Seit 15 Jahren liefern die 200 Kühe von Landwirt Gerd Fensel aus Eckental in Mittelfranken Bio-Milch. Doch wie lange noch? Seine Tiere haben einen Tierwohlstall mit Auslauf, aber ohne Zugang zu einer Weide. Deshalb ist bald Schluss mit Bio. Aber könnten die Kühe in Zukunft vielleicht doch noch Bio-Milch produzieren? "Stallhaltungs-Bio-Milch" statt "Weide-Bio-Milch"?
EU macht Schluss mit Augen zudrücken
Bereits 1999 hat die EU in der Ökoverordnung die Weidepflicht eingeführt. 2007 und 2018 wurde sie ergänzt. 2021 begann die Pilotphase zur strengeren Umsetzung und jetzt ist es fix: Wer ab nächstem Jahr seine Kühe nicht auf die Weide schickt, ist kein Bio-Bauer mehr. Landwirt Fensel würde dann von seiner Molkerei nur noch 53 statt 61 Cent pro Liter Milch bekommen und die staatlichen Öko-Prämien würden wegfallen. Auch deshalb will er so wie viele andere Betroffene unbedingt Ökobauer bleiben.
Mehr Transparenz auf der Milchtüte
Unterstützung bekommt Fensel vom Landesvorsitzenden des Ökoverbands Naturland, Hubert Heigl. Er fordert für Bio-Milch verschiedene Verpackungen: "Eine wäre als normale Bio-Milch gekennzeichnet, die andere als Öko-Weidemilch. Das wäre aus meiner Sicht Transparenz, dann kann der Verbraucher entscheiden." Weidemilch müsste dann mehr kosten, so Heigl, denn Weidehaltung sei personalaufwendig, das müsse honoriert werden.
Machen die Molkereien mit bei zweierlei Bio-Milch?
Bei der Bio-Molkerei Scheitz in Andechs wird eine getrennte Erfassung und Vermarktung schon praktiziert. Es gibt "Bio-Milch"-Produkte und bei Trinkmilch ausschließlich "Bio-Weidemilch". Auch Heinrich Gropper von der gleichnamigen Molkerei in Bissingen zeigt sich offen: "Bevor wir bis zu 15 Prozent der Bio-Milch verlieren, machen wir das. Wir erfassen jetzt schon dreierlei Milch: konventionelle Standardmilch, Bio-Milch und Tierschutzmilch. Da ist eine vierte Milch kein Problem."
Kritische Stimmen zu zweierlei Bio-Milch
Die Molkerei Bechtel in der Oberpfalz, zu der Landwirt Fensel seine Milch liefert, möchte zu dem Vorschlag keine Stellung nehmen und verweist an den Verband der Privaten Bayerischen Milchwirtschaft. Dessen Geschäftsführerin Susanne Glasmann sagt: "Aus Sicht der privaten Molkereien macht es keinen Sinn, langfristig über zwei verschiedene Bio-Milch-Kategorien zu sprechen."
Auch Hans-Jürgen Seufferlein vom Verband der Milcherzeuger äußert sich kritisch: "Dann muss auch Bio-Milch aus Kombihaltung, also partieller Anbindehaltung, getrennt erfasst werden, damit wirklich volle Transparenz gewahrt ist." Tatsächlich gibt es in Bayern nach Schätzung der Landesvereinigung ökologischer Landbau 700 bis 800 Bio-Betriebe mit Weidehaltung im Sommer, bei denen aber im Winter die Tiere im Stall angebunden sind. Für Kleinbetriebe mit maximal 50 Tieren und zweimal Auslauf pro Woche außerhalb der Weidezeit gibt es dafür Ausnahmegenehmigungen.
Brüssel: "Kein Kommentar!"
Entscheidend ist: Würde Brüssel das tolerieren? Auf Anfrage von BR24 schreibt die Agrar-Pressesprecherin der EU-Kommission: "Zu dem Vorschlag möchten wir keinen Kommentar abgeben." In Österreich wurde übrigens schon 2022 auf Druck der EU die Weidepflicht für Ökobetriebe ohne jegliche Ausnahmeregelungen umgesetzt. Wie viele Betriebe daraufhin ihr Bio-Siegel abgeben mussten, dazu gebe es keine Zahlen, heißt es aus dem Landwirtschaftsministerium in Wien.
Blickt der Verbraucher noch durch?
Naturland-Chef Hubert Heigl will mehr Transparenz für die Verbraucher. Doch für die ist das Angebot jetzt schon unübersichtlich. Neben konventioneller Standardmilch, Bauernmilch, Landmilch, Weidemilch, Berg und Alpenmilch, fairer Milch, Heumilch, Vorzugsmilch (nicht pasteurisierte Rohmilch) und A2-Milch (mit einem bestimmten Milcheiweiß) gibt es auch jetzt schon Bio-Milch in verschiedenen Varianten.
Fakt ist: Lässt man die Haltung der Tiere außer Acht und betrachtet nur die Qualität der Milch, ist Milch eines der am besten kontrollierten Lebensmittel in Deutschland. Selbst die billigste Milch ohne jegliches Siegel ist ein hochwertiges Produkt ohne Zusatzstoffe.
Im Video: Bio in Bayern: Mehr Nachfrage, weniger Angebot (10.3.25)
Bio-Musterregion Schwäbische Alb
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