und Markus Söder, dieses Land gehört nicht Aiwanger." Vor mehreren hundert Anhängern erinnert Klingbeil daran, dass es bei der Wahl am Sonntag um Bayern gehe, nicht um Berlin - Berlin sei nicht dafür verantwortlich, dass die Staatsregierung keine Wohnungen baue und keine Energiepolitik mache, um die bayerische Industrie zu stärken. "Nein, dafür ist die CSU zuständig", so Klingbeil. Söder lenke von den eigenen Versäumnissen ab.
Dazu gehört laut Münchens SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter auch der Verkauf der staatlichen Wohnbaugesellschaft GBW samt 32.000 Wohnungen im Jahr 2013 durch den damaligen Finanzminister Söder. "Ein absoluter Irrsinn", sagt Reiter. Spitzenkandidat Florian von Brunn fehlt bei der Kundgebung erkrankt. Seine Co-Landeschefin Ronja Endres springt ein und attackiert die Staatsregierung: CSU und Freie Wähler hätten keine Antworten auf die aktuellen Fragen, sondern würden "Panik verbreiten und schimpfen, schimpfen, schimpfen wie der Teufel an Weihnachten". Die SPD will für ein bezahlbares Bayern sorgen - bei Wohnen, Pflege, Kitas und Energie. Derzeit steht die Partei in Umfragen bei neun Prozent. Dennoch ruft Parteichef Klingbeil seinen Anhängern zu: "Wir können Schlussspurt."
FDP: "Wir glauben, dass das Beste vor uns liegt"
Die FDP ist eine eigenständige Partei der Mitte – das ist die Kernbotschaft der Liberalen bei ihrer Abschlusskundgebung vor rund 650 Zuschauern am Freitagabend auf dem Münchner Odeonsplatz. Die anderen seien Nostalgiker, Apokalyptiker oder stünden für eine "Politik des Weiter so", sagt der bayerische Spitzenkandidat Martin Hagen. "Wir sind Optimisten. Wir glauben, dass das Beste vor uns liegt!" Wie über den ganzen Wahlkampf hinweg kritisiert Hagen besonders die Freien Wähler um Hubert Aiwanger, für den man sich als Wirtschaftsminister "im Ausland schämen" müsse.
Für Hagen ist das Rennen an der Spitze klar: "Die CSU wird die Wahl gewinnen. Ob jetzt mit 36, 38 oder 40 Prozent - vollkommen irrelevant." Es gebe "keinen taktischen Grund die CSU zu wählen", so Hagen. Die Landtagswahl sei nur noch in der Frage spannend, ob es auch im nächsten Landtag eine "liberale Stimme" gibt. Im aktuellen BayernTrend liegt die FDP unter fünf Prozent. Damit würde die Partei den Wiedereinzug verpassen. Im Endspurt helfen soll auch ihr prominentester Politiker: Christian Lindner, Parteichef und Bundesfinanzminister. Er verteidigt die Ampel-Rolle der Liberalen – es sei nötig gewesen, das Heizungsgesetz "vom Kopf auf die Füße zu stellen". Viel Zeit in seiner Rede widmet Lindner dem Thema Migration: So sollen in seinen Augen mehr Fachkräfte kommen und weniger Menschen ohne Bleibeperspektive, die das Sozialsystem belasten. Mit Blick auf Sonntag ruft der FDP-Chef zum Wählen auf: Das sei in einer Demokratie "eine Frage der Ehre".
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