Im Streit um den geplanten Flutpolder bei Wörth an der Donau im Landkreis Regensburg bleiben auch nach dem jüngsten Hochwasser die Fronten verhärtet. Sowohl die Wirkung als auch die möglichen negativen Auswirkungen des riesigen Polders, der ungefähr der Fläche des Tegernsees (772 Hektar) entsprechen soll, sind umstritten.
Gegner: Polder würde Grundwasserproblem noch verschärfen
In einer Diskussionsrunde bei BR24 Radio ("Sonntags um 11") sagte Stefan Kramer von der Interessengemeinschaft gegen den Polder, das jüngste Hochwasser habe die Kritik an den Polderplänen nur noch verfestigt. Man habe gesehen, dass die steigenden Grundwasserspiegel diesmal ein großes Problem gewesen seien. Das werde sich mit dem geplanten Polder für die Anwohner noch verschärfen, wenn das Wasser näher herankomme, so Kramer.
Viel sinnvoller sei es dagegen, sich stärker auf den Ausbau von dezentralen Hochwasserschutzmaßnahmen zu konzentrieren, wie Rückhaltebecken, Flächenentsiegelungen, Deichrückverlegungen oder Dächer-Begrünungen. Wenn das Wasser aus den Zulauf-Flüssen gar nicht in der Donau ankomme, benötige man auch keinen Flutpolder mehr, sagte Kramer.
"Wir fordern schon sehr lange Regenrückhalt in der Fläche, an den Gewässern der zweiten und dritten Ordnung. Da muss das Wasser zurückgehalten werden, wo es entsteht." Stefan Kramer, Interessengemeinschaft gegen Flutpolder
So sei etwa in der Stadt Wörth ein Baugebiet ausgewiesen worden. Es seien dabei Regenrückhaltebecken und Zisternen ausgewiesen worden – das gehe weit über die Empfehlungen des Wasserwirtschaftsamtes hinaus und man habe gesehen, dass dies Erfolg gebracht habe, so Kramer.
Wasserwirtschaftsamt: Dezentrale Schutzmaßnahmen reichen nicht
Stefan Neudert vom Wasserwirtschaftsamt Regensburg stellte jedoch klar, dass der Freistaat sehr wohl auch auf all diese dezentralen Maßnahmen setze, diese jedoch bei einem hundertjährlichen Hochwasser nicht ausreichen würden. Das jüngste Hochwasser vor einer Woche sei verglichen dazu ein eher kleineres Hochwasser gewesen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wäre der geplante Flutpolder, wenn er schon verfügbar gewesen wäre, gar nicht geöffnet worden, sagt Neudert.
Man brauche solche großen Polder gerade dann, wenn die dezentralen Hochwasserschutz-Vorrichtungen vor allem an der unteren Donau zu versagen drohen. Das Problem sei auch, dass es entlang der Donau nur noch sehr wenige geeignete Flächen für Flutpolder gebe, so Neudert.
Es gebe ein komplexes, kombiniertes Hochwasserschutzkonzept - eine Kombination aus verschiedenen Maßnahmen: Rückhalt in der Fläche, Wiederherstellung von Rückhaltegebieten, von Überschwemmungsgebieten, technischer Hochwasserschutz, und wo es keine anderen Möglichkeiten gebe, auch Mauern, Deiche und Schöpfwerke. Neudert: "Am Schluss dann Flutpolder für den Überlastfall, das ist der Baukasten, den wir benutzen."
Kosten für Hochwasserschutzmaßnahmen deutlich gestiegen
Auf den Vorwurf der Poldergegner an die Staatsregierung, dass zahlreiche dezentrale Hochwasserschutzmaßnahmen in den vergangenen Jahren verzögert worden oder ins Stocken geraten seien, sagte Neudert: Das hänge damit zusammen, dass die Kosten für die Baumaßnahmen enorm gestiegen und die im Haushalt dafür eingeplanten Geldmittel oft überschritten worden seien. Kramer von den Poldergegnern kritisierte dagegen, dass der Freistaat sich zu sehr auf den Polder konzentriere und die dezentralen Maßnahmen nur noch halbherzig vorantreibe.
Wirtschaftliche Nachteile für die Stadt Wörth
Weiter gab Kramer zu bedenken, dass der Polder für die Gemeinde Wörth auch wirtschaftliche Nachteile haben würde. Betriebe könnten sich nicht niederlassen oder sich erweitern, weil die Fläche nicht mehr zur Verfügung stehe, was sich letztlich negativ auf die Gewerbesteuer und auf Arbeitsplätze auswirken würde.
Betroffene leben lange Zeit in Unsicherheit
Christine Schröpf, leitende Redakteurin für Landespolitik bei der "Mittelbayerischen Zeitung", war als langjährige Beobachterin der Polderdiskussion ebenfalls zu der BR24-Talkrunde "Sonntags um 11" eingeladen. Sie wies auf die große Verunsicherung der Menschen hin. Sie seien zum Teil eben stark betroffen, etwa Landwirte oder auch Anwohner. Zwei Anwesen in dem Poldergebiet müssten komplett weichen. Die Bewohner leben dort seit ihrer Kindheit, für sie sei dies Heimat. Da müssten die gegenseitigen Interessen schon berücksichtigt und abgewogen werden, meint Schröpf.
Die zentralen Fragen seien, wie wirksam Polder seien und welche Folgen sie haben und ob das Ganze überhaupt bezahlbar ist. Dafür gebe es das Planfeststellungsverfahren, in dem abgewogen werde. Später könne man es vor Gericht überprüfen. Bis 2031, wenn mit dem Bau begonnen werden soll, sei noch Zeit.
Aber nichtsdestotrotz ist es natürlich eine Phase, die für die Leute vor Ort Unsicherheit bedeutet. Ein Landwirt, der in dem Bereich ist, sollte der jetzt investieren oder nicht?" Christine Schröpf , "Mittelbayerische Zeitung"
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