Unmut der Opposition über Aussagen des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) gibt es häufig, Widerspruch eines Abgeordneten der Regierungskoalition ist selten: Freie-Wähler-Klimaexperte Benno Zierer lässt keinen Zweifel daran, wie wenig er davon hält, dass Söder ohne eine Rückkehr zur Atomenergie "keine Chance" für die selbst gesteckten Klimaziele sieht.
Im BR-Interview betont Zierer, die Atomkraft sei ein "totes Pferd". Bayern könne durchaus bis 2040 klimaneutral werden, wenn die Bevölkerung mitziehe und die Politik "vernünftig" gestalte.
Söder: Ohne Atomkraft 2045
Der Ministerpräsident hatte das bayerische Klimaziel am Dienstag nach der Haushaltsklausur der Staatsregierung in Zweifel gezogen: Ohne Rückkehr zur Atomkraft könne der Freistaat nicht schon 2040 klimaneutral werden, sondern erst 2045 – wie der Bund. Söders neue Formel: "mit Kernenergie 2040, ohne Kernenergie 2045 – hoffentlich."
Bayern sei bei erneuerbaren Energien zwar auf einem "mega-guten Trip". Ohne Atomkraft aber brauche es dennoch "billiges Gas" aus einem Land, "das wir nicht wollen", oder Kohle. "Beides ist fürs Klima nicht gut." Söder forderte daher einen Stopp des Rückbaus des Atomkraftwerks Isar 2: "Noch ist es reversibel." Betreiber PreussenElektra hatte allerdings vor einem Jahr das endgültige Aus für das AKW verkündet.
Grüne: Ziel muss bleiben
Kritik an Söders Äußerung kommt auch aus der Opposition. "Für uns ist ganz klar: Das Klimaziel 2040 muss bestehen bleiben", sagt Martin Stümpfig, Sprecher der Grünen-Fraktion für Energie und Klimaschutz. "Wir fordern die Staatsregierung auch auf, alles dafür zu tun, dass wir das erreichen."
Auch SPD-Energieexperte Florian von Brunn verlangt, an dem Ziel festzuhalten: "Wir haben eigentlich das wirtschaftliche Potenzial, die technischen Möglichkeiten."
Söders ambitioniertes Ziel
Es war Söder selbst, der 2021 angesichts von Hochwasserkatastrophen einen "Klimaruck" angemahnt hatte. Sonst drohten "dramatische" Folgen, sagte er in einer Regierungserklärung. Bayern wolle bis 2040 klimaneutral sein und schaffe ein "ambitioniertes Klimaprogramm" mit 50 Maßnahmen.
Seit 2023 ist die Neufassung des Klimagesetzes in Kraft – mit der Festlegung: "Spätestens bis zum Jahr 2040 soll Bayern klimaneutral sein." Vor gut einem Jahr bekräftigten CSU und Freie Wähler im Koalitionsvertrag: "An unserem Ziel Klimaneutralität bis 2040 halten wir fest."
Aiwangers Zweifel
Wirtschaftsminister Aiwanger ließ schon öfter erkennen, dass das Ziel 2040 für ihn nicht in Stein gemeißelt ist: "Ob wir's erreichen, wissen wir nicht", sagte er im vergangenen Jahr im BR Fernsehen. "Wenn wir sehen, die Leute wählen einen ab und wandern ins Ausland mit der Industrie, dann müssen wir wieder zurück." Ende Juni mahnte Aiwanger in einem Zeitungsinterview, man solle bei dem Ziel nicht verkrampfen: "Wir müssen verhindern, dass wir am Ende CO₂-frei, aber wirtschaftlich tot sind."
Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) versicherte daraufhin, Bayern stehe zum Klimaziel. "Das letzte Mal, als ich in Artikel zwei des bayerischen Klimaschutzgesetzes reingeschaut habe, da stand da noch drin: bis 2040 klimaneutral." CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek sagte damals dem BR, das Ziel sei in der Koalition vereinbart und Basis des gemeinsamen Handelns. Es sei wichtig, "jetzt nicht davon abzurücken".
AfD sieht sich bestätigt - SPD widerspricht
AfD-Fraktionsvize Ingo Hahn betont nun, seine Partei habe das Gesetz schon immer kritisiert. "Daher sehen wir uns in unserer Position bestätigt, wenn nun auch Söder und Aiwanger von diesem unsinnigen Ziel abrücken." Klimaneutralität sei ohnehin kein vernünftiges Ziel, "da Bayern das Weltklima nicht beeinflussen kann".
SPD-Politiker von Brunn hält es für eine "Ausflucht" Söders, "dass er jetzt wieder mit der Atomkraft anfängt". Grund dafür sei, dass Bayern nicht genügend vorankomme mit dem Ausbau von Windkraft und Batteriespeichern.
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